Im Rechtsstreit um zwei Grillschalen Designs vor dem EuG wurde das angefochtene GRILLSCHALE Gemeinschaftsgeschmacksmuster in seiner Eigenart angegriffen wegen eines älteren nationalen Grillschalen Designs – vorgelegt als Patentschrift. Durften im Vergleich des Gesamteindrucks die Patentansprüche herangezogen werden?
Vor dem Europäischen Gericht (EuG) wurde über den Rechtsstreit Grillschalen Designs entschieden, bei dem ein jüngeres Gemeinschaftsgeschmacksmuster angefochten wurde von dem Inhaber eines älteren nationales Geschmacksmusters auf Grillschalen, das Unternehmen Cuki Cofresco Srl (Italien).
Grillschale: Patentschrift gegen Design
Das Besondere an diesem Fall ist die Vorlage des Designs des älteren Grillschalen Designs, denn Cuki Cofresco legte lediglich eine Patentschrift vor (im August 1996 veröffentlichte Patentschrift DE 195 29 005 über „Grillschale und Verfahren zu deren Herstellung“). Wie in Patentschriften üblich, waren einige Zeichnungen enthalten, aber alle Details ergeben sich nur durch Lesen aus der Patentschrift, nicht aus den Zeichnungen.
So war es auch in diesem Fall der Grillschale. Die Nichtigkeitsabteilung des EUIPO hatte diese Gegenhaltung nicht akzeptiert und entschieden, das ältere Geschmacksmuster könne für die Prüfung der Eigenart des angegriffenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters nicht berücksichtigt werden, da die Abbildungen die Gesamtansicht der Erscheinungsform des Erzeugnisses nicht hinreichend wiedergäben. Doch die nachfolgend angerufene Beschwerdekammer des EUIPO hob diese Entscheidung auf und erkannte dem angegriffenen Gemeinschaftsgeschmacksmuster Grillschale die Eigenart ab, die Voraussetzung für Designschutz ist – und das, obwohl es sichtbare Unterschiede in der Form der beiden Grillschalen Designs gibt.
Sichtbare Unterschiede in der Form der Designs
Gegen diesen Beschluss wendete sich die Novelis Deutschland GmbH (Deutschland), die das angefochtene jüngere Gemeinschaftsgeschmacksmuster GRILLSCHALE eintragen lassen hatte. Die Klägerin argumentierte, die Beschwerdekammer habe die deutlichen Unterschiede zwischen den beiden Grillschalen Designs nicht richtig bewertet, denn es gebe Unterschiede in der Form (halbrund versus rechteckig) sowie in der Höhe der Rillen und Wülste. Zudem waren in den Zeichnungen des älteren nationalen Grillschalen Designs nicht alle Vergleichsdetails klar aus sich heraus zu erkennen. Die Beschwerdekammer habe sich bei der Beurteilung des Gesamteindrucks des älteren Musters nicht nur an der aus der Patentschrift entnommenen rechteckigen Form orientiert, sondern auch außerhalb des älteren Geschmacksmusters liegende Formen herangezogen, kritisierte Klägerin Novelis.
Novelis machte daher einen Verstoß gegen Art. 25 Abs. 1 Buchst. b in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 6/2002 geltend. Die Beschwerdekammer habe gegen den Grundsatz verstoßen, nach dem die Eigenart durch Einzelvergleiche zu prüfen sei. Novelis folgerte daraus, dass die Beschwerdekammer offensichtlich nicht auf einen „informierten“ Benutzer abgestellt habe, sondern auf einen Design- oder Patentexperten, der die Patentschrift studiert habe, und argumentierte, die Beschwerdekammer habe einen fehlerhaften und vor allem willkürlichen Vergleich vorgenommen.
Grillschale Disput: Klarheit des älteren Designs?
Der EuG wies dies zurück. Die Beschwerdekammer habe zu Recht auf die beiden Geschmacksmustern gemeinsamen markanten Merkmale abgestellt und ebenso auch auf die weniger markanten Unterschiede, erläuterte das Gericht.
Zwar sei laut Rechtsprechung für die Prüfung, ob dem angegriffenen Geschmacksmuster die Neuheit oder Eigenart fehlt, ein genaues und bestimmtes älteres Geschmacksmuster erforderlich. Jedoch habe die Klägerin gar nicht in Frage gestellt, dass die Darstellung des älteren Geschmacksmusters (durch die Zeichnungen der Patentschrift) hinreichend genau und bestimmt war für eine Beurteilung der Eigenart des angegriffenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters, erklärte das EuG. Stattdessen hatte die Klägerin geltend gemacht, es seien wichtige Unterschiede nicht berücksichtigt worden.
Eigenart – mit Blick auf den „informierten Benutzer“
Diesen Vorwurf wiederum prüfte das EuG, und zwar in Hinblick auf einen „informierten Benutzer“. Denn ob ein Geschmacksmuster Eigenart hat, muss gemäß Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 6/2002 nach dem Gesamteindruck zu entschieden werden, den es beim informierten Benutzer hervorruft. Wer also ist dieser informierte Benutzer?
Nach ständiger Rechtsprechung ist dem informierten Benutzer „eine besondere Wachsamkeit eigen“, sei es wegen seiner persönlichen Erfahrung oder seiner umfangreichen Kenntnisse in dem betreffenden Bereich, erläuterte das EuG. In der Auslegung bedeutet das, der maßgebliche informierte Benutzer (analog dem maßgeblichen Verbraucher in Markenrechtsverfahren) ist zwar nicht als Sachkundiger oder Fachmann anzusehen, der selbst minimale Unterschiede im Detail feststellen könnte. Er wird jedoch in der Regel nicht nur einen Gesamteindruck wahrnehmen, sondern einen direkten Vergleich von den Streitdesigns vornehmen, und zwar mit vergleichsweise großer Aufmerksamkeit.
Dies alles berücksichtigend, stellte das EuG zusammenfassend fest, in Anbetracht der zahlreichen gemeinsamen Merkmale der einander gegenüberstehenden Geschmacksmuster habe die Beschwerdekammer zu Recht festgestellt, dass der informierte Benutzer dem angegriffenen Geschmacksmuster keine Eigenart zuerkennt.
Dies werde nicht durch den Umstand in Frage gestellt, dass die vorgelegte Darstellung des älteren Geschmacksmusters nicht die Gesamtansicht der Erscheinungsform des Erzeugnisses zeigt, machte der EuG deutlich. Die Beschwerdekammer war dazu angehalten, erläuterte das Gericht, die vorgelegten Beweise in ihrer Gesamtheit zu beurteilen. Daher habe sie alle erläuternden Abbildungen und die Ansprüche aus der Patentschrift berücksichtigen dürfen.
Die Klage von Novelis wurde vom EuG vollständig zurückgewiesen.
Fazit
Wenn eine Patentschrift und mit Zeichnungen als Stütze für einen Nichtigkeitsantrag gegen ein jüngeres Design eingesetzt werden, sollten die Design Inhaber*innen stets erwägen, die nötige Klarheit des älteren Designs ganz grundsätzlich in Frage zu stellen. Denn wie das jetzige Urteil des EuG impliziert, dürfen für die Prüfung des Gesamteindrucks auch die textlichen Ansprüche aus einer Patentschrift im Vergleich berücksichtigt werden.
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Quellen:
EuG ‚Grillschale“ Designs, 2. Februar 2022, T‑173/21
Bild:
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