Microsoft Deutschland hat vor dem BGH verloren: das Europäische Patent über dynamische „Bereitstellung von Daten für einen Benutzer“ mit Priorität aus einem DE Patent hat Bestand. Vergeblich hatte Microsoft dessen Nichtigkeit angestrebt- das Patent ist Basis für heutige Cloud- und Servertechnologie.
Der BGH hat am 7. Oktober 2021 über diesen großen Rechtsstreit entschieden, jetzt wurde das Urteil öffentlich gemacht. Es ist ein Patentstreit, der viele der heutigen Größen/“Big Names“ mit Cloud- und Servertechnologie betrifft, denn es geht um die Basisstruktur für dynamische IT Anwendungen.
Im Jahr 2000 wurden zunächst zwei Erfindungen des IT-Systemarchitekts Hardy Schloer als deutsche Patente angemeldet. Darauf beruht die Priorität des Streitpatents, das Europäische Patent (EP1126674), das 2000 von dem Unternehmen Ravenpack AG angemeldet wurde und 2006 erteilt wurde. Die Patentpool Group (Deutschland) hatte im Jahr 2000 das Potential erkannt in der damals noch scheinbar sinnlosen „dynamischen“ IT Architektur von Schloer und gründete die Ravenpack AG, um die diesem Patent zugrunde liegende Technologie zu vermarkten. Sehr erfolgreich ist dies u. a. gelungen im Bereich Finanz Analysen.
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Beim Deutschen Patentamt wird das Streitpatent von Hardy Schloer unter der Nummer DE 600 31 088 geführt, es trägt die Bezeichnung „Method and device for presenting data to a user“ (dt.: „Verfahren und Gerät zur Bereitstellung von Daten für einen Benutzer“).
Patentverletzung durch Cloud Microsoft Azure?
Zum vorliegenden Rechtsstreit kam es, weil die Patentinhaber gegen Microsoft eine Patentverletzung geltend machten und 2014 Klage gegen Microsoft erhoben vor dem Landgericht München. Weil in dem Streitpatent wesentliche Basistechnologie beschrieben ist, die auch wichtig ist für die heutige Cloud- und Servertechnologie, sahen die Patentinhaber ihre Patentrechte als verletzt an. Konkret hatte die Patentpool Group 2010 bemerkt, dass Microsoft seinen Service zum Cloud Microsoft System „MS Azure“ bewarb – und zwar mit Zeichnungen, die nach Ansicht der Patentpool Group denen des Streitpatents entsprachen.
Diesem Vorwurf begegnete Microsoft Deutschland mit einer Nichtigkeitsklage gegen das EP Patent, ein durchaus typisches Vorgehen. Das Streitpatent sei weder neu noch beruhe es auf erfinderischer Tätigkeit, machte Microsoft geltend, und berief sich auf mehrere Druckschriften, insbesondere die Druckschrift K5. Das Bundespatentgericht wies die Nichtigkeitsklage 2019 dennoch ab (5 Ni 53/16), dagegen legte Microsoft Deutschland Berufung beim BGH ein.
Sicherer Datenpfad für die Serverdaten – neu und erfinderisch?
Das Streitpatent beschreibt den Zugriff auf einen Server und dort hinterlegte Daten über Datenpfade, durch den die Bereitstellung von Daten über ein Netzwerk an einen Nutzer vor allem sicherer gestaltetet wird. Dazu sieht das Streitpatent mindestens einen Datenpfad vor, „über den Steuerdaten, die mit der Auswahl von Daten verbunden sind, gesendet werden, wobei der mindestens eine Datenpfad unidirektional ist“.
Und auch die Druckschrift K5 (die internationale Patentanmeldung WO 99 / 38 080 A1) beschreibt ein Verfahren zum Darstellen von Daten für einen Anwender in einem sicherheitsrelevanten Kontext. So ergibt sich beispielsweise in K5 unter anderem, dass der Benutzer benachrichtigt wird, wenn die Berechtigungsprüfung in der Identifikatordatenbank oder in der Anfragedatenbank ein negatives Ergebnis zeigt.
Doch der BGH – wie schon 2019 das mit diesem Fall befasste Bundespatentgericht – sah darin trotzdem keine relevante Entgegenhaltung gegen das Streitpatent. K5 sei nicht unmittelbar und eindeutig zu entnehmen, dass sichergestellt ist, dass im Prozess zwischen dem Zugriff auf den Server und der Bereitstellung der angefragten Daten eine Übermittlung von Daten in die Gegenrichtung ausgeschlossen ist, entschied der BGH.
Der sichere unidirektionale Datenpfad ist aber entscheidender Aspekt im Streitpatent, erklärte das Gericht. Im Einklang mit den Patentmerkmalen gebe die Beschreibung eine unidirektionale Übermittlung an, die Kontrolldaten und die verarbeiteten Daten umfasst.
Die in K5 beschriebene Vorgehensweise jedoch lasse sich technisch auf unterschiedliche Weise realisieren. Eine Unidirektionalität der Datenpfade im Prozess zwischen dem Zugriff auf den Server und dem Bereitstellen der Daten sei keine zwangsläufige Folge einer solchen Gestaltung, sondern müsse durch geeignete Maßnahmen sichergestellt werden, führte der BGH aus.
K5 aber nenne keine solche Maßnahmen und lasse insbesondere nicht erkennen, dass sichergestellt ist, dass eine Datenübermittlung in die Gegenrichtung über die genannten Verbindungen unter allen Umständen ausgeschlossen ist.
Unidirektionaler Datenfluss muss Gegenfluss ausschließen
Auch andere der von Microsoft angeführten Druckschriften haben nach Ansicht des BGH keinen unidirektionalen Datenpfad im Sinne des Streitpatents vorgesehen oder eine Anregung hierzu geliefert.
So offenbare zwar die Druckschrift K6 ein Daten- und Steuerungsnetzwerk (Switch-Ports und Leitungen des Daten- und Steuerungsnetzwerk im Halbduplex-Modus) und einen unidirektionalen Datenfluss. Doch K6 sei nicht zu entnehmen, dass die betreffende Verbindung so ausgestaltet ist, dass ein Datenfluss in die Gegenrichtung ausgeschlossen ist, stellte der BGH fest.
Ebenso wenig Erfolg hatte Microsoft mit einer Entgegenhaltung aus dem Bereich Online Banking. Druckschrift K13 (Koreanische Patentschrift KR 10-020 59 54 B1 ) schlägt als Lösung ein als Bank-Relais-Serversystem bezeichnetes System vor, über das eine Vielzahl von Kunden mit einer Mehrzahl von Banken kommunizieren könne. Ohnehin lag keine beglaubigte Übersetzung der koreanisch sprachigen Druckschrift K13 vor, und erst anhand der nachveröffentlichten Druckschrift K13a wurde überhaupt substantiiert zu den erteilten Merkmalen des Streitpatents vorgetragen. Dennoch äußerte sich der BGH in Bezug auf die in K13a vorgelegte Zeichnung. Obwohl diese Zeichnung in K13 mit Pfeilen in nur eine Richtung auf einen unidirektionalen Datenpfad hinweist, erkannte der BGH dies nicht im Sinne des Streitpatents an. Es sei nicht eindeutig zu erkennen, ob die Pfeile jeweils für einen Datenfluss stehen, erklärte das Gericht. Es sei jedenfalls nicht unmittelbar und eindeutig offenbart, dass dabei ein unidirektionaler Datenpfad genutzt wird und dass die Verbindung so ausgelegt ist, dass ein Datenfluss in die Gegenrichtung ausgeschlossen ist.
Weitere Druckschriften wie K7 und K12 beschreiben eine Verbindung zwischen Videosession-Manager und Informationsserver. Zwischen zwei Komponenten finde dabei Datenverkehr in beide Richtungen statt – das stelle keinen unidirektionalen Datenpfad dar. Etwas anderes gelte auch dann nicht, wenn die Anfrage des Client unbeantwortet bleibt, ergänzte der BGH.
Streitpatent hat Bestand
Daher wies der BGH die Berufung von Microsoft vollständig zurück und bestätigte den Bestand des Streitpatents für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland.
Da Patentschutz nach 20 Jahren Laufzeit endet, ist dieses EP Patent inzwischen zwar ohnehin erloschen. Aber das ist ein sehr großer Unterschied zu einem für nichtig erklärten Patent, denn die Patentinhaber können sich ja auch weiterhin noch immer auf den Patentschutz berufen, der ja 20 Jahre lang Gültigkeit hatte. Und Klagen sind trotz Erlöschen des Streitpatents zulässig wurde bereits höchstrichterlich entschieden – wenn der Kläger Anlass zu der Besorgnis hat, er könne auch nach Ablauf der Schutzdauer noch Ansprüchen wegen zurückliegender Handlungen ausgesetzt sein. Auf jeden Fall kann die eigentliche Patentstreitigkeit um die mögliche Patentverletzung von Microsoft durch die Cloud vor den Gerichten in Deutschland weitergeführt werden.
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geralt | pixabay | CCO License
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