Der Wechsel von einem Vorrichtungsanspruch zu einem Verwendungsanspruch ist dann unzulässig, wenn hiermit zugleich der Wechsel des Erfindungsgegenstands verbunden ist, urteilte das BPatG in einer Leitsatzentscheidung. Im Mittelpunkt stand ein Nichtigkeitsverfahren zu dem Patent „Dentalimplantat“ mit einer erfindungsgemäßen Oberflächenstruktur.
Im vorliegenden Fall „Dentalimplantat“ wurde die erfindungsgemäße Oberflächenstruktur mit dem Begriff Verarmungszone bezeichnet. Eine nanoskopische räumlichkörperliche Struktur der Oberfläche mit reduziertem Yttrium- bzw. Aluminiumoxidanteil wird im Begriff Verarmungszone zusammengefasst. Diese Oberflächenstruktur stand im Mittelpunkt eines Nichtigkeitsverfahrens um das europäische Patent 2 046 235 für ein Dentalimplantat. Das angefochtene Patent wurde vom Bundespatentgericht (BPatG) mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland wegen fehlender Patentfähigkeit (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG) für nichtig erklärt (Urteil BPatG vom 18.07.2019, 4 Ni 49/17 (EP)).
Leitsatzentscheidung des BPatG
- Weist eine Vorrichtung anspruchsgemäß eine Ausgestaltung auf, die nur in der Beschreibung und nicht im Patentanspruch funktionell durch eine bestimmte Bearbeitung umschrieben wird, so kann zwar das Verfahren zur Auslegung des im Patentanspruch verwendeten Begriffs oder der beschriebenen Struktur herangezogen werden (gemäß den Grundsätzen der Bedeutung von product-by-process Merkmalen), nicht aber derart, dass das Patent sein eigenes Lexikon für ein derart einschränkendes Verständnis des Anspruchsmerkmals bildet und die damit verbundene Struktur ausschließlich durch das bevorzugte Verfahren bearbeitet werden sein muss.
- Es ist zwar nicht ausgeschlossen, dass eine solche anspruchsgemäße und durch „Verarmungszonen“ gekennzeichnete Oberfläche auch durch andere Ätzverfahren entstehen kann, dies entbindet den Nichtigkeitskläger aber nicht, derartige weitere Verfahren unter Angabe konkreter Verfahrensparameter und Ergebnisse zu benennen.
- Der Kategoriewechsel von einem Vorrichtungsanspruch zu einem Verwendungsanspruch ist dann unzulässig, wenn hiermit zugleich der Wechsel des Erfindungsgegenstands verbunden ist.
Streitpatent durch Verarmungszone gekennzeichnet
Das Streitpatent beschreibt ein Dentalimplantat, wörtlich laut Patentanspruch 1 „dadurch gekennzeichnet, dass die Oberfläche des Keramikkörpers zumindest in einem Teilbereich mit einer nanoskopische Poren aufweisenden oder anderweitig nanoskopisch ausgeführten Struktur versehen ist, und die eine Verarmungszone auf Basis von Yttrium- und/oder Aluminiumoxid stabilisiertem Zirkonoxid mit im Vergleich zum Innenvolumen reduziertem Yttrium- bzw. Aluminiumoxid-Anteil aufweist.“
Die Klägerinnen vertraten die Auffassung, sofern die Behauptung des Patentinhabers zuträfe, wonach im gesamten bevorzugten Wertebereich immer eine erfindungsgemäße Verarmungszone entstünde, müsse die angegriffene Lehre des Streitpatents im Stand der Technik als offenbart angesehen werden.
Erfindungsgemäße Oberflächenstruktur ist nicht erfinderisch
Im Mittelpunkt des Streitpatents liegt das Merkmal der Verarmungszone, quantitativ charakterisiert durch die Minderung von Yttriumoxid und Aluminiumoxid. Das Bundesgericht sah als wesentlich an, dass die erfindungsgemäße nanoskopische Struktur nach der Lehre des Streitpatents nur in der Beschreibung funktional durch den Herstellungsprozess umschrieben wird, nämlich durch ein geeignetes Ätzen.
Es wird streitpatentgemäß gelehrt, zumindest aber nicht ausgeschlossen, dass auch mit anderen, beispielsweise auch im Stand der Technik genannten Ätzverfahren eine Verarmungszone erreicht wird. Die hierfür geeigneten Parameter nennt die Streitpatentschrift jedoch nicht, wobei anspruchsgemäß die erfindungsgemäße Verarmungszone nicht einmal durch ein Ätzverfahren hergestellt sein muss, andererseits aber auch keine anderen Arten der Herstellung genannt werden. Dies rechtfertige die Betrachtung der anspruchsgemäßen Lehre auf Basis einer durch Ätzverfahren hergestellten Verarmungszone, führte das Gericht aus.
Im Patentanspruch 1 werde ein erfindungsgemäßes Ätzverfahren jedoch weder als solches beansprucht noch diene es als funktionelle Umschreibung der nanoskopischen Struktur des Erfindungsgegenstands, fasste das Gericht zusammen. Selbst das bevorzugte Ausführungsbeispiel gemäß der Beschreibung nenne nur wenige Parameter des Ätzverfahrens. Es sei somit zwar nicht ausgeschlossen, dass auch mit der offenbarten Verfahrensführung eine Oberfläche gemäß der Patentmerkmale erreicht wird, jedoch wurde ein Nachweis dafür durch die Klägerinnen nicht erbracht. Beispielsweise in der Druckschrift IB15 wurde ein Verfahren zur Oberflächenbehandlung offenbart mittels mehrstufigem Sandstrahlen, Ätzen und Erhitzen.
Wechsel zu Verwendungsanspruch
Zwar sei die Verwendung einer Verarmungszone den ursprünglich eingereichten Unterlagen unmittelbar und eindeutig als zu der zum Patent angemeldeten Erfindung gehörend zu entnehmen. Auch sei ein Kategoriewechsel von einem Vorrichtungsanspruch auf dessen Verwendung nach ständiger Rechtsprechung als zulässig anzusehen, stellte das BPatG klar.
Dies umfasse jedoch nicht eine damit verbundene Änderung des zu verwendenden Patentgegenstands in die Verwendung eines anderen Gegenstands, der bisher nur Teil des Erfindungsgegenstands war, nicht aber ein weiterer eigenständiger Erfindungsgegenstand, urteilte das BPatG als Leitsatzeinscheidung. Im vorliegenden Fall ist das der Wechsel von einem eine Verarmungszone aufweisenden Dentalimplantat zur Verwendung einer Verarmungszone – ein Wechsel zu einem Verwendungsanspruch.
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Das europäische Patent 2 046 235 wurde daher mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland wegen fehlender Patentfähigkeit für nichtig erklärt. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar, allerdings ist eine Berufung gegen das Urteil zulässig innerhalb von fünf Monaten nach der Verkündung.
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Quellen:
Urteil des BPatG, Leitsatzentscheidung Dentalimplantat
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