Der deutsche Teil des europäischen Patents auf PCT Diagnose von Sepsis des Hennigsdorfer Medizinprodukteherstellers B·R·A·H·M·S GmbH wurde in Teilen vom BPatG für nichtig erklärt.
Das Bundespatentgericht (BPatG) hat am 17. Dezember 2018 den deutschen Teil des Europäischen Patents EP 2 028 493 der B·R·A·H·M·S GmbH in Teilen für nichtig erklärt (4 Ni 16/17). Teile des Patents wurden aufrechterhalten, diese sind in der unten stehenden Nichtigkeitserklärung im Detail genannt. Die Kläger können das Urteil des BPatG vorläufig vollstrecken, wenn sie eine Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages hinterlegen – trotz möglicher Berufung von Brahms gegen das Urteil.
Die Klage der drei Kläger war in Teilen erfolgreich, weil das BPatG unter Hinweis auf fehlende Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit eine mangelnde Patentfähigkeit des angefochtenen Patents feststellte.
Streitpatent EP 2 028 493
Medizinproduktehersteller B·R·A·H·M·S GmbH ging 1994 aus der Traditionsfirma Henning Berlin hervor und gehört zum US amerikanischen Konzern Thermo Fisher Scientific. Die Kläger bieten ebenso wie B·R·A·H·M·S Procalcitonin basierte Diagnose-Kits an. B·R·A·H·M·S sieht dadurch den Schutz seiner Technologie verletzt, die durch eine Vielzahl von Patentfamilien im Patenportfolio geschützt ist. Das Grundlagenpatent war 2013 ausgelaufen.
Das Streitpatent EP 2 028 493 im vorliegenden Fall wurde bereits vor Verletzungsgerichten verhandelt. B·R·A·H·M·S machte gegen drei Unternehmen mit einer einstweiligen Verfügung beim Landgericht München I (Az. 21 O 9715/16) einen auf das Streitpatent gestützten Unterlassungsanspruch geltend. Das von einem der Antragsgegner angebotene und verkaufte Procalcitonin-Assay verletze das Streitpatent mittelbar, entschied das Münchner Gericht im Juli 2016.
Patentanspruch auf Procalcitonin 3-116
Das im vorliegenden Fall nun für in Deutschland in Teilen für nichtig erklärte europäische Patent von Brahms betrifft die streitpatentgemäße Erfindung neuer Diagnosemöglichkeiten, die sich aus neuen, experimentell abgesicherten Erkenntnissen im Zusammenhang mit dem Auftreten von Teilpeptiden des Procalcitonin (PCT, ProCT) bei Sepsis oder sepsisähnlichen schweren systemischen Infektionen ableiten lassen. Die Bedeutung der Vorläuferpeptide des Calcitonin, insbesondere des nativen Procalcitonin (Procalcitonin 1-116) als potentieller Marker für verschiedene Erkrankungen war aber bereits etliche Jahre vor dem Zeitrang des Streitpatents erkannt worden, stellte das BPAtG klar.
Brahms hatte argumentiert, der Patentanspruch zeige schon daher Neuheit, weil selbst eine mögliche, aber unerkannt gebliebene Mitmessung von Procalcitonin 3-116 durch vorbekannte Assays wie beispielsweise dem LUMItest® PCT unschädlich seien. Der Stand der Technik lehre im Unterschied zum Patentanspruch des Streitpatents nicht, zur Diagnose von Sepsis ein Assay zu verwenden, das Procalcitonin 3-116 detektiere.
Das BPatG wies dieses Argument zurück. Die bereits vor dem Zeitrang des Streitpatents bekannten Immuntests, darunter auch der im Streitpatent zum Einsatz gelangende LUMItest® PCT der B.R.A.H.M.S Diagnostica seien nicht stoffspezifisch für das native Procalcitonin, das sämtliche 116 Aminosäuren aufweist (Procalcitonin 1-116), sondern erfassten als Gesamt-Procalcitonin auch andere Vorläuferpeptide des Calcitonin und damit auch proteolytische Spaltpeptide des Procalcitonin 1-116, urteilte das Gericht. Ausgangspunkt des Patentanspruchs sei das bei Sepsis in vergleichsweise hohen Konzentrationen nachweisbare Procalcitonin, nicht aber vollständig mit 116 Aminosäuren, sondern mit einer Aminosäuresequenz von nur 114 Aminosäuren – Procalcitonin 3-116. Demnach sei der Patentanspruch des Streitpatents auf ein Verfahren zur Diagnose von Sepsis und damit auf ein Diagnostizierverfahren gerichtet, nicht auf ein Verfahren zur Detektion bzw. zum Nachweis oder gar zur quantitativen Bestimmung bzw. der Ermittlung der Konzentration von Procalcitonin 3-116 im Blut.
Ein mehrstufiges Diagnostizierverfahren im Patentanspruch?
Als weiteres Argument hatte B·R·A·H·M·S in diesem Zusammenhang angeführt, dass erfindungsgemäß zwei Schritte erforderlich seien, wobei der erste Schritt darin bestehe, das richtige Assay auszusuchen. Ob aber eine identische technische Anweisung von einer bestimmten Erkenntnis getragen ist oder nicht, begründe patentrechtlich keine andere Lehre, solange nicht die Erkenntnis in der technischen Anweisung zum Ausdruck komme, erklärte das Gericht. Daher sei für ein dem Patentschutz zugängliches Diagnostizierverfahren, das i. d. R. einen mehrstufigen Charakter aufweist, zumindest ein technischer Verfahrensschritt erforderlich. Dies sei aber nicht der Fall, da die technische Lehre des Patentanspruchs auch durch die Auswahl des Begriffs des Detektierens keine Aussage dazu treffe, welche Vorrichtung zur Durchführung bereit gestellt werden muss, insbesondere nicht, ob bzw. mit welcher Art von Auswahlverfahren zunächst technisch ungeeignete Messkits von denjenigen, welche zur Durchführung des Diagnostizierverfahrens geeignet sind, unterschieden werden. Ein bloßer qualitativer Nachweis reiche nicht aus, um einem Stoffwechselprodukt im Kontext eines medizinischen Diagnostizierverfahrens das Prädikat „Marker“ zu verleihen.
Nichtigkeitserklärung des Streitpatents
Das europäische Patent EP 2 028 493 wird daher für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt, soweit es über folgende Fassung hinausgeht:
„1. Verfahren zur Diagnose von Sepsis und sepsisähnlichen systemischen Infektionen, wobei Procalcitonin 3-116 in einer Probe aus dem Blut eines Patienten detektiert wird, und wobei als Kalibrator Procalcitonin 2-116 oder Procalcitonin 3-116 verwendet wird.
2. Verfahren nach Anspruch 1, wobei die Probe aus dem Blut eine Serumprobe ist.
3. Verfahren nach Anspruch 1, wobei die Probe aus dem Blut eine Plasmaprobe ist.“
Zusätzlich hatte sich die Klage auch auf unzulässige Änderung der Anmeldeunterlagen und auf fehlende Ausführbarkeit des Patents gerichtet. Diese Klagepunkte wurden jedoch vom BPatG als unbegründet abgewiesen.
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