Ein kniffliger Fall: die Computerimplementierte Erfindung Softwaremodul wurde dem U.S. Mutterkonzern gemeldet, dem deutschen Arbeitgeber erst Jahre später. War die Diensterfindung durch die vermeintlich unterbliebene Inanspruchnahmeerklärung frei geworden? Und kann ein erfolgreiches Softwaremodul zu Lizenzsätzen von 100 % führen?
EDV und digitale Vernetzung der Unternehmen machen es möglich, eine gemeldete Diensterfindung weltweit öffentlich zu machen, obwohl sie z. B. nur dem U.S. Mutterkonzern gemeldet wurde. War die Diensterfindung durch die vermeintlich unterbliebene Inanspruchnahmeerklärung frei geworden?
Der Sachverhalt
Ein leitender Entwicklungsingenieur in einem internationalen Konzern machte die vermeintlich unterbliebene Inanspruchnahmeerklärung des deutschen Tochterunternehmens geltend für eine in Deutschland entwickelte Diensterfindung, die er zwar über das EDV System dem U.S. Mutterkonzern meldete (diese hat daraufhin US-Patente angemeldet), dem deutschen Arbeitgeber jedoch erst einige Jahre später. Der deutsche Arbeitgeber ging in der Folge davon aus, dass er im Anschluss an diese Erfindungsmeldung mit Ablauf (Fiktion) der Viermonatsfrist des § 6 Abs. 2 ArbnEG die Diensterfindungen wirksam in Anspruch genommen hat.
Der Erfinder jedoch bezog sich auf das bekannte BGH Urteil Haftetikett von 2006 (X ZR 155/03), demnach eine schriftliche Erfindungsmeldung ausnahmsweise entbehrlich sein kann. Das interne EDV- System habe einen konzernweiten Zugriff auf die Erfindungen ermöglicht, argumentierte er, und daher sei nach seiner Ansicht seine Diensterfindung frei geworden durch die vermeintlich unterbliebene Inanspruchnahmeerklärung des deutschen Tochterunternehmens.
Die Schiedsstelle widersprach dieser Argumentation in seiner Entscheidung Arb.Erf. 61/10 und setzte sich dort mit der Auslegung des BGH Urteils Haftetikett auseinander. Eine schriftliche Erfindungsmeldung könne gemäß dem Urteil ausnahmsweise entbehrlich sein, jedoch nur als „absolute Ausnahmefallrechtsprechung“, entschied die Schiedsstelle. Das sei ausdrücklich nur der Fall, wenn der Arbeitgeber dokumentiert, dass es keiner Erfindungsmeldung mehr bedarf, weil er über die nötigen Erkenntnisse in Bezug auf die Diensterfindung bereits verfügt.
BGH Urteil Haftetikett und Fortführung im BGH Urteil Initialidee
Genauso hat auch der BGH sein Urteil Haftetikett fortgeführt im Urteil Initialidee von 2011 (X ZR 72/10).
Die Leitsätze des Gerichts im BGH Urteil ‚Initialidee‘ lauten:
- Die Frist zur Inanspruchnahme einer Diensterfindung wird, wenn es an einer schriftlichen Erfindungsmeldung des Diensterfinders fehlt, grundsätzlich nur in Gang gesetzt, wenn der Arbeitgeber, insbesondere durch eine Patentanmeldung und die Benennung des Arbeitnehmers als Erfinder, dokumentiert, dass es keiner Erfindungsmeldung mehr bedarf, weil er über die Erkenntnisse bereits verfügt, die ihm der Diensterfinder durch die Erfindungsmeldung verschaffen soll.
- Eine derartige Dokumentation der Kenntnis des Arbeitgebers von der Diensterfindung und den an ihr Beteiligten ergibt sich weder daraus, dass der Arbeitgeber durch die mündliche Mitteilung einer “Initialidee” durch den Arbeitnehmer und schriftliche Berichte über anschließend durchgeführte Versuche Kenntnis von der technischen Lehre der Erfindung erhält, noch aus dem Umstand, dass der Arbeitgeber von einem Patent erfährt, das der Arbeitnehmer auf die Diensterfindung angemeldet hat (Fortführung von BGH, Urteil vom 4. April 2006 – X ZR 155/03 Haftetikett).
Die Schiedsstelle betonte, dass es auch dann nicht als Kenntnis des deutschen Arbeitgebers von der Diensterfindung gilt, wenn die Meldung einer Diensterfindung an die amerikanische Konzernmutter erfolgte, mit einer konzerninternen EDV erfolgt, die möglicherweise einen konzernweiten Zugriff auf die Eingaben ermöglicht.
Computerimplementierte Erfindung: Softwaremodul
Digitales und Software betreffend war auch die Erfindung selbst, eine Computerimplementierte Erfindung für Verfahren, die softwareseitig Regler steuern. Umso interessanter sind die Ausführungen der Schiedsstelle, denn eine solche Diensterfindung kann bei weltweiter Nutzung im Konzern schnell eine sehr hohe Vergütung theoretisch möglich machen, die durch Addition von mehreren Lizenzsätzen ggf. zu Lizenzsätzen von 100 % und mehr führt.
Bei einer computerimplementierten Erfindung könne die kleinste technisch-wirtschaftliche funktionelle Einheit, welche von der Erfindung wesentlich geprägt bzw. in ihrer Funktion beeinflusst wird, auch kleiner als die angesteuerte „Hardware“ sein, erläuterte die Schiedsstelle. Kurz gesagt kann also das reine Softwaremodul eine ausreichende Bezugsgröße für die Erfindungsvergütung darstellen, bleibt aber eine Einzelfallbetrachtung.
Keine unbegrenzte Addition von Lizenzsätzen
Eine unbegrenzte Addition von mehreren Lizenzsätzen ist jedoch nicht möglich, urteilte die Schiedsstelle. Der Höchstlizenzsatz definiert somit die Belastungsgrenze des Produkts durch seine Wettbewerbsfähigkeit, eine kalkulatorische Überbelastung der Produkte durch die Lizenzbelastung soll unterbleiben. Es ist daher nicht möglich, unbegrenzt mehrere Lizenzsätze aufzusummieren.
Die Schiedsstelle gewinnt daher den Höchstlizenzsatz vereinfacht aus einer Verdoppelung des Durchschnittslizenzsatzes. Was bedeutet das konkret? In der industriellen Mess- und Regelungstechnik ist ein Lizenzsatzmittelwert von 3 % üblich, für die Elektroindustrie zwischen 1,5 und 2 % und für die Maschinen- und Werkzeugindustrie zwischen 2 % und 4 %.
Abstaffelung für Umsatz bei Konzernstrukturen
Auch die Abstaffelung in Bezug auf den Umsatz war ein Streitpunkt zwischen den Parteien. Der Arbeitgeberin war der Auffassung, dass bei Anwendung der Umsatzabstaffelung (gemäß RL Nr. 11) über die Jahre kumulierte und auf für Deutschland umgerechnete Umsätze berücksichtigt werden müssten. Der Erfinder lehnte eine Abstaffelung vollständig ab, da er seine Diensterfindung als frei geworden ansah – was sich allerdings ja als nicht richtig herausstellte.
Die Schiedsstelle erklärte, dass eine Abstaffelung für einen Umsatz bei Konzernstrukturen immer vorzunehmen ist, da hier von einer Kausalitätsverschiebung weg von der Diensterfindung hin zu wichtigen anderen Faktoren wie Vertriebsnetz, Marktführerschaft, Qualität und Marke anzunehmen sei.
Bezugsgröße für den Umsatz bei Auslandsbeteiligung
Für die Ermittlung des zu Grunde liegenden Umsatz gab die Schiedsstelle auch eine nützliche Übersicht für die Ermittlung von für die Vergütung relevanten Umsätzen bei Auslandsbeteiligung.
Dies folge grundsätzlich analog zu den Regelungen im Inland:
- Produktion im Inland und Schutzrecht im Inland:
Inlandsumsatz + Exportumsatz - Produktion im Ausland und Schutzrecht in diesem Land:
Auslandsumsatz + Export aus diesem Land heraus - Produktion in einem Land ohne Schutzrecht und Export in ein Land, in dem ein Schutzrecht besteht:
Exportumsatz - Produktion in einem Land, in dem das Unternehmen bewusst eine schutzrechtsfreie Zone eingerichtet hat:
Umsatz in diesem Land und Exportumsatz
Vorliegend war allerdings eine solche Zuordnung nicht möglich. In einem solchen Fall, greift man auf eine Einigung auf die Konzernaußenumsätze gemäß sogenannten „vernünftigen Lizenzvertragsparteien“ zurück. Der Konzernaußenumsatz bzw. der Umsatz des benutzenden Konzernunternehmens kann dabei maßgebliche Berechnungsgrundlage sein, insbesondere bei wirtschaftlicher Einheit und arbeitsteiliger Aufspaltung im Konzern.
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Quellen:
Entscheidung der Schiedsstelle Arb.Erf. 61/10
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