Interessanterweise führten die letzten großen Verfahren zum Thema Äquivalenz zu sich widersprechenden nationalen Urteilen der Gerichte. Wird der Tatbestand der Patentverletzung durch äquivalente Mittel tendenziell gestärkt oder eingeschränkt?
Maßstäbe des BGH durch „Okklusionsvorrichtung“ und „Diglycidverbindung“
Viele Jahre lang legte die Deutsche Rechtsprechung sehr strenge Maßstäbe für die äquivalente Patentverletzung an.
Doch in den vergangenen 10 Jahren sind mehrere wichtige Fallentscheidungen des BGH zur äquivalenten Patentverletzung getroffen worden. In „Okklusionsvorrichtung“ (Mai 2011 – X ZR 16/09) hatte der Bundesgerichtshof zunächst entschieden, dass eine äquivalente Verletzung nicht in Betracht komme, wenn im Patent mehrere Ausführungsbeispiele erläutert werden, von denen aber nur eines beansprucht wird. Denn dies zeige, dass der Patentinhaber eine klare Auswahlentscheidung zwischen verschiedenen ihm bekannten Möglichkeiten, eine technische Wirkung zu erzielen, getroffen und damit darauf verzichtet habe, bestimmte Ausführungsformen zu beanspruchen.
Diese Sichtweise wurde in der wenig später ergangenen Entscheidung „Diglycidverbindung“(September 2011 – X ZR 69/10) bestätigt. Der BGH bejahte darin eine solche Auswahlentscheidung sogar für einen Fall, in dem zwar nicht die Beschreibung selbst, aber der im Patent zitierte Stand der Technik Ausführungsformen offenbart, die allerdings nicht in den Patentanspruch aufgenommen wurden. Übrigens gab es im Fall Diglycidverbindung in der Patentschrift kein Ausführungsbeispiel, das der angegriffenen Ausführungsform entsprach.
Der Begriff „äquivalente Mittel“ wurde bereits 1994 von der Beschwerdekammer des EPO in ihrer Entscheidung T 697/92 definiert. Danach sind zwei Mittel dann äquivalent, wenn sie trotz unterschiedlicher Ausführungsart dieselbe Funktion im Hinblick auf dasselbe Ergebnis erfüllen. Ein Mittel sei daher nicht äquivalent, wenn es aufgrund seiner anderen Ausführungsform zu einem Ergebnis führe, das zwar von gleicher Art ist, aber eine andere Qualität oder einen anderen Wirkungsgrad aufweise.
Quelle: EPO 9.9 Äquivalente
Vielfach beachtet: die BGH Entscheidung „Pemetrexed“
Das Oberlandesgericht Düsseldorf hatte in seiner Entscheidung von 2015 eine äquivalente Verletzung des auf Pemetrexeddinatrium gerichteten Anspruchs durch Pemetrexeddikalium abgelehnt. Der Patentinhaber habe den Anspruch auf ein in der Patentschrift genanntes Beispiel der Antifolate beschränkt und müsse sich nun daran festhalten lassen.
Dem widersprach der BGH in seinem Urteil zu diesem Fall (BGH, Urteil vom 14.06.2016, X ZR 29/15 – Pemetrexed ). Eine Patentverletzung mit äquivalenten Mitteln ist in der Regel zu verneinen, urteilte der BGH, wenn die Beschreibung mehrere Möglichkeiten offenbart, wie eine bestimmte technische Wirkung erzielt werden kann, jedoch nur eine dieser Möglichkeiten in den Patentanspruch aufgenommen worden ist.
Im Pemetrexed Fall, in dem in der Patentbeschreibung zwei mögliche Wege zur Herstellung einer mit Epoxidgruppen versehenen organischen Festphase aufgezeigt wurden, im Patentanspruch aber nur einer dieser Wege genannt war, sei der Schutz auf die im Anspruch genannten Variante beschränkt, erläuterte der BGH. Erforderlich wäre vielmehr, dass sich die abgewandelte Lösung in ihren spezifischen Wirkungen mit der unter Schutz gestellten Lösung deckt und sich in ähnlicher Weise wie diese Lösung von der nur in der Beschreibung, nicht aber im Patentanspruch aufgezeigten Lösungsvariante unterscheidet.
Auch im UK führte dieser Fall zu sich widersprechenden Urteilen in den nationalen Gerichten, bis der Oberste Gerichtshof in 2017 ein Doktrin für Äquivalente verankerte und damit ähnlich wie der BGH urteilte (Info Blog: Doktrin der Äquivalente im britischen Patentrecht festgelegt).
BGH Entscheidung „V-förmige Führungsanordnung“ setzte neue Tendenz
Ebenfalls 2016 klärte ein weiteres Urteil des BGH die Grenzen der Auswahlentscheidung bei Fällen von Patentverletzung durch Äquivalenz; man kann darin eine Tendenz zur einer Erweiterung des Äquivalenzbereichs erkennen. In V-förmige Führungsanordnung (BGH, Urteil v. 23.08.2016, Az.: X ZR 76/14) urteilte der BGH zu dem dritten Äquivalenzkriterium, der Gleichwertigkeit. Die Gleichwertigkeit sei nur dann zu bejahen, wenn die Überlegungen des Fachmanns, um zu der vom Wortsinn des Patentanspruchs abweichenden Austauschlösung zu gelangen, derart an dem Patentanspruch orientiert sind, dass der Fachmann die abweichende Ausführungsform mit ihren abgewandten Mitteln als dazu gleichwertige Lösung in Betracht zieht.
Der BGH konkretisierte damit die Grenzen der Rechtsprechung zur Auswahlentscheidung des Patentinhabers. Danach führe das Streichen eines Disclaimers, wonach auch andere Ausführungen als die beanspruchte bevorzugte Ausführungsform denkbar sind, nicht dazu, dass solche anderen Ausführungen als äquivalente Verletzungsformen ausscheiden. Die Konkretisierung im Hauptanspruch (erfolgt um die technische Ausführung gegenüber dem Stand der Technik abzugrenzen) determiniere weder positiv noch negativ die Frage, ob sich aus fachmännischer Sicht gleichwirkende Austauschmittel als gleichwertig bzw. äquivalent darstellen oder nicht. Durch dieses Urteil wurde der Tatbestand der Patentverletzung durch äquivalente Mittel tendenziell wieder gestärkt.
Schlussbetrachtung
Der BGH als auch der Oberste Gerichtshof des Vereinigten Königreichs anerkennen in ihrer Rechtssprechung eine gleichwertige Verletzung, auch wenn keine wörtliche Verletzung vorliegt. Dennoch zeigen die Urteile, dass es immer noch Spielraum in den Entscheidungen gibt. Daher sollten Patentschriften mit großer Sorgfalt angefertigt werden. Wenn Alternativen wichtig sind, sollten sie so detailliert beschrieben werden wie möglich. Möglicherweise sind auch alle Alternativen zum Gegenstand von Patentansprüchen machen – beispielsweise durch eine Teilung der Patentanmeldung. Unkonkrete Hinweise auf Alternativen sind nicht ratsam. Denn diese könnten wegen Unbeachtlichkeit aus der Patentschrift gestrichen werden – und würden dann in etwaigen Einspruchsverfahren vor dem Europäischen Patentamt nicht mehr berücksichtigt. Denn in der EU gilt die Direktive: Ausführungsformen, die aufgrund einer Anspruchseinschränkung nicht mehr in den Schutzbereich fallen, sind zu streichen.
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Quelle:
BGH Az.: X ZR 76/14 „V-förmige Führungsanordnung“
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