Brexit hat keine Auswirkung auf Mitgliedschaft des UK bei der europäischen Patentorganisation, verkündete das Europäische Patentamt letzte Woche. Aus diesem Anlass beleuchten wir das Europäische Patent im Vergleich zum Europäischen Einheitspatent – auch für die Situation nach dem Brexit.
Frohe Botschaft zum Brexit
Der Brexit habe keinerlei Auswirkungen auf die Mitgliedschaft des Vereinigten Königreichs (UK) in der Europäischen Patentorganisation (EPO), und auch nicht für europäische Patente, die im UK validiert sind, nach dem Brexit, heißt es in der Pressemitteilung des Europäischen Patentamts (EPA). Hintergrund für diese Aussage ist ein Treffen zwischen wichtigen Vertretern des EPA und des britischen Patentanwaltvereins Chartered Institute of Patent Attorneys (CIPA), das ebenfalls letzte Woche stattfand.
Die Aussage des EPA ist richtig und in einer Linie mit anderen britischen Aussagen. Bereits seit August 2016 publizierte das Intellectual Property Office, das britische Patent- und Markenamt, die gleiche Botschaft. Das europäische Patent und die Erteilung durch das Europäische Patentamt sind durch den Brexit nicht betroffen. Das hat zwei Gründe: zum einen ist die Europäische Patenorganisation eine unabhängige internationale Organisation, aber keine EU-Institution. Und der zweite Grund ist die Konstruktion des europäischen Patents selbst, denn letztlich ist dies ein Bündel von nationalen Patenten.
Europäisches Patent
Das europäische Patent wird vom EPA erteilt. Anders als sein Name suggeriert, ist es aber weder ein länderübergreifendes Patent noch gilt es begrenzt für die EU-Mitgliedstaaten. Das Europäische Patentübereinkommen (EPÜ) hat insgesamt 38 Vertragsstaaten. Darunter befinden sich alle 28 Mitgliedstaaten der EU sowie 10 weitere Staaten. Das sind EU-nahe Länder wie Norwegen und die Schweiz, aber auch die Länder Island, Mazedonien und die Türkei gehören dazu. Außerdem hat die Europäische Patentorganisation mit einigen Staaten, die nicht dem EPÜ angehören, Abkommen über die Erstreckung des Schutzes europäischer Patente geschlossen. Derzeit sind dies Bosnien und Herzegowina sowie Montenegro.
Meldet man nun beim EPA ein europäisches Patent an, sind dort die Länder aus den 38 Vertragsstaaten und den angeschlossen Staaten zu nennen, in denen das europäische Patent national validiert werden soll. Das EPA leistet außer dem eigentlichen Erteilungsverfahren auch die Bearbeitung etwaiger Einspruchsverfahren. Im übrigen funktioniert das Europäische Patent wie ein Bündel nationaler Patente der gewünschten Vertragsstaaten. Der Patentanmelder muss in den jeweiligen nationalen Patentämtern die Validierung seines europäischen Patents anfordern. Praktisch geschieht dies oft durch Zahlung der entsprechenden Gebühren, aber beispielsweise in Deutschland wird das europäische Patent vor der Validierung nochmals geprüft – und manchmal national auch nicht akzeptiert.
Gerichtsbarkeit von europäischen Patenten
Kommt es in den Monaten nach dem Erteilungsverfahren des Europäischen Patents zu einem Einspruchsverfahren, wird dieses zunächst vor dem EPA verhandelt. In vielen Ländern – so auch in Deutschland und im UK – sind EPA-zertifizierte Patentanwälte und Rechtsanwälte berechtigt, ihre Mandanten dort zu vertreten. Dies gilt auch für Europäische Patentanwälte mit Sitz im UK nach dem Brexit.
Betrachtet man die Gerichtsbarkeit von Patentverfahren, wird die Sachlage etwas unübersichtlicher. Die Situation mit dem derzeitigen Europäischen Patent sieht folgendermaßen aus: wenn ein Patent in einem anderen EU-Land verletzt wird, ein britisches Patent zum Beispiel in Polen, muss der britische Patentinhaber auch dort dagegen vorgehen – nach polnischem Recht und vor polnischen Gerichten. Das ist nicht nur aufgrund der nationalen Unterschiede im Recht kompliziert, sondern auch durch die verschiedenen nationalen Berufsstände und –regeln für Patentanwälte. Beispielsweise hat ein deutscher Patentanwalt zwar ein Beratungsrecht und auch ein Rederecht vor Gericht, ist aber nicht antragsberechtigt wie ein deutscher Rechtsanwalt. In UK wiederum ist ein Patentanwalt für die Patentanmeldung und etwaige Beschwerdeverfahren zuständig, Antragstellung und das Rederecht vor Gericht hat dort jedoch der Barrister, und die Vorbereitung und Beratung wird wiederum von Solicitors geleistet.
Dies ist die Situation zu Europäischen Patenten für deutsche Patentanwälte, für UK-Patentanwälte – ebenso wie beispielsweise auch für türkische Patentanwälte – und wird es auch nach dem Brexit sein.
Das europäische Einheitspatent
Um diese Dinge zu vereinfachen und zu vereinheitlichen ist seit einigen Jahren das Bemühen da, innerhalb der EU-Mitgliedstaaten ein gemeinsames europäisches Einheitspatent zu schaffen. Damit würde die einzelne Validierung bei den nationalen Patentämtern entfallen und es wäre tatsächlich ein EU-weit übergreifendes Patent. Derzeit gibt es ein solches noch nicht, und ob es noch vor dem Brexit eingeführt sein wird, ist nach wie vor ungewiss. Es gibt lediglich Hoffnung – wir berichteten.
Gerichtsbarkeit vom Europäischen Einheitspatent
An der deutlich vereinfachten, einheitlichen und EU-übergreifenden Gerichtsbarkeit, die mit dem europäischen Einheitspatent entstehen wird, kann das UK aber nur teilnehmen, wenn noch vor dem tatsächlichen Brexit die Ratifizierung und das Inkrafttreten des Europäischen Einheitspatents- und –gerichts geschieht. Denn die territoriale Geltung des europäischen Einheitspatents wird nur für diejenigen Länder gelten, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Europäischen Einheitspatents dem UPC beigetreten sind. Realistisch ist dieser Zeitplan kaum zu schaffen – es sei denn, in den Verhandlungen zwischen britischer Regierung und EU-Kommission kommt es zu einer Verlängerung der Ausstiegsphase aus dem Brexit. Und es gibt konkrete Neuigkeiten: Gestern haben die Minister der EU ihre Leitsätze für eine Verlängerung des EU-Ausstiegs des UK beschlossen. Wenn Großbritannien zustimmen würde, könnte die Ausstiegsphase bis zum 31. Dezember 2020 dauern.
Umwandlung europäischer Patente in ein Europäisches Einheitspatent
Das gegenwärtige europäische Patent wird gültig sein und mit langen Übergangsfristen umgewandelt werden, selbst wenn der Europäische Einheitsgerichtshof Wirklichkeit werden sollte. Ein Europäisches Einheitspatent kann für jedes europäische Patent angemeldet werden, das am oder nach dem 17. Dezember 2012 erteilt wurde oder wird (Verordnung (EG) Nr. 1257/2012 und (EU) Nr. 1260/2012). Und, natürlich, nachdem das Unified Patent Court (UPC) tatsächlich begonnen hat. Patentinhaber, die ihre europäischen Patente behalten möchten, können nach der Planung des Vorbereitungsausschusses für das Einheitliche Patent sogenannte Opt-out-Anmeldungen einreichen. Damit würde die Gültigkeit der europäischen Patente um bis zu 14 Jahre verlängert.
Das Europäische Einheitsgericht bleibt politische Verhandlung
Die Premierministerin Theras May bemerkte schon mehrfach, dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) werde man sich nach dem Brexit in externer Rechtsprechung nicht unterwerfen. Der EuGH wäre allerdings kein Instanzgericht für das zukünftige Europäische Einheitsgericht, sondern für die Auslegung entsprechender EU-rechtlicher Fragen zuständig.
Selbst wenn also die britische Ratifizierung des Europäischen Einheitsgerichts rechtzeitig geschieht: die Zukunft des UK im Europäischen Einheitspatent und –gericht nach dem Brexit bedarf noch weiterer Verhandlungsergebnisse.
Das fängt schon innenpolitisch im UK an: schon vor Monaten sagte Jo Johnson, der britische Staatssekretär für IP, das Europäische Einheitsgericht sei keine EU-Institution. Das ist richtig, aber nicht vollständig: denn nach Planung soll das Europäische Einheitsgericht natürlich Streitigkeiten zum Europäischen Einheitspatent klären, darüber hinaus aber auch die Rechtsprechung für die bisher geltenden und auch weiterhin geltenden Europäischen Patente leisten. Es bleibt also brisant : denn wer das Europäische Einheitsgericht ratifiziert, gibt die nationale Deutungshoheit an die EU ab.
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