Stilisierung einer Marke wird oft die Unterscheidungskraft abgesprochen, so auch in einem Fall um Verwechslungsgefahr zwischen ALCAR.SE und ALCAR vor dem EuG. Zudem ging es auch um die Komplementarität und Ähnlichkeit zwischen Waren und Dienstleistungen.
Im Juni 2016 meldete die Klägerin, Alcar Aktiebolag (Schweden) das Bildzeichen „Alcar.SE“ als Unionsmarke an für Waren und Dienstleistungen rund um Fahrzeuge und Boote. Gegen diese Markeneintragung legte Streithelferin Alcar Holding GmbH (Österreich) Widerspruch ein und verwies auf Verwechslungsgefahr mit der eigenen älteren Unionswortmarke ALCAR, die Schutzanspruch u. a. auf Fahrzeugteile und -zubehör stellt. Die Verwechslungsgefahr wurde in Bezug auf die Fahrzeuge geltend gemacht, nicht auf in Bezug auf die Boote.
Die Beschwerdekammer gab der Beschwerde der Streithelferin statt und bestätigte Verwechslungsgefahr. Angesichts der Tatsache, dass die beanspruchten Waren und Dienstleistungen der beiden Streitmarken in gewissem Maße einander ergänzen und dass sie über dieselben Vertriebskanäle vertrieben werden können, sei ihr Ähnlichkeitsgrad als durchschnittlich anzusehen. Das Vorhandensein des Bestandteils „.se“ und die leichte Stilisierung der angemeldeten Marke könnten den Gesamteindruck der Ähnlichkeit zwischen den Streitmarken zu verringern. Gegen diese Entscheidung klagte Alcar Aktiebolag vor dem Europäischen Gericht.
EuG: Beurteilung der Verwechslungsgefahr
Das Europäische Gericht (EuG) fasste zunächst kurz die Grundsätze für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr zusammen. Es komme entscheidend darauf an, wie die Marken auf den Durchschnittsverbraucher der betreffenden Waren oder Dienstleistungen wirken, betonte das Gericht. Eine Marke werde dabei regelmäßig als Ganzes wahrgenommen. Für eine zusammengesetzte Marke gelte zudem, dass sie nur dann als ähnlich zu einer anderen Marke zu sehen ist, wenn der ähnliche oder identische Bestandteil in der zusammengesetzten Marke das dominierende Element für den Gesamteindruck ist.
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Ähnlichkeit zwischen Dienstleistungen und Waren?
Die Beschwerdekammer hatte die Auffassung vertreten, dass die von der angemeldeten Marke erfassten Dienstleistungen der Klassen 35 und 39 den von der älteren Marke erfassten Waren der Klassen 6, 7 und 12 ähnlich seien. Dem widersprach die Klägerin. Sie argumentierte, dass Waren grundsätzlich nicht mit Dienstleistungen als solchen verglichen werden könnten, da sie ihrer Natur nach grundverschieden seien.
Doch das blieb ohne Erfolg. Denn, so erläuterte der EuG, Waren und Dienstleistungen können sich ergänzen oder die Dienstleistungen denselben Zweck oder dieselbe Verwendung wie die Waren haben und somit miteinander konkurrieren. (vgl. T-336/03 oder T-204/14).
Vor allem aber ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass Einzelhandelsdienstleistungen für bestimmte Waren eng mit diesen Waren verbunden sein können, wenn diese Waren von diesen Dienstleistungen erfasst werden. So entschied der EuG im Fall ROSALIA (T:2011:565), dass „Dienstleistungen des Einzelhandels in Geschäften, des Großhandels und des Verkaufs von Wein und anderen alkoholischen Getränken über globale Computernetze (Internet)“ in einem engen Zusammenhang mit der älteren Marke stehen – und die Marke die Waren Wein und Bier beanspruchte.
Speziell in Bezug auf die Komplementarität der Waren und Dienstleistungen erinnerte der EuG zudem daran, dass komplementäre Waren oder Dienstleistungen solche sind, zwischen denen ein enger Zusammenhang insofern besteht, dass die eine Ware oder Dienstleistung für die Nutzung der anderen unentbehrlich oder wichtig ist, so dass die Verbraucher denken könnten, dass das gleiche Unternehmen für die Herstellung dieser Waren oder die Erbringung dieser Dienstleistungen verantwortlich ist. Per definitionem muss es möglich sein, dass sich ergänzende Waren oder Dienstleistungen gemeinsam genutzt werden, so dass sich Waren und Dienstleistungen, die für unterschiedliche Verkehrskreise bestimmt sind, nicht ergänzen können.
Die Klägerin argumentierte entsprechend, dass sich die Waren und Dienstleistungen nicht ähnlich sind, da sie weder einander ergänzten noch in denselben Verkaufsstellen angeboten würden. Dennoch hatte auch dieser Einwand keinen Erfolg, denn es handelte sich um eine allgemeine Behauptung der Klägerin, die jedoch weder substantiiert noch bewiesen wurde.
ALCAR.SE versus ALCAR: Hoher Grad an Ähnlichkeit
Die visuelle Ähnlichkeit ist hoch, hatte die Beschwerdekammer entschieden, denn beide Streitmarken haben den identischen Anfang „ALCAR“. Der EuG bestätigte das. Vergeblich machte die Klägerin geltend, die Farbe und die leichte Stilisierung der angemeldeten Marke ALCAR.SE unterscheide sich doch deutlich von der älteren Wortmarke ALCAR. Doch der EuG widersprach. Denn die Farbe und Stilisierung weise keine besondere Originalität auf, die Gestaltung sei daher als sekundärer Bestandteil in der visuellen Wahrnehmung der Marke anzusehen.
Stilisierung ist nicht orginell genug
Schließlich, so ergänzte der EuG, kann ja auch der Inhaber einer Wortmarke in verschiedenen Schreibweisen verwenden, auch in verschiedenen Schriftzügen – und letztlich auch in einer Form, die die mit derjenigen der angemeldeten Marke vergleichbar wäre. Diesen Grundsatz hat der EuG schon mehrfach in seiner Rechtsprechung bestätigt (Sadas, T-346/04 ; Peek & Cloppenburg – Redfil, T-386/07; Claranet Europe – Claro, T-129/16).
Ebenso wenig konnte die Klägerin einen klanglichen Unterschied geltend machen. Sie hatte argumentiert, die Marke ALCAR.SE werde als drei getrennte Wörter gesprochen, nämlich „alcar“, „dot“ und „se“. Doch dem folgte der EuG nicht. Der einzige Unterschied bestehe im Vorhandensein der Endsilbe „.se, stellte das Gericht fest. Aber dies reiche nicht aus, um klangliche Ähnlichkeit auszuschließen, zumal es sich um einen sekundären Bestandteil der Marke handele. Für die klangliche Ähnlichkeit sei daher ein hoher Grad an Ähnlichkeit festzustellen.
Schlussendlich wies der EuG die Klage vollständig ab.
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