Für eine Diensterfindung gilt das Recht aus einem europäischen Patent gemäß § 60 EPÜ. Zugleich gilt dies auch als Norm für die Vindikation eines europäischen Bündelpatents, urteilte das OLG Frankfurt, also für die Übertragung europäischer Patentrechte. Und: eine Oberschrift statt Unterschrift genügt nicht zur Inanspruchnahme!
Rechtliche Norm für Diensterfindungen
In Deutschland ist das Arbeitnehmererfindergesetz die rechtliche Norm für Diensterfindungen. Aber natürlich werden Erfindungen nicht nur als deutsche Patente oder Gebrauchsmuster zum Schutz angemeldet, sondern ebenso als Europäische oder internationale Patente. Entsprechend berücksichtigt auch das europäische Patentrecht den Sachverhalt einer Diensterfindung, der relevante Gesetzestext findet sich in § 60 Abs. 1 EPÜ, in der das Recht auf das europäische Patent in Bezug auf einen Erfinder geregelt wird (kurz gesagt: es richtet sich nach dem Recht des Staats, in dem der Arbeitnehmer überwiegend beschäftigt ist).
Die Norm für das Recht auf eine Diensterfindung aus einem europäischen Patent ist dadurch festgelegt – aber gilt dies auch als Norm für eine Vindikation? Mit dieser Fallkonstellation war das Oberlandesgericht Frankfurt konfrontiert in einem Prozess um Folien und Vliesstoffe für die Bauindustrie.
Vindikation
Vindikation ist ein allgemeiner Rechtsbegriff und bezeichnet im Patentrecht den Fall, dass eine Erfindung von einem Nichtberechtigten widerrechtlich anmeldet worden ist. Gemäß §8 PatG kann ein Erfinder von dem Nichtberechtigtem verlangen, dass ihm der Anspruch auf Erteilung des Patents abgetreten wird bzw. die Übertragung des Patents fordern.
Einem Vindikationsanspruch ist im Übrigen auch ausgesetzt, wer zwar keine vollständige oder für sich schutzfähige Erfindung entnommen hat, aber einen wesentlichen Beitrag des geschützten Gegenstands. Deshalb bedarf es laut BGH Entscheidung KfzStahlbauteil vorab der Bestimmung des Gegenstands der streitigen Anmeldung oder des streitigen Patents (BGH, 2015 – X ZR 149/12).
Zu beachten ist, der Anspruch über Übertragung des Schutzrechts aus einer Vindikation muss innerhalb einer Frist von zwei Jahren nach der Veröffentlichung der Erteilung des Patents durch Klage geltend gemacht werden. Ist zudem ein Einspruch wegen widerrechtlicher Entnahme erhoben, kann die Vindikationsklage noch innerhalb eines Jahres nach rechtskräftigem Abschluss des Einspruchsverfahrens erhoben werden.
Streitpunkt: wirksame Inanspruchnahme der Diensterfindung
In dem Fall vor dem OLG Frankfurt ging es um das europäische Patent mit der Bezeichnung „Kunststoffsack mit Überdruckentlüftung“, für das auch eine internationale PCT-Anmeldung lief, für die aus dem europäischen Patent Priorität beansprucht wurde. Streitpunkt zwischen den Parteien war, ob die beklagte Arbeitgeberin die Diensterfindung rechtswirksam unbeschränkt in Anspruch genommen hat. Der Erfinder und Kläger stellte einen Vindikationsanspruch und forderte die Übertragung der Patentrechte.
Revisionsurteil des BGH: Erfinderschaft des Klägers
Der Fall wird seit Jahren durch mehrere Instanzen geführt, in deren Verlauf auch die Erfinderschaft des Klägers in Frage gestellt wurde. Der BGH allerdings hat die Frage der Erfinderschaft im Revisionsurteil geklärt: der Kläger ist Miterfinder der Erfindung (BGH 2013, X ZR 103/11). Der BGH hatte erläutert, die Anerkennung als Miterfinder könne nicht mit der Begründung versagt werden, der geleistete Beitrag betreffe „nicht den springenden Punkt“ der Erfindung. Vielmehr genügten nur solche Beiträge nicht, die den Gesamterfolg (gar) nicht beeinflusst haben und deshalb für die Lösung unwesentlich sind oder die nach den Weisungen eines Erfinders oder eines Dritten geschaffen wurden. Das aber sei vorliegend nicht der Fall.
Übertragung europäischer Arbeitnehmererfindungs- und Patentrechte
Doch zurück zum Europäischen Patent und der Vindikation. Über das Europäische Patentübereinkommen (EPÜ) werden Europäische (EPA) Patente im europäischen Raum registriert und geregelt. Anders als der Name suggeriert hat das EPÜ neben den EU Mitgliedstaaten noch weitere Mitglieder, insgesamt 38 Vertragsstaaten. Diese Vertragsstaaten bilden einen Sonderverband gemäß der Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums (PVÜ). Das Europäische Patent funktioniert wie ein Bündel nationaler Patente der vom Anmelder gewünschten Vertragsstaaten, daher wird es auch Bündelpatent genannt.
In Bezug auf die Diensterfindung des vorliegenden Falls hatte der Erfinder und Kläger sich selbst als rechtmäßigen Inhaber der Patentrechte gesehen. Letztlich ging es dabei um fehlende Unterschriften, und zwar beider Parteien. Das OLG entschied diesbezüglich, dass eine Erfindungsmeldung auch trotz fehlender Unterschrift eines Miterfinders nach § 5 Abs. 1 ArbnErfG a.F. (Meldung der Diensterfindung in gesonderter schriftlicher Form) wirksam sein kann – wenn die Meldung auch im Namen der Miterfinder abgegeben wird.
Dagegen genügt es nicht den Anforderungen des § 6 Abs. 2 ArbnErfG zur Inanspruchnahme einer Arbeitnehmererfindung, entschied das OLG, wenn keine Unterschrift, sondern eine „Oberschrift“ vorliegt und daher die darunter angeordnete Inanspruchnahme nicht hinreichend sicher zuzuordnen ist.
Vindikation nationaler Teile eines Bündelpatents
Zurecht habe der Kläger den Vindikationsanspruch geltend gemacht, urteilte das OLG Frankfurt, der Vindikationsanspruch sei begründet gem. Art. 60 Abs. 1 Satz 2 EPÜ i.V.m. Art. 2 § 5 Abs. 1 Satz 2 IntPatÜG, und zwar hinsichtlich der Vindikation aller nationaler Teile des Bündelpatents, die noch streitgegenständlich sind.
Denn da sich nach § 60 Abs. 1 Satz 2 EPÜ das Recht auf das europäische Patent in Bezug auf eine Diensterfindung nach dem Recht des Staats richtet, in dem der Arbeitnehmererfinder überwiegend beschäftigt ist, liege es nahe, in diesem Fall auch den Anspruch auf Vindikation des Bündelpatents hinsichtlich aller seiner nationalen Teile einheitlich nach dem Recht des Beschäftigungsstaats zu beurteilen, urteilte das OLG. Dies entspreche auch der Regelung, den Arbeitsnehmer zu schützen und ihm eine Vindikation nach einer unter Umständen Vielzahl von Rechtsordnungen zu ersparen, erläuterte das Gericht.
Ganz ähnlich hat schon bereits das OLG Karlsruhe 2018 geurteilt, darauf bezieht sich das Frankfurt OLG auch ausdrücklich. Zumindest für den Bereich der Diensterfindung sei geboten, unter Verweis auf Art. 60 (1) 2 EPÜ zu vertreten, dass sich der Anspruch auf Vindikation des europäischen Bündelpatents einheitlich aus Gründen der Praktikabilität nach dem Recht des Beschäftigungsstaates richtet, hatte das OLG Karlsruhe geurteilt (OLG Karlsruhe, 6 U 161/16 – Rohrleitungsprüfung, GRUR 2018, 1030).
Ersatzanspruch für Aufrechterhaltung des Schutzrechts
Allerdings stand im vorliegenden Fall des OLG Frankfurt der Arbeitgeberin ein Ersatzanspruch für die Aufrechterhaltung des Schutzrechts zu. Der Vindikation der nationalen Teile eines Bündelpatents könne der Beklagte die Einrede des Zurückhaltungsrechts nach § 1000 BGB entgegenhalten, entschied das OLG Frankfurt, da ihm ein Ersatzanspruch hinsichtlich der für die Aufrechterhaltung der Schutzrechte entstandenen Kosten zustehe.
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Quellen:
OLG Frankfurt Vindikation aus Europäischem Patent, 6 U 108/10
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