Eine Diensterfindung, die in einem deutschen Tochterunternehmen eines US-Unternehmens gemacht wird, muss dem US-Mutterkonzern gemeldet werden, wenn eine solche Weisung besteht. Dennoch nimmt das deutsche Tochterunternehmen die Erfindung stillschweigend in Anspruch und hat sie zu vergüten– durch die Fiktion der Inanspruchnahme.
Eine Erfindung, die während der Arbeitszeit in einer Firma entsteht, gehört dem Arbeitgeber und muss diesem unverzüglich und gesondert in Textform bekanntgemacht werden. Doch zunehmend befinden sich deutsche Unternehmen eingebunden in internationale Konzerne. Dies hat gravierende Auswirkung auf die Arbeitnehmererfindungen. Wem ist nun die Diensterfindung zu melden? Und wer nimmt sie in Anspruch?
Im vorliegenden Fall war der Arbeitnehmererfinder von 2014 bis 2015 in einem deutschen Tochterunternehmen (im Folgenden „A GmbH“ genannt) tätig, das zu diesem Zeitpunkt zu einem US-Mutterkonzern (im Folgenden „A Inc.“ genannt) gehörte.
Ab dem Jahr 2014 und damit zum Zeitpunkt der Erfindungsmeldung waren die Arbeitnehmer der „A GmbH“ verpflichtet, jegliche Erfindungsmeldungen unmittelbar der US-Patentabteilung der „A Inc.“ zu melden. Der Arbeitnehmererfinder machte in 2014 fünf Diensterfindungen, hielt sich an die Weisung und meldete seine Erfindungen an den amerikanischen Mutterkonzern. Damit handelte er vollkommen richtig im Sinne des Direktionsrechts (§ 106 S.2 GewO).
Mutterkonzern ist rechtlich der Empfangsvertreter
Rechtlich gesehen war die US-Patentabteilung der „A Inc.“ infolge dieser Weisung Empfangsvertreterin i.S.v. § 5 Abs. 1 ArbEG . Folglich wirkten die bei der US-Patentabteilung der „A Inc.“ abgegebenen Erfindungsmeldungen unmittelbar gegen die „A GmbH“. Daher gingen die Erfindungsmeldungen nicht nur der US-Patentabteilung zu, sondern auch dem deutschen Tochterunternehmen „A GmbH“ (gemäß § 6 Abs. 2 ArbEG).
Strittig war zwischen dem Arbeitnehmererfinder und dem Rechtsnachfolger der deutschen Firma „A GmbH“, ob „A GmbH“ die Erfindungen in Anspruch genommen hatte. Zur Klärung dieser Frage wurde die Schiedsstelle des DPMA angerufen.
Die Schiedsstelle gab mit ihrer Entscheidung dem Arbeitnehmererfinder Recht, der geltend gemacht hatte, dass „A GmbH“ seinen Erfindungen in Anspruch genommen hatte. Indem der deutschen „A GmbH“ ebenfalls die Erfindungsmeldungen zugingen, habe das deutsche Tochterunternehmen bereits zu diesem Zeitpunkt die Pflicht gehabt, nach § 13 Abs. 1 ArbEG die Diensterfindungen zur Erteilung eines Schutzrechts mit Wirkung für Deutschland anzumelden – obwohl die Weisung zur Meldung an den US-Mutterkonzern zurecht bestand.
Denn infolge der Fiktion nach § 6 Abs. 2 ArbEG habe die „A GmbH“ die Diensterfindungen in Anspruch genommen, stellte die Schiedsstelle des DPMA klar.
Exkurs in die Fiktion der Inanspruchnahme
Die Fiktion der Inanspruchnahme ist eine stillschweigende Inanspruchnahme, die ohne aktives Zutun des Arbeitgebers geschieht. Die sogenannte Inanspruchnahmefiktion gilt für alle Erfindungen, die ab dem 01.10.2009 gemacht worden sind. Diese Fiktionsregelung ab Stichtag 1. Oktober 2009 kehrt die Regelung um, die bis dahin gültig war. Denn vor dem 1.10.2009 sind Diensterfindungen freigeworden, wenn der Arbeitgeber die Inanspruchnahme nicht innerhalb von vier Monaten schriftlich erklärt hat. Jetzt ist es genau anders herum: Von der Inanspruchnahme ist dann auszugehen, wenn der Arbeitgeber die Freigabe nicht vor Ablauf von vier Monaten erklärt. Der Arbeitgeber hat dann die Erfindung stillschweigend in Anspruch genommen.
Dies lag auch diesem Fall vor. Dadurch war „A GmbH“ – wie im Übrigen auch deren Rechtsnachfolgerin – verpflichtet, eine Vergütung der Diensterfindungen zu zahlen (§ 9 Abs. 1 ArbEG).
Auf Inanspruchnahmefiktion folgen Pflichten aus § 14 ArbEG
Zudem wurden für die „A GmbH“ die Pflichten aus § 14 ArbEG wirksam, dies ist ebenfalls wichtig zu beachten für alle international eingebundene deutsche Unternehmen.
§ 14 ArbEG: Schutzrechtsanmeldung im Ausland
Nach Inanspruchnahme der Diensterfindung ist der Arbeitgeber berechtigt, diese auch im Ausland zur Erteilung von Schutzrechten anzumelden.
Für ausländische Staaten, in denen der Arbeitgeber Schutzrechte nicht erwerben will, hat er dem Arbeitnehmer die Diensterfindung freizugeben und ihm auf Verlangen den Erwerb von Auslandsschutzrechten zu ermöglichen.
Die Freigabe soll so rechtzeitig vorgenommen werden, dass der Arbeitnehmer die Prioritätsfristen der zwischenstaatlichen Verträge auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes ausnutzen kann.
Der Arbeitgeber kann sich gleichzeitig mit der Freigabe nach Absatz 2 ein nichtausschließliches Recht zur Benutzung der Diensterfindung in den betreffenden ausländischen Staaten gegen angemessene Vergütung vorbehalten und verlangen, dass der Arbeitnehmer bei der Verwertung der freigegebenen Erfindung in den betreffenden ausländischen Staaten die Verpflichtungen des Arbeitgebers aus den im Zeitpunkt der Freigabe bestehenden Verträgen über die Diensterfindung gegen angemessene Vergütung berücksichtigt.
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Quellen:
Schiedsstelle des DPMA – Arb.Erf. 49/16
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