Der Markenstreit zwischen der jüngeren Markeneintragung THE ONLY ONE und der älteren Wortmarke ONE von Nestlé nimmt einen neuen Verlauf. Die erneute EUIPO Prüfung, die nach dem EuGH Urteil von 2020 erforderlich war, sei fehlerhaft, entschied das EuG.

Der Markenstreit beschäftigt seit 2016 fortlaufend die Europäischen Instanzen und Gerichte. In der Sache geht es um den lukrativen und wachsenden Markt für Hundefutter und Ernährungsergänzungen dazu.
THE ONLY ONE vs. ONE: Marken für Hundefutter
Im April 2016 hatte die Streithelferin, Amigüitos pets & life, SA (Spanien) das Wort- und Bildzeichen „THE ONLY ONE by alphaspirit wild and perfect“ als Bildmarke angemeldet – im Wesentlichen für Tierfutter und Diät- bzw. Ernährungszusätze für Tiere, insbesondere für Hunde. Die Markenanmeldung wurde vom EUIPO angenommen und eingetragen.
Doch nur wenige Wochen später legte die Klägerin Nestlé (Société des produits Nestlé SA, Schweiz) Widerspruch gegen diese Markeneintragung ein. Es liege Verwechslungsgefahr mit und sogar unlautere Ausnutzung der eigenen älteren, sehr bekannten Marke ONE vor, die seit 2013 von Nestlé in der EU als Wortmarke geschützt ist – unter vielem anderen auch für „Futtermittel für Tiere“ der Nizza-Klasse 31.
Ein Rechtsstreit durch viele Instanzen
Die Widerspruchsabteilung gab Nestlé Recht und bestätigte, dass die angemeldete Marke geeignet sei, die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Marke ONE in unlauterer Weise auszunutzen oder zu beeinträchtigen (Art. 8 Abs. 5 der Verordnung (EU) 2017/1001). Diese Entscheidung wurde auch von der nachfolgend angerufenen Beschwerdekammer bestätigt.
Im Dezember 2019 dann wurde dieser Rechtsstreit zum ersten Mal vor dem Europäischen Gericht (EuG) verhandelt, bei dem die Streithelferin Amigüitos pets & life gewann – wir berichteten (T-40/19, EU:T:2019:890, aufhebendes Urteil).
Das EuG stellte darin im Wesentlichen fest, dass der sehr geringe Grad der Ähnlichkeit zwischen den fraglichen Zeichen trotz der Ähnlichkeit, wenn nicht gar der Identität der Waren, nicht den Schluss zulasse, dass zwischen ihnen Verwechslungsgefahr bestehe.
Nestlé rief daraufhin das höchste Europäische Gericht an, den EuGH. Zwar lehnte der EuGH mit Beschluss vom 4. Juni 2020 (C-97/20 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:442) die Klage von Nestlé ab, verwies aber die Sache zur erneuten Entscheidung an die Beschwerdekammer des EUIPO unter dem Aktenzeichen R 424/2020-5 zurück. Die wiederum urteilte nur wenige Wochen später: mit Entscheidung vom 29. Juli 2020 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wurde der Beschwerde der Streithelferin stattgegeben und der Widerspruch von Nestlé gegen die Markeneintragung in vollem Umfang zurückgewiesen.
Insbesondere wurde darin festgestellt, dass Nestlé keinen Nachweis für die geltend gemachte erhöhte Unterscheidungskraft der älteren Marke und für die Bekanntheit der Marke ONE erbracht habe – sondern dass die ältere Marke ONE eine solche erhöhte Kennzeichnungskraft nur für die Marke PURINA ONE habe. Daher bestehe keine Verwechslungsgefahr zwischen den fraglichen Marken.
Nestlé Klage: Erneute EUIPO Prüfung fand im Grunde nicht statt
So kam es zu einer neuerlichen Verhandlung dieses Falls vor dem Europäischen Erstinstanzlichen Gericht (EuG, EU:T:2021:794), die jetzt entschieden wurde. Nestlé machte darin eine mangelhafte bzw. fehlende erneute EUIPO Prüfung geltend.
Die Klägerin wies darauf hin, dass das Gericht im Aufhebungsurteil ausdrücklich anerkannt habe, dass die Frage, ob die Bekanntheit der älteren Marke auf der Grundlage einer in anderer Form dargestellten Marke begründet werden könne, in der aufgehobenen Entscheidung der Beschwerdekammer weder aufgeworfen noch geprüft worden sei. Daher habe die die Beschwerdekammer nicht Pflicht erfüllt, dem aufhebenden Urteil nachzukommen (Verstoß gegen Art. 72 Abs. 6 der Verordnung Nr. 2017/1001).
Um einem Urteil, mit dem ein Rechtsakt für nichtig erklärt wird, nachzukommen und es vollständig umzusetzen, muss das EUIPO aber eine neue Entscheidung erlassen, die nicht nur den Tenor des Urteils, sondern auch die Gründe berücksichtigt, die zu diesem Urteil geführt haben und seine wesentliche Grundlage bilden.
Die Frage vor dem EuG war also: War das EUIPO verpflichtet zu prüfen, ob die erhöhte Unterscheidungskraft und die Bekanntheit der älteren Marke anhand einer anderen Marke der Klägerin, die in einer anderen Form präsentiert wurde, nachgewiesen werden können?
Beschwerdekammer hätte andere Form der Marke ONE prüfen müssen
Das EuG bejahte dies. Die Beschwerdekammer sei zu der Durchführung des aufhebenden Urteils verpflichtet gewesen, entschied das EuG, bei der erneuten Prüfung des Vorbringens der Klägerin zur erhöhten Unterscheidungskraft und zur Bekanntheit der älteren Marke die Frage aufzuwerfen, ob diese Bekanntheit auf der Grundlage einer in anderer Form eingetragenen Marke begründet werden konnte, und insbesondere zu prüfen, ob die Elemente, die diese beiden Marken der Klägerin unterschieden, es den maßgeblichen Verkehrskreisen ermöglichten, die fraglichen Waren als von derselben Herkunft stammend wahrzunehmen.
Da aber die Beschwerdekammer nur darauf hinwies, dass das Gericht selbst die Frage geprüft habe, ob die ältere Marke erhöhte Unterscheidungskraft aufweist, habe sie keineswegs die Pflicht der eigenen erneuten Prüfung erfüllt, erklärte das EuG. Das Gericht aber hatte in dem aufhebenden Urteil die Möglichkeit offen gelassen, die gesteigerte Unterscheidungskraft und die Bekanntheit der älteren Marke in einer anderen Form entsprechend dem Vorbringen der Klägerin im Verfahren vor dem EUIPO festzustellen, denn von der Beschwerdekammer war dies in Bezug auf die ältere Marke bisher weder aufgeworfen noch geprüft worden.
Das EuG verwies in diesem Kontext auch auf die Rechtsprechung des EuGH, dass im Fall der Aufhebung einer Entscheidung des EUIPO durch das Gericht die Gründe, mit denen dieses bestimmte von den Parteien geltend gemachte Argumente zurückgewiesen hat, nicht als rechtskräftig angesehen werden können (EuGH, Juli 2018, Nestlé gegen Mondelez, C-84/17 P, C-85/17 P und C-95/17 P, EU:C:2018:596, Rn. 53).
Das EuG gab daher der Klage von Nestlé gegen die angefochtene Entscheidung der Beschwerdekammer statt und hob diese Entscheidung auf. Die Beschwerdekammer des hat gegen Art. 72 Abs. 6 der Verordnung Nr. 2017/1001 verstoßen, lautet das Urteil.
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