Ein Geheimnisverrat gemäß § 17 UWG liegt auch dann vor, wenn ein ehemaliger Mitarbeiter lediglich private Aufzeichnungen seiner früheren Tätigkeit besitzt. Dieses Leitsatzurteil zu dem Verrat von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen traf der BGH im Fall Hohlfasermembranspinnanlage II.
Während einer Tätigkeit gemachte Erkenntnisse über die Entwicklung von Technologien darf ein Mitarbeiter in keiner Weise schriftlich mitnehmen zu einem neuen Arbeitsplatz, betonte der Bundesgerichtshof (BGH) in seiner kürzlich veröffentlichten Urteilsbegründung zu dem im März 2018 getroffen Urteil (I ZR 118 / 16). Das erworbene Know-How darf nur als Erinnerung im Kopf abgerufen werden. Sobald einem Mitarbeiter angefertigte schriftliche Unterlagen vorliegen mit Informationen zu dem Betriebsgeheimnis des früheren Arbeitgebers, verschafft er sich auch dann unbefugt das Betriebsgeheimnis, wenn er aufgrund seiner Erfahrung in der Lage ist, eine als Betriebsgeheimnis geschützte Technologie ohne Nutzung von Unterlagen aufzubauen oder einzusetzen. Denn dies ist ein Verstoß im Sinne von § 17 UWG (Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb) und gilt auch dann, wenn es sich um private Aufzeichnungen oder eine auf dem privaten Computer abgespeicherte Datei handelt, urteilte der BGH.
Der Sachverhalt
Klägerin ist Teil des F. -Medical-Care-Konzerns, der ehemalige Mitarbeiter ist Chemiker und war von November 1990 bis Juni 1993 bei der Rechtsvorgängerin der Klägerin als Produktionsleiter für den Bereich „Membranherstellung“ beschäftigt. In diesem Zusammenhang hatte er Zugang zu technischen Zeichnungen und Datensätzen für die Herstellung von Düsen und einer Spinnanlage mit Düsenköpfen. In seinem Arbeitsvertrag war er zur Geheimhaltung verpflichtet, und auch der Auflösungsvertrag von 1993, der die Anstellung beendete, enthielt eine Stillschweigensverpflichtung über alle Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse. Seit Juli 1993 ist der Beklagte für eine ebenfalls mitangeklagte Firma tätig, mittlerweile als deren Geschäftsführer.
Die Klägerin machte geltend, die Beklagten hätten Hohlfaserspinnanlagen zur Produktion synthetischer Hohlfasern für Dialysefilter mit 1024 und 1536 Fäden unter Verwendung von Konstruktionszeichnungen, Plänen und anderen Informationen der Klägerin unzulässig nachgebaut. Tatsächlich hatte der Beklagte mit seiner neuen Firma im September 2004 erstmals eine Hohlfasermembranspinnanlage mit 1536 Fäden auf dem Markt angeboten. Der BGH gab der Klägerin Recht. Ein Geheimnisverrat nach § 17 Abs. 2 Nr. 2 UWG liege vor. Es bestehe keine realistische Möglichkeit, dass der Beklagte nach dem Ausscheiden aus dem Unternehmen der Klägerin in der Lage gewesen sei, die Detailmaße und Anordnungen der Spinnanlage aus dem Kopf nachzuarbeiten, befand das Gericht. Die Anordnung und Gestaltung der Spinndüsen auf den einzelnen Düsenblöcken stellten die Kerntechnologie der gesamten Anlage dar. Auch der Düsenblock an sich gehöre zum „Key-Equipment“.
Offenkundigkeit oder Geheimnisverrat?
Die Beklagten seien nicht in der Lage, ihre Behauptung zu belegen, dass ihre Spinnanlagen auf eigenem Erfahrungswissen beruhten, dem Stand der Technik entsprächen oder aber offenkundig seien, erklärte das Gericht. Der BGH betonte im Leitsatz des Urteils zum Geheimnisverrat, dass es für den Schutz als Betriebsgeheimnis darauf ankomme, ob die maßgebliche Tatsache nur mit einem großen Zeit- oder Kostenaufwand ausfindig, zugänglich und dem Unternehmer damit nutzbar gemacht werden kann – auch wenn sie zum Stand der Technik gehört. Auch wenn der allgemeine Stand der Technik regelmäßig durch Veröffentlichung bekannt ist, könne eine Offenkundigkeit von den zugrunde liegenden Fertigungsmethoden nicht ohne weiteres angenommen werden. Eine Offenkundigkeit – die Geheimnischarakter einer Tatsache ausschließen würde – liege nur dann vor, wenn die Tatsache allgemein und auch außerhalb des Produktionsbetriebs, in dem das Betriebsgeheimnis vorliegt, bekannt ist.
BGH widerspricht dem Berufungsgericht
Der Fall Hohlfasermembranspinnanlage II wurde daher vom BGH zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Denn das Berufungsgericht hatte die Klageanträge als unbegründet angesehen und dies im Wesentlichen damit begründet, dass der Unterlassungshauptantrag nicht hinreichend konkret und bestimmt gewesen sei. Der BGH widersprach dieser Entscheidung. Eine verbale Beschreibung der Umstände, aus denen der Kläger eine Rechtsverletzung herleitet, sei im vorliegenden Fall nicht erforderlich, da sich das vom Kläger begehrte Verbot gegen eine konkrete Verletzungsform richtet. Auch dürfe der Bestimmtheitsgrundsatz nicht dazu führen, dass der Kläger unter Hintanstellung seiner berechtigten Geheimhaltungsinteressen gezwungen ist, im Klageantrag Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse zu offenbaren.
Der BGH ist an einer eigenen Sachentscheidung in diesem Fall gehindert, weil das Berufungsgericht wesentliche zur Beurteilung des Klagebegehrens erforderliche tatrichterliche Feststellungen noch nicht getroffen hat.
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Quelle:
BGH I ZR 118/16: Hohlfasermembranspinnanlage II
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