Eine Arbeitnehmererfindung wurde genutzt, aber erst jahrelang später angemeldet durch den Arbeitgeber: die Schiedsstelle des DPMA urteilte zur Schuld des Arbeitgebers bei verspäteter Inlandsanmeldung. Besonders heikel ist der Fall, weil zwischenzeitlich eine die Diensterfindung betreffende Publikation veröffentlicht worden war und den Erfindungswert verändert hat.
In einem Mitte 2016 erlassenem Einigungsvorschlag (Arb. Erf. 57/13) erläutert die Schiedsstelle des DPMA, dass eine vom Arbeitgeber verschuldete, verspätete Inlandsanmeldung die Kompensation der Erfindungswertminderung durch Anheben der Bezugsgröße rechtfertige. Denn die wirtschaftliche Verwertbarkeit der eigenen Diensterfindung hängt unmittelbar vom Verhalten des Arbeitgebers ab.
Der Sachverhalt
Der Arbeitgeber nahm eine 2006 gemeldete Diensterfindung unbeschränkt in Anspruch, meldete diese aber erst 2009 beim DPMA und 2010 beim Europäischen Patentamt unter Inanspruchnahme der deutschen Priorität zum Patent an. Zwischenzeitlich war allerdings eine Fachtagung aus 2007 betreffend die Arbeitnehmererfindung veröffentlicht worden. Aufgrund dieser Publikation hat das EPA das angemeldete Verfahren als bekannten Stand der Technik angesehen, hingegen ist das deutsche Patent uneingeschränkt erteilt worden.
Erfindungswert und Exklusivitätsrecht
Die Schiedsstelle führt zur Bestimmung des Erfindungswertes (wie üblich) aus, dass die „Erfindung ausgehend von ihrem tatsächlichen Inhalt unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu würdigen“ sei. Dabei spiele unter anderem eine Rolle, welche Teile der Erfindung ihr kennzeichnendes Gepräge durch welche technischen Eigenschaften erhalten und entsprechend unter Nutzung der aufgrund eines erteilten Patents nutzbaren Monopolstellung wirtschaftlich verwertet werden können. Um diesen Einfluss bestimmen zu können, gehe die Schiedsstelle regelmäßig vom Abstand der erteilten Ansprüche eines Patents zum bisherigen Stand der Technik im Zeitpunkt der Anmeldung aus.
Hier lag jedoch im Zeitpunkt der Diensterfindungsmeldung und der Anmeldung zum europäischen Patent aufgrund der zwischenzeitlich veröffentlichten Publikation jeweils ein unterschiedlicher Stand der Technik vor. Resultat war, dass ein Exklusivitätsrecht auf diejenigen Teile der technischen Eigenschaften, die im Zeitpunkt der Patentanmeldung bereits zum Stand der Technik gehörig zählten, nicht erteilt werden konnte. Ein dennoch erteiltes Schutzrecht könne von Mitbewerbern mittels Nichtigkeitsklage angegriffen werden. Entsprechend würde ein vernünftiger Lizenznehmer keine Lizenz für diesen Teil der Erfindung erwerben wollen, selbst wenn dafür ein noch wirksames Patent bestünde.
Verfügungsmacht letztlich auch über den Erfindungswert liegt beim Arbeitgeber
Vorliegend ist die Divergenz des jeweiligen Standes der Technik deswegen entstanden, weil zwischen der Meldung (2006) und der ersten Anmeldung zum Patent (2009) zwei Jahre gelegen haben und zwischenzeitlich eine die Diensterfindung betreffende Publikation veröffentlicht worden ist. Der geringere Schutzumfang des europäischen Patents ist daher unmittelbar der zeitlichen Verzögerung der Anmeldung geschuldet. Für die Schutzrechtsanmeldung von Diensterfindungen ist zuvörderst ausschließlich der Arbeitgeber zuständig und kann rechtlich legal zunächst nur von diesem vorgenommen werden. Denn anderenfalls liegt eine widerrechtliche Entnahme vor. (§ 21 Abs. 1 Nr. 3 PatG). Die wirtschaftliche Verwertbarkeit der eigenen Diensterfindung hängt also allein vom Verhalten des Arbeitgebers ab. Um diesen Entzug der Verfügungsmacht über das eigene geistige Eigentum zu kompensieren, hat der Gesetzgeber den § 13 Abs. 1 ArbEG geschaffen, der den Arbeitgeber dazu verpflichtet, die Diensterfindung unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 BGB), zum Patent anzumelden. § 13 Abs. 1 ArbEG dient daher hauptsächlich dem Schutz der wirtschaftlichen Interessen des Arbeitnehmers.
Anspruch des Arbeitnehmers auf Schadensersatz – auf fiktiven Erfindungswert
Die Schiedsstelle ist deshalb der begründeten Ansicht, dass die Norm eine Schutznorm (i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB) sei, die dem Arbeitnehmer bei Verstoß einen Schadenersatzanspruch gewähre. Eben einen solchen Verstoß nimmt die Schiedsstelle hier zugunsten des Arbeitnehmers an, weil kein Rechtfertigungsgrund (§ 13 Abs. 2 ArbEG) vorläge.
Hier auf die Ansprüche des europäischen Patents abzustellen, würde den Arbeitnehmer also erheblich schlechter stellen. Aufgrund des von der Schiedsstelle angenommenen Verschuldens des Arbeitgebers, stellt die Schiedsstelle stattdessen (fiktiv) zugunsten des Erfinders auf die Anspruchsfassung und den Stand der Technik des deutschen Patents ab, auch wenn die Erfindung vom Inhaber tatsächlich aus den genannten Gründen nicht in diesem Umfang verwertet werden könne.
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Quellen:
Schiedsstelle des DPMA – Verspätete Schutzrechtsanmeldung
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