Das Bundespatentgericht erklärte vor wenigen Wochen den deutschen Teil des europäischen Patents auf Polymerschaum für nichtig. Dies ist Teil der langjährigen Patentverfahren um Polymerschaum – wichtig für alle Klebeprodukte.
Patentinhaberin des Streitpatents – der deutsche Teil des europäischen Patents 2 500 375 – im Zusammenhang mit dem vorliegenden Fall ist die 3M Innovative Properties Company, Tochter des U. S. Technologieunternehmens 3M, unter anderem für seine Klebeprodukte und durch seine registrierten Marken Post-it und Scotch bekannt. Das Streitpatent bezieht sich auf Polymerschaum und ein Verfahren zur dessen Herstellung.
Die Klägerin beantragte, dieses Patent für nichtig zu erklären. Dabei stützte sie sich auf drei Argumente:
- Der Inhalt der Anmeldung sei wegen des Merkmals „measure“ im erteilten Patentanspruch unzulässig erweitert
- Das Patent habe eine fehlende Ausführbarkeit, da keine Messmethode für die Feststellung der Erfüllung des Merkmals vorliege.
- Es fehle die Patentfähigkeit wegen fehlender Neuheit
Die Beklagte 3M Innovative Properties Company widersprach allen Punkten entgegen und erachtete das Streitpatent in den jeweils verteidigten Fassungen für patentfähig. Die Beklagte betonte, dass der Patentanspruch zwar die technischen Mittel erwähne, mit denen die Expansion (durch das Zusetzen polymerer, expandierbarer Mikrokugeln) hervorgerufen werde, nicht aber eine mikroskopische Festlegung im engeren Sinn lehren wolle oder sich sogar darauf beschränke. Kern der Erfindung sei die Expansion vor dem Austritt aus der Düse.
Herstellung von Polymerschaum vor dem BPatG
Das Bundespatentgericht (BPatG) setzte sich daher detailliert mit der Herstellung von Polymerschaum auseinander, denn Polymerschaum enthaltene Gegenstände waren im Prioritätszeitpunkt des Streitpatents bereits bekannt. Dies kann auf fehlende Neuheit hinweisen.
In der Streitpatentschrift werde – ebenso wie im Stammpatent EP 1 102 809 B1 – nicht ausdrücklich angegeben, welches technische Problem das Streitpatent betrifft, stellte das BPatG fest. Dies sei jedoch unschädlich, weil das technische Problem ohnehin aus dem zu entwickeln ist, was die beanspruchte Erfindung tatsächlich gegenüber dem Stand der Technik leistet. Der Bundesgerichtshof habe das technische Problem zum Stammpatent dahingehend formuliert, ein Verfahren zur Verfügung zu stellen, bei dem das Aufschäumen mittels expandierbarer Mikrokugeln zuverlässig und ohne Zerstörung der Mikrokugeln möglich ist.
Langjährige Verfahren um Polymerschaum in Deutschland
Das jetzige Urteil des Bundespatentgerichts gehört zu den langjährigen Verfahren um Polymerschaum vor den höchsten deutschen Gerichten. Denn die 3M Innovative Properties Company war auch Inhaberin des Stammpatents auf das Verfahren zu Herstellung von Polymerschaum. Dabei handelt es sich um den deutschen Teil des europäischen Patents 1 102 809, das vom BGH 2015 nach mehrjährigen Verfahren mit dem Urteil Polymerschaum II mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt wurde (Urt. v. 09.06.2015, Az.: X ZR 101/13). Der nun vor dem BPatG verhandelte deutsche Teil des europäischen Patents 2 500 375 ist im Zusammenhang zu sehen mit dem Urteil Polyermerschaum II des BGH.
Es ist durchaus üblich, eine EP-Patentanmeldung gegenüber der zugehörigen Prioritätsanmeldung inhaltlich zu erweitern. Ihr Patentanspruch umfasst die Ausführungsformen der Erfindung, die bereits in der Prioritätsanmeldung enthalten waren, und auch Ausführungsformen, die erst in der EP-Nachanmeldung hinzukamen.
Product-by-process Merkmale sind nicht Teil der geschützten Lehre
Aus dem Wortsinn des Merkmals „at least mostly expanding most of the expandable polymeric microspheres” ergebe sich insbesondere in den Grenzbereichen keine exakte Vorgabe für Anteil und Umfang der Expansion, denn nach dem Durchgang durch den Extruder könne der extrudierte Polymerschaum einen beliebigen Anteil nicht expandierbarer polymerer Mikrokugeln aufweisen, stellte das BPatG klar. Derartige „product-by-process“-Merkmale dienten regelmäßig lediglich der Definition des Erzeugnisses, seien aber nicht selbst Gegenstand der geschützten Lehre. Das Erzeugnis selbst müsse die Voraussetzungen der Patentierbarkeit erfüllen – unabhängig von seinem Herstellungsweg.
Die vorliegend angegriffene Lehre des aus der Teilanmeldung hervorgegangenen Streitpatents unterscheide sich nur in einigen Merkmalen von derjenigen des aus der Stammanmeldung hervorgegangenen Patents EP 1 102 809 (Stammpatent), befand das BPatG. Der Misch- und Extrusionsvorgang im Extruder – wie er in der Lehre des Streitpatents beschrieben ist – dränge sich zwar nicht selbstverständlich als erste Wahl auf, beruhe aber nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Denn die Patentschrift beschreibe den Mischvorgang in allgemeiner Weise. Dieses Vorgehen könne keine erfinderische Tätigkeit begründen, denn es stelle bekanntes Fachwissen dar, dass die Expansion nach der Düse zu unregelmäßigen Oberflächen führt.
BPatG erklärt das angegriffene Patent für DE für nichtig
Eine unzulässige Erweiterung des Patentanspruchs sah das BPatG nicht gegeben, und auch den Vorwurf der Klägerin der mangelnden Ausführbarkeit wies das Gericht zurück. Aber die fehlende Neuheit der angegriffenen Lehre sah das BPatG als erwiesen an.
Daher erklärte das BPaG das europäische Patent 2 500 375 für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % vorläufig vollstreckbar.
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Quellen:
Urteil BPatG vom 11. März 2019 4 Ni 17/17 (EP)
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