Mindestbegründung für Einsprüche gegen Patente sowie die Formalien zur Benennung des Erfinders: diese beiden Bereiche in der EPA Praxis von nationalen Patentämtern sind jetzt einheitlich für die EPA-Mitgliedsstaaten, meldet das EPA.
Mit Recht blickt das EPA (Europäisches Patentamt) unter der Leitung von António Campino mit einem gewissen Stolz auf die erreichte Einigung unter den Patentämtern der EPA-Mitgliedsstaaten.
Mindestbegründung für Einsprüche gegen die Einheitlichkeit einer Erfindung sowie die Formalien zur Benennung des Erfinders, für diese beiden Bereiche habe man aktuell eine einheitliche Anleitung für die EPA Praxis der nationalen Patentämter beschlossen, meldet das EPA in einer aktuellen Mitteilung.
In insgesamt sechs Bereichen soll im Rahmen des EPA Strategieplans 2023 ein einheitliches Vorgehen der EPA-Mitgliedsstaaten beschlossen werden, die ersten zwei von den sechs sind jetzt bereits umgesetzt. Das Ziel ist, die Praxis zwischen dem EPA und den nationalen Patentämtern in den EPA-Mitgliedsstaaten stärker anzugleichen; letztlich soll dadurch die Rechtssicherheit im Europäischen Patentsystem verbessert werden sowie einfachere, straffere und kosteneffizientere Verfahren für die Anmelder ermöglichen.
Europäisches Patent
Das europäische Patent wird vom EPA erteilt. Anders als sein Name suggeriert, ist es aber weder ein länderübergreifendes Patent noch gilt es begrenzt für die EU-Mitgliedstaaten. EPA-Mitgliedsstaaten sind insgesamt 38 Vertragsstaaten, darunter alle 27 Mitgliedstaaten der EU sowie 11 weitere Staaten.
Das sind EU-nahe Länder wie UK, Norwegen und die Schweiz, aber auch die Länder Island, Mazedonien und die Türkei gehören dazu. Außerdem hat die Europäische Patentorganisation mit einigen Staaten, die nicht dem EPÜ (Europäisches Patentübereinkommen) angehören, Abkommen über die Erstreckung des Schutzes europäischer Patente geschlossen. Derzeit sind dies Bosnien und Herzegowina sowie Montenegro.
Das Europäische Patent funktioniert dabei wie ein Bündel nationaler Patente der gewünschten EPA-Vertragsstaaten. Der Patentanmelder muss in den jeweiligen nationalen Patentämtern die Validierung seines europäischen Patents anfordern- nach den nationalen Patentgesetzen. Einspruchsverfahren gegen Patente werden zwar zunächst vor dem EPA verhandelt (durch EPA-zertifizierte Patentanwälte und Rechtsanwälte), letztlich liegt jedoch die Gerichtsbarkeit von europäischen Patenten in der Hand der EPA-Mitgliedsstaaten.
Daher soll ein einheitliches Vorgehen der EPA-Mitgliedsstaaten beschlossen werden.
Paralleles Bestreben: Europäisches Einheitspatent
Parallel gibt es auf der Unionsebene das Bestreben, ein sogenanntes Europäisches Einheitspatent und ein einheitliches Europäisches Patentgericht (!) zu etablieren. Es ist möglich, dass dies sogar noch in diesem Jahr in Kraft treten kann, aber auch wenn das der Fall wäre, würde es eben nur für die Unionsstaaten gelten, die Mitgliedstaaten der Europäischen Union (aber leider ohne das UK).
EPA Praxis: die ersten 2 Bereiche im Detail
Dies mag die EPA-Mitgliedsstaaten durchaus beflügeln, sich auf ein einheitliches Vorgehen für die EPA Praxis in Bezug auf Patentanmeldungen und Patentanfechtungen zu verständigen.
So sieht diese Einigung für die ersten beiden Bereiche im Detail aus:
Gründe für den Einspruch
- Gemeinsamkeiten zwischen den verschiedenen Gruppen von Erfindungen und Vergleich der Gemeinsamkeiten mit dem „vorliegenden Stand der Technik“ (dieser Stand der Technik muss identifiziert werden)
- Es muss erklärt werden, warum die festgestellten Merkmale keinen Beitrag gegenüber dem Stand der Technik darstellen
- Analyse der übrigen technischen Merkmale, die nicht Teil des identifizierten gemeinsamen Gegenstands sind
- Erläuterung, warum es keine einheitliche technische Beziehung zwischen den Gruppen von Erfindungen gibt (ggf. durch Ermittlung der Unterschiede zwischen den verbleibenden technischen Merkmalen unter Berücksichtigung der erzielten technischen Wirkungen oder der durch diese verbleibenden Merkmale gelösten technischen Probleme)
Benennung des Erfinders
In diesem Bereich ist die verkündete Einigung lediglich eine Empfehlung der EPA Arbeitsgruppe in diesem Bereich. Dem Verwaltungsrat wird empfohlen, dass Erfinder von den Patentämtern nicht formell über ihre Benennung in einer Patentanmeldung benachrichtigt werden.
Stattdessen sollen Erfinder Informationen über ihre Benennung vom Anmelder erhalten, durch Einsicht in das Patentregister oder durch Akteneinsicht.
Ob das wirklich zu einer allgemeinen EPA-Praxis wird, bleibt spannend. Viele nationale Patentgesetze enthalten subsidiäre Mechanismen vor allem für Arbeitnehmererfindungen, natürlich auch Deutschland. Die vorgeschlagene Änderung wäre gerade in dieser Hinsicht weitreichend, weil dadurch angestellte Erfinder nicht mehr über die Einreichung einer Patentanmeldung durch ihren Arbeitgeber oder über den Fortgang des Erteilungsverfahrens informiert werden würden.
Ausblick auf angestrebte Einigung der EPA Praxis
Als weitere vier Bereiche, für die eine einheitliche EPA-Praxis beschlossen werden soll, nennt der EPA Strategieplan Übereinstimmung des Prioritätsdatums, Prüfung der Einheitlichkeit der Erfindung, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und Prüfungspraxis für computerimplementierte Erfindungen und künstliche Intelligenz.
Es wäre wünschenswert, dass in allen sechs Bereichen des EPA Strategieplans wirkliche Übereinkommen beschlossen werden. Angesichts der vielfältigen Interessen unter den EPA Mitgliedsstaaten eine große Herausforderung: es bleibt spannend!
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Quellen:
News vom EPA: First common practices agreed by EPO member states
Bild:
Christopher Seidel meint
Super geschriebener und informativer Artikel :-). In diesen Blog werde ich mich noch richtig einlesen