Die Nutzung eines Audiofragments aus einem Musikstück im Sampling von Musik ist auch ohne Zustimmung des Tonträgers erlaubt, wenn das Musikfragment in geänderter und beim Hören nicht wiedererkennbarer Form eingefügt wird, urteilte heute der EuGH im langjährigen Verfahren um das kurze Musikfragment „Metall auf Metall“ und um die Urheberrechte von Tonträgern.
2 Sekunden Musikfragment im Mittelpunkt
Hintergrund des Falls ist die kurze Rhythmussequenz im Song „Metall auf Metall“ der Band Kraftwerk aus dem Jahr 1977. Der Musikproduzent Moses Pelham unterlegte den Titel „Nur mir“ 1997 mit einem Loop aus wenigen Sekunden mit dem umstrittenen Musikfragment, die dazu in einer etwas verlangsamten Geschwindigkeit eingefügt wurde. Der Loop griff die kurze ursprüngliche metallische Rhythmussequenz also auf und veränderte sie.
Seitdem streiten die Band Kraftwerk und die Pelham GmbH um das Sampling des Musikfragments. Die Kläger der Band Kraftwerk klagten auf Verletzung des Leistungsschutzrechts als Tonträgerhersteller. Das LG Hamburg und auch das OLG Hamburg gaben der Klage statt. Die Revision der Pelham GmbH wies der Senat 2012 zurück. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Entscheidung wiederum aufgehoben und die Sache an den BGH zurück verwiesen. Der BGH legte daraufhin dem EuGH Vorlagefragen zum Thema Sampling von Musik vor, die das höchste Europäische Gericht mit dem heutigen Urteil beantwortet.
Auch sekundenlanges Musikfragment ist Teilkopie eines Tonträgers
Unter anderem stellte der BGH dem EuGH die Frage, ob es sich bei einem Tonträger wie dem sekundenlangem Musikfragment des vorliegenden Falls um eine Kopie eines anderen Tonträgers im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/115 handelt.
Das Europäische Gericht stellte klar, dass die Vervielfältigung eines Audiofragments eines Tonträgers durch einen Nutzer grundsätzlich als eine teilweise Vervielfältigung dieses Tonträgers im Sinne von Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2001/29 sei. Eine solche Vervielfältigung falle somit unter das ausschließliche Recht des Tonträgerherstellers, eine solche Verfielfältigung ganz oder teilweise zu erlauben oder zu verbieten gemäß dieser Bestimmung. Das gilt auch für eine sehr kurze, nur Sekunden andauernde Frequenz.
Geändertes Audiofragment in Sampling ist neues Werk
Entnimmt jedoch ein Nutzer in Ausübung der Kunstfreiheit einem Tonträger ein Audiofragment oder ein Musikfragment, um es in geänderter und beim Hören nicht wiedererkennbarer Form in einem neuen Werk zu nutzen, stelle eine solche Nutzung keine „Vervielfältigung“ im Sinne von Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2001/29 dar, urteilte der EuGH.
Zudem sei festzustellen, dass die Technik des „Elektronischen Kopierens von Audiofragmenten“ (Sampling), bei der ein Nutzer einem Tonträger ein Audiofragment entnimmt und dieses zur Schaffung eines neuen Werks nutzt, eine künstlerische Ausdrucksform ist, die unter die durch Art. 13 der Charta geschützte Freiheit der Kunst fällt. Auch nach Art. 1 Buchst. c des Genfer Übereinkommens sei ein sogenanntes „Vervielfältigungsstück“ ein Gegenstand, der einem Tonträger unmittelbar oder mittelbar entnommene Töne enthält und der alle oder einen wesentlichen Teil der in dem Tonträger festgelegten Töne verkörpert.
Wenn also ein Fragment wie das vorliegende Musikfragment in den anderen Tonträger in geänderter und beim Hören nicht wiedererkennbarer Form eingefügt wird, könne sich der Tonträgerhersteller des ursprünglichen Fragments nicht auf seine Rechte der Vervielfältigung berufen, urteilte der EuGH. Um eine „Kopie“ dieses anderen Tonträgers im Sinne Richtlinie 2001/29 handele es sich nicht, wenn er nicht den gesamten Tonträger oder einen wesentlichen Teil davon übernimmt. Allerdings könne die Nutzung dieses Audiofragments je nach den Umständen des Einzelfalls ebenfalls ein „Zitat“ im Sinne von Art. 5 Abs. 3 Buchst. d der Richtlinie 2001/29 unter Berücksichtigung von Art. 13 der Charta darstellen, dieses wäre beim Hören des neuen Werks dann in jedem Fall wiedererkennbar. Damit bestätigt der EuGH auch die Argumentation des Generalanwalts – wir berichteten.
Dies ist ein wichtiges und wegweisendes Urteil im EU-Urheberrecht – zumal Videos und Sounds auch als EU-Marken geschützt werden können, seit die neuen EU-Markenvorschriften in Kraft sind.
Rechte der Tonträgerhersteller in den EU Staaten
In einem weiteren Teil der Vorlagefragen befasste sich der EuGH auch mit möglichen Ausnahmen und Sonderregelungen in den EU Mitgliedstaaten. Die Mitgliedstaaten haben nach Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2001/29 für die Tonträgerhersteller in Bezug auf ihre Tonträger das ausschließliche Recht vorgesehen, die „unmittelbare oder mittelbare, vorübergehende oder dauerhafte Vervielfältigung auf jede Art und Weise und in jeder Form ganz oder teilweise zu erlauben oder zu verbieten“.
Damit sei das ausschließliche Vervielfältigungsrecht der Hersteller von Tonträgern in der Union eindeutig festgelegt. Ein Mitgliedstaat darf in seinem nationalen Recht keine Ausnahme oder Beschränkung in Bezug auf das Recht des Tonträgerherstellers aus Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2001/29 vorsehen, die nicht in Art. 5 dieser Richtlinie vorgesehen ist, urteilte der EuGH.
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Quellen:
Urteil des EuGH „Sampling“ EU:C:2019:624
Bild:
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