Ein innovativ designtes ornamentales Motiv sollte als Unionsmarke für Muster geschützt werden. Doch vergeblich: das Muster einer Marke für Oberflächen muss von der Branchennorm abweichen, entschied das EuG. Und je komplexer das Muster ist, desto geringer ist die Unterscheidungskraft.
Angemeldet wurde das designte Muster der Streitmarke 2019 von Neolith Distribution, SL (Spanien), vor allem für Bodenbeläge und Porzellan in Nizza-Klasse 19. Das Zeichen zeigt ein innovativ designtes ornamentales Motiv. Doch die Markenanmeldung wurde vom EUIPO abgelehnt wegen fehlender Unterscheidungskraft (Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 2017/1001).
Auch die von Neolith angerufene Beschwerdekammer lehnte die Markeneintragung ab. In ihrer Begründung ordnete sie die Streitmarke als sogenannte Motivmarke/Mustermarke ein, für die eine Verwendung als dekoratives Oberflächenmuster die wahrscheinlichste ist. Die Form müsste daher, um unterscheidungskräftig zu sein, erheblich von der vom Verbraucher erwarteten Form und von der Norm oder der Branchenüblichkeit abweichen müsse, aber das sei vorliegend nicht der Fall.
Vor allem gegen diese Einschätzung richtete sich Neolith mit einer Klage vor dem Europäischen Gericht (EuG), das gestern (am 12. Januar 2022) in dieser Sache entschied (T‑259/21). Die Klägerin argumentierte, das angemeldete Zeichen sei eine Mustermarke im Sinne von Art. 3 Abs. 3 Buchst. e der Durchführungsverordnung (EU) 2018/626. Sie bestehe ausschließlich aus einer Reihe von Elementen, die sich wiederholten und sie auf dem Markt einzigartig und originell machten.
Neolith berief sich zudem auch auf vergleichbare zugelassene Unionsmarken. Es gebe viele Unionsmarken für Muster, die aus sich wiederholenden geometrischen Figuren bestehen und als Hinweis auf ihre betriebliche Herkunft angesehen wurden, die nicht allein deshalb von der Eintragung ausgeschlossen wurden, weil sie nicht von dem abweichen, was in dem fraglichen Sektor relativ üblich ist.
Marke für Oberflächen: Mustermarke nach Art. 3 Abs. 3 (e)
Der Art. 3 Abs. 3 (e) besagt: Im Falle einer Marke, die ausschließlich aus einer Reihe von Elementen besteht, die regelmäßig wiederholt werden (Mustermarke), wird die Marke durch eine Darstellung des Wiederholungsmusters wiedergegeben. Die Wiedergabe kann von einer Beschreibung begleitet werden, die Einzelheiten zur regelmäßigen Wiederholung der Elemente enthält.
Die Klägerin betonte, dass sie der weltweit führende Hersteller eines Porzellanerzeugnisses sei, und nannte zahlreiche internationale Preise für ihre innovative Designtätigkeit im Umweltbereich und für die originellen Entwürfe aus ihrem Unternehmen. Das gelte auch für die Streitmarke; das zur Marke angemeldete Design sei kreativ gestaltet und auch angesichts der großen Vielfalt an Materialien, Ausführungen und dekorativen Mustern im Bereich der Verkleidung schutzwürdig.
Kreativität ist nicht relevant für Unterscheidungskraft
Der EuG wies allerdings diese Argumentation zurück. Die Feststellung der Unterscheidungskraft hänge nicht von der Feststellung eines bestimmten Grades an Kreativität oder sprachlicher oder künstlerischer Vorstellungskraft auf Seiten des Markeninhabers ab, erläuterte das Gericht. Außerdem sind Neuheit oder Originalität sind keine relevanten Kriterien für die Beurteilung der Unterscheidungskraft einer Marke.
Entscheidend sei vielmehr, dass die Herkunft der von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen zu erkennen und von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden sind und berief sich u. a. auf das EuGH Urteil SAT.1/HABM von 2004 (C-329/02 P, EU:C:2004:532, Randnr. 41).
Die Klägerin könne sich auch nicht auf Art. 3 Abs. 3 (e) berufen in der Frage der Unterscheidungskraft, erklärte der EuG. Dass die Klägerin geltend gemacht hatte, dass die Voraussetzung für die Eintragung einer Unionsmarke für Muster nur das Vorhandensein einer Reihe von regelmäßig wiederkehrenden Elementen sei, könne nicht durchgreifen, da auch dann die Kriterien für die Beurteilung der Unterscheidungskraft anwendbar bleiben.
Unterscheidungskraft der Marke für Oberflächen
Die Streitmarke aber sei zum Schutz von Waren angemeldet, die aus Beschichtungsmaterialien bestehen. Die Streitmarke sei somit dazu bestimmt gewesen, führte das EuG aus, auf der Oberfläche dieser Waren angebracht zu werden. In so einem Fall einer Marke für Oberflächen gelte die Rechtsprechung für 3D Marken, demnach Unterscheidungskraft nur eine solche Marke vorweisen kann, die erheblich von der Branchennorm abweicht.
Denn die Rechtsprechung für dreidimensionale, aus dem Erscheinungsbild der Ware selbst bestehende Marken gilt analog auch für Marken, die aus der zweidimensionalen Darstellung der Ware besteht und ebenso auch, wenn die angemeldete Marke ein Zeichen ist, das aus einem auf die Oberfläche einer Ware angebrachten Muster besteht (2018, Birkenstock Sales/EUIPO, C-26/17 P, EU:C:2018:714).
Das EuG wies darauf hin, dass auch die Komplexität des Motivs ein relevantes Element darstelle, da sie verhindere, dass besondere Einzelheiten des Motivs im Gedächtnis haften bleiben und von den maßgeblichen Verkehrskreisen leicht und unmittelbar als Unterscheidungszeichen in Erinnerung behalten werden können. Es gilt daher: je komplexer die Marke für Oberflächen ist, desto geringer ist ihre Unterscheidungskraft.
Die Beschwerdekammer habe daher fehlerfrei angenommen, fasste das Gericht zusammen, dass die Streitmarke als rein dekorativ wahrgenommen werde und keine Botschaft enthalte, die geeignet sei, den Verbrauchern zu helfen, sich das Zeichen leicht einzuprägen.
Auch der Verweis von Neolith auf andere vergleichbare Unionsmarken stimmte das Gericht nicht um. Vielmehr betonte das EuG wie üblich, dass die Entscheidungen des Gerichts nicht auf früheren Entscheidungen des EUIPO zu treffen sind, sondern auf Grundlage der relevanten Verordnungen. Außerdem habe die Beschwerdekammer aber auch erläutert, dass sich der Fall Neolith von den anderen „vergleichbaren“ Unionsmarken unterscheidet. Und im Übrigen werde die Streitmarke nicht nur abgelehnt, weil sie nicht von der Branche abweicht, sondern weil das Zeichen angesichts seiner Komplexität und des diffusen Charakters seiner Linien als ein rein dekoratives Element wahrgenommen würde.
Der EuG wies daher die Klage von Neolith vollständig zurück.
Möchten auch Sie ein Muster oder Design schützen bwz. verteidigen?
Unsere Anwälte verfügen über langjährige Expertise im Designrecht und Markenrecht sowie im gesamten Gewerblichen Rechtsschutz und sind berechtigt, Sie vor jedem Gericht zu vertreten – in Deutschland und auch international.
Quellen:
Bild: aus der Akte des Urteils
Schreiben Sie einen Kommentar