In dem Markenstreit Pollini gegen Collini ging es nicht nur um die Verwechslungsgefahr. Das EuG entschied über das Auslassen der Überprüfung von Benutzung der älteren Marke aufgrund der Ansicht der Widerspruchsabteilung, es liege keine Verwechslungsgefahr vor.
In dem interessanten Markenstreit Pollini gegen Collini, der aktuell vom EuG entschieden wurde (15. Dezember 2021, T‑69/2) geht es einerseits um die Überprüfung einer Verwechslungsgefahr zwischen den beiden Marken. Das ist schon als solches interessant, denn die ältere Marke ist die nationale italienische Wortmarke Pollini mit Markenschutz seit 1972, die jüngere Streitmarke dagegen ist eine Europäische Wort- und Bildmarke mit einer stilisierten Darstellung eines Fuchses, die der Kläger Carmine Rotondaro (Monaco) 2016 anmeldete. Beide Marken beanspruchen Waren der Nizza-Klassen 18 und 25, im wesentlichen: Taschen, Bekleidung und Fashion.
Auslassen der Überprüfung von Benutzung der älteren Marke
Mindestens ebenso interessant ist aber auch der zweite große Aspekt in diesem Fall: Die Widerspruchsabteilung des EUIPO hatte die im Verfahren geforderte Überprüfung von ernsthafter Benutzung der älteren Marke auslassen, weil sie der Ansicht war, es liege keine Ähnlichkeit für eine Verwechslungsgefahr vor. Die Frage war also, hatte die nachfolgend angerufene Beschwerdekammer des EUIPO, die diese Entscheidung der Widerspruchsabteilung aufhob und die Sache an sie zurückverwies, weil die Beschwerdekammer sehr wohl eine Ähnlichkeit zwischen den Marken feststellte, fehlerfrei feststellen können, dass diese Ähnlichkeit eine umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr erforderte?
Diese Fragestellung ist deshalb so interessant, weil sich darin mehrere Vorgaben aus Rechtsprechung sowie Richtlinien des EUIPO überlagern.
Denn wenn zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen keine Verwechslungsgefahr besteht, muss der Nachweis der Benutzung der älteren Marke nicht geprüft werden, gibt die Rechtsprechung des EuG bereits seit vielen Jahren vor (EuG 2005, T-296/02, Rn. 43). Das aber gilt nicht, wenn festgestellt wird, dass ein geringer Grad der Ähnlichkeit zwischen den Zeichen besteht – oder doch? Die Richtlinien des EUIPO geben nämlich vor, dass eine solche Prüfung nicht vorzunehmen sei, wenn sie sich nicht auf das Endergebnis des Widerspruchsverfahrens auswirken könne (interne Richtlinien des EUIPO, Teil C, Abschnitt 6, Randnr. 3.7.2), wie der Kläger Carmine Rotondaro geltend machte.
Auch das höchste Europäische Gericht (EuGH) hat eine klare Rechtsprechung in Bezug auf ältere Marken in Beschwerdeverfahren. In der viel beachteten Entscheidung mobile.de von 2018 entschied der EuGH, dass die Frage nach dem Nachweis der ernsthaften Benutzung einer älteren Marke vor der Entscheidung über den Widerspruch als solchen zu klären sei und dies in diesem Sinne eine „Vorfrage“ darstelle.
Und gemäß Art. 71 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001 kann die Beschwerdekammer entweder die Befugnisse der Stelle, die die streitige Entscheidung getroffen hat, ausüben oder die Sache zur Fortsetzung des Verfahrens an diese Stelle zurückverweisen.
EuG: Fehlen des Nachweises zur Benutzung der älteren Marke
Der Entscheidung des EuG befasste sich daher zum einen mit dem Fehlen der Überprüfung des Nachweises zur Benutzung der älteren Marke. Die Beschwerdekammer habe zu Recht im Wesentlichen festgestellt, entschied das EuG, dass die Widerspruchsabteilung die Möglichkeit einer Verwechslungsgefahr zu Unrecht verneint habe, und dass sie daher den Nachweis der Benutzung der älteren nationalen Marke hätte prüfen müssen. Das EuG verwies auf das mobile.de Urteil des EuGH, demnach dies eine „Vorfrage“ vor dem eigentlichen Widerspruch darstellt.
Das EuG erklärte, dass die genannten internen Richtlinien des EUIPO sich auf den Fall beziehen, wenn die Verwechslungsgefahr fehlt. Wenn aber – wie im vorliegenden Fall – die Verwechslungsgefahr nicht ausgeschlossen werden kann, könne sich der Kläger nicht mit Erfolg auf die genannten Bestimmungen der internen Richtlinien des EUIPO berufen, entschied der EuG.
EuG: Ähnlichkeit zurecht festgestellt
Im anderen Teil der Entscheidung „Pollini vs. Collini“ überprüfte das EuG die Ähnlichkeit zwischen den Marken, die von der Beschwerdekammer – entgegen der Ansicht der Widerspruchsabteilung – festgestellt worden war. Diese Ähnlichkeit sei zurecht festgestellt, urteilte das EuG und erläuterte dies.
Es bestehen zwar Unterschiede zwischen den Zeichen, erklärte das EuG, und zwar durch den Anfangsbuchstaben und in der stilisierten Darstellung eines Fuchses in der jüngeren Streitmarke Collini. Doch im Übrigen stimmen die Zeichen im Vergleich der beiden Marken überein, und zwar die komplette Buchstabenfolge -ollini. Denn Verbraucher würden trotz der stilisierten Darstellung den Buchstaben „o“ in der Streitmarke Collini erkennen.
Daher sei sowohl klangliche als auch bildliche Ähnlichkeit festzustellen, entschied das Gericht, und dies werde auch nicht aufgehoben durch den Vergleich der begrifflichen Ähnlichkeit (der wiederum ergibt, dass beide Marken Familiennamen darstellen; aber keiner von ihnen besitzt eine besondere Bekanntheit).
Unter diesen Umständen sei die Beschwerdekammer, nachdem zurecht zu dem Ergebnis gelangt war, dass eine Verwechslungsgefahr bestehen könne in Bezug auf die italienische ältere Marke, gemäß Art. 71 der Verordnung 2017/1001 berechtigt, deren Entscheidung aufzuheben und die Sache an sie zurückzuverweisen. Das EuG betonte, dass sie dazu berechtigt war, ohne selbst eine Prüfung der von der Streithelferin vorgetragenen relativen Eintragungshindernisse vorzunehmen, einschließlich desjenigen, das auf das Bestehen einer Verwechslungsgefahr mit der älteren EU-Marke gestützt wurde.
Die Klage gegen die Entscheidung der Beschwerdekammer wurde daher vollständig zurückgewiesen.
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Quellen für Text und Bild:
EuG, T‑69/21 und allgemeine Rechtsprechung
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