Eine Patentanmeldung der Swiss Re auf Verbesserung der Wettervorhersage ist nicht technisch und wurde vom EPA abgelehnt. Die Modellierung von Wetterdaten sei keine patentfähige Erfindung, verbessertes Verständnis für Wetter sei vielmehr eine wissenschaftliche Theorie.
Eine Verbesserung der Zuverlässigkeit und Genauigkeit der Wettervorhersage wünschen sich die meisten, sei es zur Urlaubs- oder Wochenendplanung oder Gartenplanung. Und tatsächlich sollte die europäische Patentanmeldung der Swiss Reinsurance Company Ltd. (der börsennotierte Rückversicherer Swiss Re) durch die Modellierung von historischen Wetterdaten eine Verbesserung der Wettervorhersage erreichen und zudem als die Vorhersage des Wertes eines wetterbasierten strukturierten Finanzproduktes dienen.
Patentierbarkeit von Berechnungsmodellen, ML und Computerimplementierter Erfindung
Grundsätzlich können Modellierungen und Simulationen durchaus als Patent geschützt werden, allerdings ist die Patentierbarkeit für Berechnungsmodelle und Algorithmen nicht einfach, gleiches gilt auch für maschinelles Lernen (ML). Denn mathematische Verfahren sind gemäß Artikel 52 EPÜ grundsätzlich von der Patentierbarkeit ausgeschlossen, es sei denn, sie weisen einen technischen Charakter auf und erzeugen eine technische Wirkung. Ein allgemeiner technischer Zweck wie die „Steuerung eines technischen Systems“ reicht dazu aber nicht aus.
Die Patentierbarkeit als Computerimplementierte Erfindung gelingt leichter, dies gilt vor allem für computergestützte Simulationsverfahren. Konkrete technische Anwendungen computergestützter Simulationsverfahren sind auch dann als Erfindungen im Sinne des Artikel 52 EPÜ anzusehen, wenn sie mathematische Formeln umfassen, entschied die Beschwerdekammer des EPA bereits 2006 (T 1227/05).
Verbesserung der Wettervorhersage: technisch oder nicht?
Doch die Patentanmeldung der Swiss Re auf Verbesserung der Wettervorhersage wurde als nicht technisch vom Europäischen Patentamt (EPA) zurückgewiesen. Swiss Re legte Beschwerde dagegen ein und argumentierte, dass ein System zur Wettervorhersage, das beispielsweise Sensoren zur Messung spezifischer Wetterdaten umfasst, technischen Charakter hat und auch eine Verbesserung der Wetterdaten durch Berechnung und Weiterverarbeitung ebenfalls technischer Natur ist.
Die Beschwerdekammer des EPA stimmte zwar der Klägerin Swiss Re zu, dass ein System zur Wettervorhersage durchaus technisch sein kann. Wetterdaten stellen Messungen über die physikalische Welt dar und können daher auch technischen Charakter haben, erläuterte die Beschwerdekammer.
Verweis auf Entscheidung T 2079/10 (Steuerung von zellulär aufgebauten Alarmsystemen)
Die Beschwerdekammer verwies in diesem Kontext auch auf die Entscheidung T 2079/10 (Steuerung von zellulär aufgebauten Alarmsystemen) von 2018 (übrigens auch mit der Swiss Re als Klägerin), in der davon ausgegangen wurde, dass physikalische Parameter technische Daten darstellen.
In diesem Fall der Alarmsysteme hatte die Beschwerdekammer geurteilt, dass eine gridbasierte Struktur, welche räumliche beziehungsweise geographische Zuordnungen und Überlegungen zwischen Sensoren und Alarmsystemen erfordert, keineswegs als eine Vorgabe eines reinen Geschäftsverfahrens angesehen werden könne. Da auch eine Erfassung von physikalischen Messwerten mittels Sensoren beansprucht wurde, komme dem Verfahren als Ganzes ein technischer Charakter zu.
Verbessertes Verständnis für Wetter ist wissenschaftliche Theorie
Kernfrage im vorliegenden Fall Verbesserung der Wettervorhersage sei aber, ob die Verbesserung der Genauigkeit bestimmter Daten einer Wettervorhersage technisch ist. Die Beschwerdekammer verneinte dies und wertete diese Art der Modellierung eher als eine Entdeckung oder eine wissenschaftliche Theorie, die nach Artikel 52(2)(a) EPÜ von Patentierbarkeit ausgeschlossen sind. Denn das „Wetter“ ist kein technisches System, das der Fachmann verbessern oder gar simulieren kann, um zu versuchen, es zu verbessern.
Die Verbesserung der Daten in diesem Fall sei also eher eine Verbesserung eines Modells, das eine wissenschaftliche Theorie anwendet, und trage somit nicht zum technischen Charakter bei, entschied die Beschwerdekammer. Denn die Modellierung des Wetters in Form von historischen Referenzdaten ziele auf ein besseres Verständnis des Wetters und daraus gewonnener Verbesserung der Wettervorhersage.
Objektives technisches Problem – aber zu Geschäftszwecken
Das objektive technische Problem besteht darin, wie die nicht-technische Methode zur Vorhersage des Wertes von wetterbasierten Finanzprodukten auf einem Computersystem implementiert werden kann, fasste die Beschwerdekammer zusammen. Auch sei es legitim, die nichttechnischen Aspekte und Merkmale der Erfindung in die Formulierung des technischen Problems einzubeziehen. Die technischen Merkmale der Implementierung ergeben sich jedoch direkt aus der Anforderungsspezifikation für das nicht-technische Konzept.
Vor allem aber wird darin keine technische Wirkung oder ein technischer Zweck angestrebt wie beispielsweise eine Verbesserung der Messtechnik selbst, sondern eine Verbesserung in der Verarbeitung der Daten zu Geschäftszwecken, nämlich der Bestimmung des Wertes des Finanzproduktes.
Daher sei die vorliegende Verbesserung der Wettervorhersage nicht technisch, entschied die Beschwerdekammer.
Gegenseitige technische Wirkung
Swiss Re führte zusätzlich auch das Argument an, die strukturierten Finanzprodukte seien durch die Erfindung mit automatisiert mit wetterbasierten Messdaten gekoppelt, es komme daher zu gegenseitiger technischer Wirkung.
Die Beschwerdekammer stimmte dem in Teilen zu. In der Tat wurde eine technische Wechselwirkung zwischen den Finanzprodukten und der „realen Welt“ erreicht, entschied die Beschwerdekammer. Entgegen der Meinung der Prüfungsabteilung umfasse die Methode gemäß Patentanspruch technische Schritte, beispielsweise die Generierung eines Referenzwertes auf der Grundlage der strukturellen Parameter des Finanzprodukts. Solche Schritte seien technisch, weil ein Fachmann sie ohne ein prozessorbasiertes System nicht in der definierten Reihenfolge durchführen könnte.
Allerdings gebe es keinen Einfluss der Parameter des Finanzproduktes auf die Qualität des Wetters oder der wetterbasierten Messungen. Der Wert des Finanzproduktes hänge per Definition von den Wetterdaten ab, aber nicht umgekehrt. Daher liege hier auch kein technischer Gegenseitigkeitseffekt vor.
Keine erfinderische Tätigkeit gemäß Artikel 56 EPÜ
Die Beschwerde der Swiss Re wurde vollständig zurückgewiesen (T 1798/13). Die Erfindung Verbesserung der Wettervorhersage ist nicht patentierfähig, weil sie nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht gemäß Artikel 56 EPÜ.
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Quellen:
Entscheidung des EPA T 1798/13 (Forecasting the value of a structured financial product/SWISS RE
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