Der Erfolg einer Klage bei Patentrechtsverletzungen hängt unmittelbar mit einer guten Beweisführung zusammen. Gibt es Beweisschwierigkeiten bei einer Patentrechtsverletzung, steht dafür schon seit 2008 ein gutes Mittel zur Verfügung: der Besichtigungsanspruch aus § 140c PatG.
Gerade im Bereich des Patentschutzes ist es oftmals gar nicht so leicht, eine gute Beweisführung für eine Patentstreitigkeit oder eine Klage bei einer Patentverletzung aufzubauen. Denn wenn die Patentrechtsverletzung Produktionsvorgänge oder interne Abläufe betrifft, kann es zum einen sein, dass sie Teil von sehr komplexen Vorgängen ist, zum anderen auch ist es möglich, dass man keinerlei Einsicht nehmen kann und die Vorgänge womöglich auch geheim gehalten werden.
Mehr Transparenz im gerichtlichen Verfahren
Dabei ist von allen Seiten Transparenz im gerichtlichen Verfahren gewünscht. Doch wie ist das in der Praxis zu erreichen?
Der sogenannte „Testkauf“ bei dem der Patentinhaber selbst oder über einen Strohmann das womöglich patentverletzende Produkt erwirbt – gut bekannt aus Markenverletzungen – , ist weniger gut geeignet im Fall einer Patenverletzung. Denn ein Testkauf funktioniert nur gut bei Produkten, die in großen Mengen und zu niedrigen Preisen verkauft werden. Sind die Preise zu hoch, beispielsweise bei dem Kauf einer Industriemaschine, können die Patentinhaber die Kosten für einen Testkauf möglicherweise nicht tragen. Ist der Kundenstamm sehr klein und namentlich bekannt, besteht die Gefahr, dass der Testkauf als solcher offensichtlich wird. Vor allem aber betreffen die Mehrzahl von Erfindungen komplexere Produkte oder Verarbeitungsprozesse; eine etwaige Patentverletzung ließe sich dafür ohnehin nicht durch einen Testkauf nachweisen. Aus gleichem Grund ist auch selten erfolgreich, eine Wirtschaftsdetektei einzuschalten, zumal die wichtigen Vorgänge oder Detailinformationen über eine geschützte Erfindung oftmals geheim gehalten sind.
Dennoch steht ein gutes Mittel zur Verfügung, um bei Beweisschwierigkeiten die nötigen Informationen und Nachweis beschaffen zu können: der Besichtigungsanspruch gemäß § 140c PatG.
Mit der Umsetzung von Art. 6 und 7 der europäischen Enforcement-Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und Rates wurde im Jahr 2008 der Art. § 140c PatG geschaffen und in das deutsche Patentrecht aufgenommen.
Hinreichende Wahrscheinlichkeit der Patentverletzung erforderlich
Die Besichtigungsanordnung, welche gerichtlich beantragt werden muss, ist bereits binnen weniger Tage erhältlich und erlaubt es dem Patentinhaber durch einen Gerichtsvollzieher oder notfalls auch mit Hilfe der Polizei eine Durchsuchung bei dem mutmaßlichen Patentverletzer durchzuführen. Dieser schafft einen Rechtsanspruch, Büros oder Produktionsstätten eines mutmaßlichen Verletzers aufzusuchen: der sogenannte Besichtigungsanspruch. Allerdings muss eine gewisse Wahrscheinlichkeit der Patentverletzung vorliegen.
Umfang des Besichtigungsanspruchs
Besichtigt werden können sowohl Sachen als auch Verfahren. Unter den Begriff „Sachen“ fallen alle körperlichen Gegenstände, also auch Konstruktionszeichnungen oder Baupläne.
Wichtig ist im Hinblick auf die allgemeine Digitalisierung und Automation, dass nach Ansicht des Bundesgerichtshofes auch Computerdaten unter „Sachen“ bei einem Besichtigungsanspruch zu verstehen sind – falls eine Verkörperung auf einem Datenträger vorliegt (BGH 2006, XII ZR 120/04).
Der Begriff „Verfahren“ wiederum umfasst alle gängigen Arbeits-, Herstellungs- und Verwendungsverfahren.
Neben der Besichtigung ist auch jede Maßnahme zulässig, die erforderlich ist, um den erforderlichen Nachweis zu sichern. Beispielsweise ist auch ein Betasten oder selbst die Mitnahme von Gegenständen und deren Untersuchung anderorts – sofern diese erforderlich ist – erlaubt.
Im Rahmen der Beantragung der Besichtigung bei Gericht müssen im Kern die folgenden Voraussetzungen begründet werden:
- eine hinreichende Wahrscheinlichkeit der Patentrechtsverletzung
- die Erforderlichkeit der Beantragung
- die Verhältnismäßigkeit der Inanspruchnahme einer Durchsuchung
Besichtigungsanspruch ist international durchsetzbar
Patentschutz ist – anders als beispielsweise Marken- oder Designschutz – ein territoriales Recht; für eine Erfindung muss in jedem Land Patentschutz beantragt werden, in dem diese Erfindung geschützt sein soll. Dies geschieht nach den nationalen Patentgesetzen und deren Auslegung. Und natürlich sind auch bei einer Patentverletzung eine Vielzahl von verschiedenen nationalen Rechtsvorgaben zu beachten. Welches Instrument in welchem Rechtsraum einem Patentinhaber im Falle einer Patentrechtsverletzung zur Verfügung steht, kann mitunter für den Betroffenen schwer einzuschätzen sein.
Umso erfreulicher ist es, dass der Besichtigungsanspruch als Mittel der Beweissicherung und Informationsbeschaffung bei patentrechtlichen Streitigkeiten auch in vielen anderen Ländern geltend gemacht werden kann – jedoch oftmals mit unterschiedlichen Voraussetzungen und Befugnissen. Das zeigt sich schon bei unseren europäischen Nachbarn.
Das Pendant zu dem Besichtigungsanspruch aus § 140 c PatG beispielsweise in Frankreich bildet die sogenannte Saisie-contrefaçon; sie wird in 80 % der Verletzungsklagen angewandt. Im Vergleich zum deutschen Recht erlaubt die Saisie-contrefaçon weitreichendere Eingriffe in die Rechte des in Anspruch genommenen. Sie ist auch besonders effektiv, da es sich bei der Beweisgewinnung um ein ex-parte Verfahren handelt: Ist die Beantragung der Beweissicherung erfolgreich, so wird ein Gerichtsvollzieher berufen, der die Untersuchungen durchführt – und dies ohne Benachrichtigung an den Schutzrechtverletzer (ex parte). Jedoch muss innerhalb einer kurzen Frist nach der Beschlagnahme Klage eingereicht werden, ansonsten ist die Saisie ungültig.
Lesen Sie gern auch unseren Beitrag: Beweissicherung bei IP Verletzung: Vergleich DE und FR
Auch im Italienischen, Belgischen oder Schweizer Rechtsraum existieren Verfahren zur Beweissicherung im Rahmen von Patentrechtsklagen, welche der Saisie-contrefaçon stark ähneln. Auch sie ermöglichen es dem Inhaber eines Patents, auf Antrag eine Beschlagnahme der angeblich verletzten Gegenstände zu erwirken.
Im UK unterliegt in Patentverletzungsstreitigkeiten eine Vor-Ort-Besichtigung zu Beweisszwecken – kurz: die „discovery“ – der sogenannten Anton Piller order (Anton Piller KG v Manufacturing Processes Ltd. von 1975). Dabei handelt es sich um eine gerichtliche Anordnung, die den Antragsgegner dazu verpflichtet, der antragstellenden Partei Zutritt zu dessen Räumlichkeiten zu gestatten, um Untersuchungen durchzuführen. Auch hierbei handelt es sich um ein äußerst effektives ex parte-Verfahren in patentrechtlichen Streitigkeiten.
Benötigen Sie Unterstützung bei Verletzungen von IP Rechten oder bei einer einstwilligen Verfügung?
Unsere Anwälte beraten Sie gerne. Nehmen Sie bei Interesse gerne Kontakt zu uns auf – wir freuen uns auf Ihren Anruf!
Quellen:
Patentgesetz § 140c PatG
BGH Urteil XII ZR 120/04 von 2006
Bild:
422737 | pixabay | CCO License
Schreiben Sie einen Kommentar