Im Verfahren um das Intel Rabattsystem wegen missbräuchlichem Wettbewerb mit Mikroprozessoren erreichte Intel die teilweise Aufhebung der Entscheidung der EU Kommission von 2009, die das Intel Rabattsystem des Marktführers Intel als potentiell missbräuchlich bezeichnet hatte.
Ausgangspunkt für die angefochtene Entscheidung der EU Kommission von 2009 ist die wirtschaftliche Analyse der Frage, ob die Rabatte einen ebenso effizienten Wettbewerber wie das Unternehmen in beherrschender Stellung vom Markt hätten verdrängen können (der sogenannte „As-Efficient-Competitor-Test“, AEC, dt: Kriteriums des Handelns „wie ein wirksamer Wettbewerber“). Eine solche AEC Analyse stand auch im Mittelpunkt des jetzigen Urteils, das der EuG traf (Case T‑286/09 RENV, 26. Januar 2022).
Der Sachverhalt: das Intel Rabattsystem
Intel Corp. (USA) hatte 2009 beim Europäischen Gericht beantragt, die Entscheidung K(2009) 3726 der EU Kommission vom 13. Mai 2009 in der Sache COMP/C-3/37.990 – Intel ganz oder teilweise für nichtig zu erklären. In dieser Entscheidung war festgestellt worden, dass Intel 2002 bis 2007 Wettbewerber vom Markt für x86 central processing units (Zentraleinheiten, im Folgenden: CPUs) strategisch ausgeschlossen hatte, insbesondere durch Preisnachlassvereinbarungen bei Großabnahme von Intels Prozessoren.
Mit Urteil vom 12. Juni 2014, Intel/Kommission (T-286/09, „Ausgangsurteil“, EU:T:2014:547), wies zwar der EuG die Intel Klage in vollem Umfang ab. Doch das nachfolgend angerufene höchste Europäische Gericht (EuGH) gab im September 2017 Intel Recht (C‑413/14 P). Der EuGH hob das EuG Ausgangsurteil (T-286/09, EU:T:2014:547) auf.
Insbesondere bemängelte der EuGH, der EuG habe nicht ausreichend die Abschottungswirkung durch das Rabattsystem überprüft. Die Prüfung der Abschottungsfähigkeit sei auch für die Beurteilung der Frage von Bedeutung, ob ein Rabattsystem, das zwar grundsätzlich unter das Verbot des Art. 102 AEUV fällt, objektiv gerechtfertigt sein kann, hatte der EuGH erläutert. Zudem sei stets abzuwägen, ob womöglich Effizienzvorteile (auch mit Blick auf die Verbraucher) die negativen wettbewerbsrechtlichen Effekte ausgleichen.
Das EuG hatte 2014 in seinem Ausgangsurteil jedoch entschieden, dass nicht geprüft zu werden brauche, ob die Kommission den sogenannten AEC-Test fachgerecht und fehlerfrei durchgeführt habe, und ebenso wenig, ob die von der Klägerin vorgeschlagenen Alternativberechnungen richtig durchgeführt worden seien. Der EuGH stellte daher fest, das Gericht habe infolgedessen bei seiner Prüfung der Eignung der streitigen Rabatte, den Wettbewerb zu beschränken, zu Unrecht das Vorbringen von Intel Corp. unberücksichtigt gelassen, mit dem angebliche Fehler der Kommission im Rahmen des AEC-Tests beanstandet werden sollten.
Daher wurde die Rechtssache vom EuGH an den vorinstanzlichen EuG zurückverwiesen, das nun über die Entscheidung K(2009) 3726 der EU Kommission entschied.
Rabattsystem des Marktführers missbräuchlich?
In der Frage, ob die Gewährung eines Rabatts durch ein Unternehmen in beherrschender Stellung als missbräuchlich bezeichnet werden kann, ist laut Rechtsprechung zwischen drei Kategorien von Rabatten zu unterscheiden (vergleiche in diesem Sinn: EuGH Michelin I, C-95/04 P):
- Mengenrabatte, in der Regel keine nach Art. 82 EG verbotene Abschottungswirkung
- Exklusivitätsrabatte, auch bekannt unter dem Ausdruck „Treuerabatte im Sinne von Hoffmann-La Roche“; in der Regel unzulässig, Missbrauch im Sinne von Art. 102 AEUV
- Treuefördernde Rabatte, die jedoch keine quasi-Exklusivität verlangen („Rabatte der dritten Kategorie“); in der Regel Einzelfallprüfung mit der Frage „wird die beherrschende Stellung durch Verfälschung des Wettbewerbs verstärkt“
Das letztgenannte- Rabatte der dritten Kategorien – trifft auf den vorliegenden Fall um das Intel Rabattsystem für Mikroprozessoren zu.
EuG 2022: Entscheidung der EU Kommission in Teilen für nicht erklärt
Der EuG erklärte am heutigen 26. Januar 2022 die angefochtene Entscheidung der EU Kommission vom Mai 2009 in Teilen für nichtig (T‑286/09 RENV, EU:T:2022:19).
Zwar bot Intel den betroffenen OEMs (HP, Acer und Lenovo) Rabatte oder Zahlungen an und sie wurden aufgefordert, als Gegenleistung für diese Zahlungen die Vermarktung bestimmter Produkte mit AMD-basierten CPUs einzustellen oder zu beschränken.
Überprüfung des Intel Rabattsystem fehlerhaft
Doch die Prüfung des Intel Rabattsystems durch die EU Kommission war EU Gericht fehlerhaft. Die EU Kommission hatte sich in ihrer Entscheidung auf eine sehr detaillierte Analyse des AEC-Tests bezogen, der nach Ansicht der EU Kommission die Abschottungswirkungen des Intel Rabattsystems belegten.
Wenn aber die EU Kommission sich offensichtlich ihre Entscheidung auf die AEC-Tests stützte, entschied jetzt das EuG, dann hätte sie auch das gesamte Vorbringen von Intel zu dem von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung angewandten AEC-Test prüfen müssen. Das aber hatte sie nicht getan.
Daher hätte die EU Kommission nicht feststellen können, entschied das EuG, dass die fraglichen Rabatte und Zahlungen der Klägerin wettbewerbswidrige wirken konnten und daher einen Verstoß gegen Art. 102 AEUV darstellten. Die Begründung der angefochtenen Entscheidung könne daher nicht als Grundlage für Art. 1 Buchst. a bis e der Entscheidung dienen.
Art. 1 Buchst. a bis e und Art. 2 der Entscheidung K(2009) 3726 endg. der Kommission vom 13. Mai 2009 in einem Verfahren nach Art. [102 AEUV] und Art. 54 des EWR-Abkommens (Sache COMP/C-3/37.990 – Intel) wurde daher vom EuG für nichtig erklärt.
Und auch Art. 3 der Entscheidung K(2009) 3726 endg. Wurde vom EuG für nichtig erklärt, soweit er Art. 1 Buchst. a bis e der genannten Entscheidung betrifft.
Faktisch dieses Urteil vor allem Verlust für die EU Kommission, denn mit der Entscheidung von 2009, Intel könne missbräuchlich gehandelt haben, wurde von der EU eine Strafe gegen Intel verhängt von gut einer Milliarde Euro. Mit dem heutigen Urteil ist diese Strafforderung aufgehoben.
Im Übrigen wurde die Klage von Intel abgewiesen.
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Quellen:
Case T‑286/09 RENV, EU:T:2022:19 vom 26. Januar 2022
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