Kuriose Patentverletzungsklagen eines U. S. Patentverwerters machen derzeit durch mehr als ein Dutzend gleichzeitiger Klagen vor zwei U. S. District Gerichten aufmerksam. Denn alle Klagen berufen sich auf ein älteres U.S. Patent für Wi-Fi Technik, das erst nach Laufzeit von 44 Jahren auslaufen wird – doch so etwas ist eigentlich unmöglich.
Denn Patentschutz läuft sowohl nach U.S. Patentrecht, nach deutschem Patentrecht wie auch nach internationalen Patentrechtsregeln nach spätestens 20 Jahren Laufzeit aus. Lediglich für Arzneimittel gibt es die Möglichkeit, einen Patentschutz um bis zu 5 weitere Jahre zu verlängern durch die sogenannten SPC.
Patentverletzungsklagen der Castlemorton Wireless, LLC
Dennoch wurden vor wenigen Tagen mehr als ein Dutzend gleichzeitiger Klagen vor den U. S. District Gerichten Delaware und Texas Western von dem U. S. Unternehmen Castlemorton Wireless, LLC eingereicht. Die Beklagten sind Unterhaltungselektronikhersteller wie Pioneer und Plantronics und ebenso Telekommunikationsunternehmen wie T-Mobile, Verizon und Comcast. Alle Klagen machen eine Patentverletzung des eigenen älteren Patents U.S. Patent 7,835,421 geltend, das 1983 als Erfindung des britischen Verteidigungsminsteriums eingereicht wurde und eine Technik im Direct Sequence Spread Spectrum (DSSS) beschreibt.
Patent auf DSSS Technik fiel unter U. S. Geheimhaltungsanordnung
Dass eine solche Klage überhaupt möglich ist, hängt mit der amerikanischen Geheimhaltungsanordnung zusammen. Diese ermöglicht aus Gründen der nationalen Sicherheit die Zurückhaltung eines angemeldeten Patents auf unbestimmte Zeit.
Da DSSS Technik ursprünglich während des Zweiten Weltkriegs geschaffen wurde, um Probleme der gegnerischen Funkstörungen zu lösen, erließ die damalige U.S.-Regierung 1983 direkt bei Patentanmeldung eine Geheimhaltungsanordnung auf das ‚421-Patent. Diese wurde im Jahr 2010 aufgehoben und damit galt das bisher geheim gehaltene ‚421-Patent als erteilt. Da die Anmeldung vor dem 8. Juni 1995 (dem Datum des Inkrafttretens des TRIPS-Abkommens, Artikel 33) erfolgte, beträgt die Laufzeit dieses Patents entweder 20 Jahre ab dem frühesten Anmeldedatum oder 17 Jahre ab dem Ausstellungsdatum, je nachdem, welcher Zeitpunkt länger ist. Die gesetzliche Laufzeit des ‚421-Patents läuft also am 16. November 2027 nach dann 44 Jahren Laufzeit ab, ungeachtet des Anmeldedatums für dieses Patent vom 4. Januar 1983.
Der britische Ministeriumsbereich, der dieses Patent erfunden hatte, wurde inzwischen als QinetiQ halb-privatisiert und ging eine Partnerschaft mit dem Patentverwerter Castlemorton – auch als Patenttroll bezeichnet – ein, um sein Patent gewinnbringend geltend zu machen.
Klagen richten sich allgemein gegen drahtlose Kommunikation
Die Vorwürfe der von Castlemorton der Patentverletzung richten sich gegen eine Vielzahl von heutigen Wi-Fi-fähigen Produkten, einschließlich Netzwerkmanagementsystemen, Zugangspunkten, Routern, drahtlosen Modulen, und auch IP-Telefonen, Videotelefonen und AV-Empfängern. Denn 1999 standardisierte das IEEE die erste weit verbreitete Form der drahtlosen Computervernetzung, sozusagen die Mutter des Wi-Fi: Wi-Fi 802.11b. Und Klägerin Castlemorton macht die Verletzung des eigenen Patents geltend durch alle Produkte und/oder Dienste, die Erkennung einer Trägerfrequenz in einem DSSS-Signal durch ihre Implementierung der Standards IEEE 802.11b und/oder IEEE 802.11g unterstützen.
Natürlich hat sich die Wi-Fi Technik ständig weiterentwickelt, aber dennoch sind die durch das ‚421-Patent beanspruchten Standards auch heute noch relevant. Inzwischen dienen bei der Konfiguration des Access Points zwar häufig die Standards IEEE 802.11, IEEE 802.11bn oder IEEE 802.11gn- dies aber ist eine Kombination der älteren IEEE 802.11a bzw. IEEE 802.11b oder IEEE 802.11g mit dem neueren IEEE 802.11n Standard. Moderne drahtlose Netzwerke sind also immer noch rückwärtskompatibel und reell bedroht von den Patentverletzungsklagen.
Lesen Sie in diesem Kontext auch gerne unseren Beitrag zum deutschen Patentrecht: Erfindung naheliegend für den Fachmann- Fallstudie für Mobilfunk.
Kuriose Patentverletzungsklagen werfen Fragen auf
Die beiden U.S. District Gerichte in Delaware und Western Texas haben daher schwierige Fragen in diesen kuriosen Patentverletzungsklagen zu beantworten.
Denn eigentlich gilt das ‚421-Patent als Stand der Technik gemäß Pre-AIA 35 U.S.C. 102(e) als von der Patentanmeldung vom 4. Januar 1983 verfügbar, ungeachtet der Tatsache, dass es der Welt bis 2010 vorenthalten und unbekannt war. Auf einen bekannten Stand der Technik wird im Normalfall kein Patent erteilt, aber dies kann in der Zeit von 1883 bis 2010 natürlich unüberschaubar oft vorgekommen sein. Gleichzeitig schützt Unwissenheit nicht vor einer Patentverletzung. Jeder Patentanmelder ist angehalten, sich vollumfänglich bezüglich des Stands der Technik zu vergewissern, und dies umfasst weltweite Veröffentlichungen und Patentanmeldungen. Wie dies zu bewerten ist für eine über Jahrzehnte geheim gehaltene Patentanmeldung, bleibt den U.S. District Gerichten überlassen.
Ebenso spannend ist abzuwarten, wie über den Vergleich der Techniken geurteilt wird. Denn das ‚421-Patent bezieht sich an keiner Stelle auf Wi-Fi, sondern ausschließlich auf DSSS.
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Quellen:
Portal des Interessenverbandes Unified Patents
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