Die Übernahme oder Eingliederung von Unternehmen ist Teil der freien Marktwirtschaft. Oftmals werden dabei vor allem traditionell etablierte Marken in das neue Unternehmen übernommen, durchaus sehr bewusst. Doch Vorsicht, bei Irreführung kann solch eine Marke für verfallen erklärt werden.
Irreführung durch übernommene „Traditionsmarke“
Sowohl das deutsche Markenrecht als auch das Europäische Markenrecht (Unionsmarkenverordnung (UMV)) sehen den Verfall einer Marke vor bei Irreführung in der Verwendung einer Marke.
Konkret entschied jetzt der Österreichische Oberste Gerichtshof (15. März 2021 – 4Ob221/20h) über einen solchen Fall von Irreführung über eine Unionsmarke für Holzfässer. Eine Gesellschaft hatte die Unionsmarke für Holzfäller von einem Traditionsunternehmen übernommen, das geschlossen wurde, konkret ging es um die Unionsmarke Nr 012315719 (Wort/Bild Marke) „Pauscha Austria – since 1875“. Die Gesellschaft verwendete die übernommene etablierte Marke weiterhin, auch für solche Holzfässer, die sich in der Herstellungsart, in ihrem Aussehen sowie der Beschaffenheit unterscheiden von den ursprünglich durch die Streitmarke geschützten Fässer.
Handelte es sich hier um Irreführung durch die übernommene etablierte Marke?
Es wurde ein Antrag auf Verfall der Marke wegen Irreführung nach Art 58 Abs 1 c UMV gestellt, über den jetzt der Österreichische Oberste Gerichtshof entschied. Und das Gericht gab dem Antrag statt und bestätigte das Vorliegen von Irreführung.
Ausdrücklich bezog sich der Oberste Gerichtshof dabei auf Art 58 UMV c: „wenn die Marke geeignet ist, das Publikum insbesondere über die Art, die Beschaffenheit oder die geografische Herkunft dieser Waren oder Dienstleistungen irrezuführen.“
Die hier zu beurteilende Unionsmarke verbinde den Familiennamen mit der Traditionsangabe „since 1875“ und nehme damit auf die rund 150-jährige Familientradition bei der Herstellung der bezeichneten Holzfässer Bezug, erläuterte das Gericht. In diesem Sinn sei in der Rechtsprechung anerkannt, dass das Publikum mit dem Hinweis auf eine langjährige Tradition auch besondere Erfahrungen und Qualitätsvorstellungen verbindet. Weil aber die fragliche Unionsmarke auf die Handwerkstradition des übernommenen Unternehmens und nicht auf jene der nunmehrigen Eigentümerfamilie Bezug nimmt, ist die übernommene Unionsmarke wegen Irreführung nach Art 58 Abs 1 lit c UMV für verfallen zu erklären, urteilte der Oberste Gerichtshof.
Urteil passend zur Rechtsprechung des EuGH?
Unterscheidet sich das Urteil des Obersten Gerichtshofs von Österreich damit von der Rechtsprechung des Obersten Europäischen Gerichts (EuGH)? Denn 2006 hatte der EuGH wichtige Fragestellungen in Bezug auf Irreführung durch Verwendung einer Unionsmarke beantwortet, im Fall Elizabeth Emanuel (C-259/04, Auslegung der Bestimmung zum Verfall einer Marke (Art 12 Abs 2 lit b der Marken-RL 89/104/EWG)).
Der EuGH hatte darin betont, dass nicht der Glaube der Verbraucher, sondern deren tatsächliche Irreführung entscheidend sei. Im Fall von Kleidung, versehen mit der übernommenen etablierten Marke ELIZABETH EMANUEL, sah der EuGH keine Täuschung des Publikums über die Art, die Beschaffenheit oder die Herkunft der mit ihr gekennzeichneten Ware. Denn auch wenn manche Verbraucher beeinflusst würden durch die Markenkennzeichnung der etablierten Marke, würden die Merkmale und die Eigenschaften dieses Kleidungsstücks von dem Unternehmen, das die etablierte Marke übernommen hatte und nun Inhaber der Marke ist, weiterhin garantiert.
Der Oberste Gerichtshof von Österreich bezog sich selbst auf dieses EuGH Urteil Elisabeth Emanuel. Es sei richtig, bestätigte der Oberste Gerichtshof in Österreich, dass Fehlvorstellungen des Publikums über die Unternehmenskontinuität oder unternehmensbezogene Täuschungen für sich allein grundsätzlich nicht zum Verfall einer Marke führen können; nur bei Arglist, aber das ist ein anderes Thema.
Anderes gelte aber dann, betonte das Gericht, wenn das Publikum mit dem hinter der Marke vermuteten Unternehmen eine besondere Qualität und Güte verbindet, die die Ware oder Dienstleistung tatsächlich nicht mehr aufweist. Und eben dies sei bei den Holzfässern der Fall.
Blick auf Deutschland: Irreführung in deutscher Rechtsprechung
Auch die deutschen Gerichte haben sich bereits mehrfach mit klaren Aussagen zum Verfall einer Marke wegen Irreführung befasst, relevant ist dafür im deutschen Markenrecht § 127 MarkenG. Es geht demnach um Merkmale und die Eigenschaften des gekennzeichneten Produkts im Hinblick auf die geographische Herkunftsangabe.
So ging es 2019 vor dem OLG Stuttgart um die Frage, ob eine Fleischfabrik die geschützte Marke einer „Bäuerlichen Erzeugergemeinschaft“ verwenden darf. Konkret ging es um die Kollektivmarken „Hohenloher Landschwein“ und „Hohenloher Weiderind“. Das OLG Stuttgart gab der Erzeugergemeinschaft Recht und entschied, es liege eine Verletzung der Kollektivmarken vor (2 U 73/18). Das Gericht betonte, dass dabei zu berücksichtigen sei, ob die Verbraucher zu der irrigen Auffassung gelangen können, dass der Dritte dem Kollektiv angehört oder die Waren gewissen Qualitätsanforderungen bzw. Produktionsmethoden entsprechen.
Bekannt ist auch die Entscheidung des OLG Köln von 2013 zum Himalaya-Salz (6 U 192/12), das 2016 vom BGH bestätigt wurde (I ZR 86/13). Der Begriff Himalaya-Salz werde irreführend gebraucht, wenn das Salz nicht im Bereich des Himalaya-Hochgebirgsmassivs abgebaut wird. Dieses Urteil fand auch deshalb viel Beachtung, weil ein großer Online-Händler der Beklagte war, der nach Ansicht des Gerichts mit der erfolgten Werbung gegen die Erfordernisse der beruflichen Sorgfalt im Sinne der UGP-Richtlinie verstieß. Auf bloße Angaben seines Lieferanten dürfe sich ein Online Händler nicht verlassen, urteilte der BGH, eine Handelsplattform hafte für die Produkteinstellungen Dritter.
In der Benutzung einer Gebietsnamens erkannte auch das OLG Jena eine Markenverletzung. Das OLG stellte 2009 die Irreführung durch Kennzeichnung mit der den Gebietsnamen enthaltenden Marke („Lausitzer Früchte“) fest (1 Ws 445/09). Eine solche falsche Herkunftsangabe benötige regelmäßig einen erklärenden Zusatz, entschied das OLG Jena.
BGH: Irreführung und Täuschung
Auch Marken für Bier sind vor deutschen Gerichten mehrfach entschieden worden. Der BGH entschied 2011 (bis 2014) vielbeachtet über die Frage: Ist die niederländische Biermarke „BAVARIA HOLLAND BEER” eine Verletzung der geschützten Ursprungsbezeichnung „Bayrisches Bier”? Der BGH bejahte das (IZR237/12) und entschied zudem, dass eine geographische Herkunftsangabe über einen besonderen Ruf im Sinne von § 127 Abs. 3 MarkenG verfügt, wenn sie ein besonderes Ansehen genießt, ohne dass dies durch objektive Eigenschaften der mit einer geographischen Herkunftsangabe gekennzeichneten Produkte begründet sein muss.
Und auch über den Zusammenhang zwischen Irreführung und Täuschung urteilte der BGH. Das Schutzhindernis der Täuschungseignung (§ 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG) ist demnach nicht erfüllt, wenn keine Irreführung des Verkehrs durch Verwendung der Marke erfolgt. Diese BGH Entscheidung von 2016 (I ZB 43/15) betraf die Marke „Stadtwerke Bremen“ und war auch deshalb interessant, weil die Stadt Bremen nur eine mittelbare Minderheitsbeteiligung am Markeninhaber innehatte.
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