Hat der Arbeitgeber eine Diensterfindung noch nicht zur Erteilung eines Patents angemeldet, kann er die Erfindung dem Erfinder auch nach Inanspruchnahme freigeben, ohne dass es dazu dessen Einwilligung bedarf, und sogar lange nach Ablauf der 4 Monatsfrist.
Diese bemerkenswerte Entscheidung gehört zu einem Fall, in dem der Diensterfinder per E-Mail „patentable ideas“ mitteilte und dies zur unbeabsichtigten Inanspruchnahme führte. Die Schiedsstelle des DPMA traf in diesem Fall wichtige Entscheidungen zur Wirksamkeit einer Erfindungsmeldung und zur Freigabe einer Erfindung nach Inanspruchnahme.
Wirksamkeit einer Erfindungsmeldung
Nach dem Arbeitnehmererfindergesetz ist ein angestellter Erfinder verpflichtet, seinem Arbeitgeber eine Diensterfindung in ordnungsgemäßer Weise mitzuteilen (§ 5 Abs. 1 ArbEG). Dies gilt auch als erfüllt, wenn der Diensterfinder in einer E-Mail an den Arbeitgeber von „patentable ideas“ spricht und dabei darauf hinweist, dass er dies gemäß dem Gesetz über Arbeitnehmererfindungen tue.
Ist der Arbeitgeber anderer Ansicht, hat er gemäß dem Arbeitnehmererfinderungsgesetz (ArbEG) verschiedene Optionen: er kann zum einen die ordnungsgemäße Meldung bemängeln, was bei dieser Form der Erfindungsmeldung naheliegend gewesen wäre. Dies ist jedoch nur innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach der Erfindungsmeldung möglich gemäß § 5 Abs. 3 ArbEG und muss mit einer Begründung der Rüge erfolgen.
Stattdessen hatte der Arbeitgeber dem Erfinder geantwortet, die Erfindung sei „not a patentable invention or a technical improvement under the German Law on Employee Inventions“. Dies ist jedoch keine relevante Ablehnung oder Freigabe einer Diensterfindung. Wenn der Arbeitgeber die Erfindung überhaupt nicht für patentierbar hält, ist er gemäß § 17.2 ArbEG verpflichtet, die Schiedsstelle (§ 29) zu einer Einigung über die Schutzfähigkeit der Diensterfindung anzurufen. Alternativ kann er die Erfindung freigeben innerhalb einer Frist von vier Monaten nach Eingang der Erfindungsmeldung gemäß § 8 ArbEG, in dem Fall gehen alle Rechte an der Erfindung an den Erfinder über, wenn dieser die Freigabe der Erfindung in Anspruch nimmt. Beides ist jedoch im vorliegenden Fall nicht geschehen.
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Fiktion der Inanspruchnahme
Antwortet ein Arbeitgeber also nicht ausreichend im Sinne der ArbEG oder antwortet er gar nicht, gilt die Fiktion der Inanspruchnahme gemäß § 6 Abs. 2 ArbEG. Demnach muss ein Arbeitgeber schriftlich und innerhalb von 4 Monaten nach der Erfindermeldung gegenüber seinem Arbeitnehmer die Freigabe erklären, andernfalls gilt die Erfindung als vom Arbeitgeber stillschweigend in Anspruch genommen.
Exkurs Fiktionsregelung der Inanspruchnahme
Die Fiktion der Inanspruchnahme ist eine stillschweigende Inanspruchnahme gemäß § 6 Abs. 2 ArbEG, die ohne aktives Zutun des Arbeitgebers geschieht. Diese sogenannte Inanspruchnahmefiktion gilt für alle Erfindungen, die ab dem 01.10.2009 gemacht worden sind und kehrt die Regelungen zur Inanspruchnahme komplett um, die bis dahin gültig war.
Denn vor dem 1.10.2009 sind Diensterfindungen freigeworden, wenn der Arbeitgeber die Inanspruchnahme nicht ausdrücklich und innerhalb von vier Monaten schriftlich erklärt hat. Eine ausbleibende Reaktion des Arbeitgebers führte also zur automatischen Nicht-Inanspruchnahme einer Diensterfindung. Jetzt ist es genau anders herum.
Als Folge der automatischen Inanspruchnahme durch die nicht wirksame Ablehnung der Erfindung gingen direkt nach § 7 ArbEG alle vermögenswerten Rechte an der Diensterfindung an den Arbeitgeber über – obwohl der Arbeitgeber glaubte, die Patentideen längst abgelehnt zu haben und auch erklärt hatte, die Erfindung nicht benutzen zu wollen. Deshalb bestand nach § 9 Abs. 1 ArbEG ein Vergütungsanspruch des Erfinders gegen den Arbeitgeber.
Da der Arbeitgeber keinesfalls die Erfindung benutzen wollte und die gesamte Inanspruchnahme in Frage stellte, entzog er sich einer Vergütungspflicht gegenüber dem Erfinder durch die Freigabe der Erfindung – allerdings lange nach der dafür vorgesehenen Frist von vier Monaten nach Eingang der Erfindungsmeldung (ca. 3, 5 Jahre nach der Erfindungsmeldung). Die angerufene Schiedsstelle hatte daher zu entscheiden, ob eine solche späte Freigabe zulässig ist.
Verspätete Freigabe nach § 8 ArbEG möglich?
Der Inhaberschaft an einer Diensterfindung und den damit verbundenen Pflichten einschließlich einer etwaigen Vergütungspflicht kann sich der Arbeitgeber auch nach der Inanspruchnahme wieder entledigen, nämlich durch Freigabe nach § 8 S. 1 ArbEG oder nach § 16 Abs. 2 ArbEG, führte die Schiedsstelle aus. Hat der Arbeitgeber die Diensterfindung noch nicht zur Erteilung eines Patents angemeldet, so komme eine Freigabe nach § 8 S. 1 ArbEG in Betracht. Eine solche Freigabe sei die Ausübung eines Gestaltungsrechts des Arbeitgebers. Einer Einwilligung des Erfinders bedürfe es hierfür deshalb nicht.
Hat der Arbeitgeber die Diensterfindung hingegen bereits zur Erteilung eines Patents angemeldet, so sei für eine Freigabe nach § 8 S. 1 ArbEG kein Raum mehr, denn diesen Fall erfasst § 16 Abs. 2 ArbEG als lex specialis, präzisierte die Schiedsstelle.
Arbeitgeber sollten nicht zur ungewollten Patentanmeldung gezwungen sein
Dass die Freigabe einer Erfindung nach Inanspruchnahme aber vor Patentanmeldung gemäß § 8 ArbEG sogar auch lange nach Ablauf der 4 Monatsfrist zulässig ist, begründete die Schiedsstelle mit Überlegungen zum Grundgedanke der entsprechenden Gesetzgebung. Während des Laufs der Inanspruchnahmefrist bedürfe es keiner Freigabemöglichkeit nach § 8 S. 1 ArbEG, denn die Freigabe sei für diesen Zeitraum bereits nach § 6 Abs. 2 ArbEG möglich, führte die Schiedsstelle aus. Deshalb sei davon auszugehen, dass der Gesetzgeber nicht bezweckt hat, dass ein Arbeitgeber nach Ablauf der viermonatigen Inanspruchnahmefrist womöglich gezwungen wäre, eine eigentlich nicht gewollte Patentanmeldung zu beantragen, um im Anschluss an die Anmeldung nach § 16 Abs. 2 ArbEG die ungewollte Diensterfindung freigeben zu können.
Nur wenn der Arbeitgeber sich trotz Freigabe eine Nutzungsmöglichkeit vorbehalten wollte (§ 16 Abs. 3 ArbEG), müsste er zunächst den Weg einer Patentanmeldung auf eigene Kosten gehen. Das aber gelte nicht im vorliegenden Fall. Daher entschied die Schiedsstelle, dass Freigabe einer Erfindung nach Inanspruchnahme aber vor Schutzrechtsanmeldung auch nach Ablauf der viermonatigen Inanspruchnahmefrist gemäß § 8 ArbEG zulässig ist – auch ohne die Einwilligung des Erfinders.
Fazit
Letztlich führt diese Entscheidung aber auch nicht zu einer Jahre währenden Option für Arbeitgeber, eine Diensterfindung nach Inanspruchnahme noch kostengünstig freigeben zu können. Denn Arbeitgeber sind verpflichtet, eine Erfindung zeitnah – unverzüglich gemäß § 13 Abs. 1 ArbEG – zum Patent anzumelden, um die entsprechende Priorität für die Erfindung zu sichern. Meldet ein Arbeitgeber die Diensterfindung zu spät oder gar nicht an, kann der Erfinder einen Anspruch auf Schadensersatz geltend machen.
Im vorliegenden Fall war der Arbeitgeber dem Erfinder gegenüber vergütungspflichtig bis zum Zeitpunkt der viel zu spät erfolgten Freigabe der Erfindung, die dennoch zulässig war.
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Quellen:
Entscheidung der Schiedsstelle Arb.Erf. 71/16
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