Es gibt mehr als 2000 Markeneintragungen mit dem Element ‚Cloud‘ – zum Beispiel die Apple Marke ICloud. Aber „die Cloud“ ist doch ein allgemeiner Begriff für Cloud Computing und Datenspeicherung im Internet. Ist ‚Cloud‘ also beschreibend für diesen Bereich?
Das Europäische Gericht für Markenverfahren (EuG) hat sich in jüngerer Zeit bereits mehrfach mit dem Thema ‚Cloud‘ als Begriff für Cloud Computing und Datenspeicherung beschäftigt. Zusammengefasst ist festzustellen: man sollte nicht einfach voraussetzen, dass „die Cloud“ ein Begriff für Cloud Computing ist.
EuG 2017: DriCloud versus Apple’s ICloud
2017 stellte der EuG fest, dass ein Teil des Publikums, nämlich das englischsprachige Publikum, die Bedeutung des englischen Wortes ‚Cloud‘ verstehen und es mit „Cloud Computing Services“ in Verbindung bringen würde. Inhaltlich ging es in diesem Fall (EuG: DriCloud vs. ICloud, T‑223/16) um den Vorwurf von Apple, die eigene Marke ICloud werde durch die Markenanmeldung DriCloud verletzt – die Apple im Übrigen für sich entscheiden konnte.
Interessant ist in diesem Urteil in Bezug auf das Element „Cloud“ vor allem, was der EuG erläuterte: Ein Teil des Publikums in der Europäischen Union verstehe das englische Wort ‚Cloud‘ nicht und bringe es auch nicht mit dem Ausdruck „Cloud Computing“ in Verbindung, urteilte der EuG. Außerdem bestehe dieser Zusammenhang noch nicht einmal aus der Sicht des englischsprachigen Publikums mit dem Wort „ICloud“.
Eine interessante Feststellung des Gerichts im Jahr 2017 – als digitaler Umbau und die Nutzung von Cloud Computing bereits Alltag in Industrie und Unternehmen war.
2020: „wi-fi powered by the cloud“ – beschreibend für digitale Datenerfassung?
Auch in 2020 stuft der EuG den Begriff ‚Cloud‘ noch immer nicht als so allgegenwärtig für Cloud Computing ein, wie man annehmen könnte. Im September 2020 (EU:T:2020:441) lehnte der EuG es ab, eine Wort- und Bildmarke „“wi-fi powered by“ und „the cloud“ mit einem deutlichen figurativem Element in Form einer Wolke für nichtig zu erklären. Die Streitmarke beansprucht zahlreiche Dienstleistungen in den Nizza-Klassen 9, 38 und 41, vor allem digitale Datenerfassung, -speicherung, -verarbeitung und -übertragung.
Die Klägerin, die den Antrag auf Nichtigkeit der Cloud Marke gestellt hatte, argumentierte, dass sich der Bestandteil ‚the cloud‘ der angefochtenen Marke auf ein Modell für die Nutzung von Rechenressourcen im Internet beziehe, das als „Cloud Computing“ bekannt sei, seit den 70er Jahren existiere und einen universellen, bequemen und bedarfsgerechten Netzzugang zu einer gemeinsamen Menge konfigurierbarer Rechenressourcen biete.
Wikipedia Auszug ist kein vollwertiger Nachweis
Als Nachweis legte sie dem EUIPO als Beweismittel einen Auszug aus der Enzyklopädie Wikipedia vom 1. März 2016 vor, demnach die Verwendung des Ausdrucks ‚the cloud‘ als Hinweis auf Cloud Computing zu verstehen ist.
Der EuG erkannte diese Argumentation jedoch nicht an. Online-Datenbanken wie die Enzyklopädie Wikipedia können zwar zum Nachweis des beschreibenden Charakters eines Zeichens herangezogen werden, erläuterte das Gericht – aber nur, wenn dies Bestätigungswert hat, um Informationen aus anderen Quellen zu bestätigen. Als Informationsquellen anerkannt sind wissenschaftliche Studien, Auszüge aus technischen Werken, Presseartikel und Erklärungen von Fachleuten, Händlern und Verbrauchern – nicht aber ein Wikipedia Eintrag als einziger Nachweis.
Da die Klägerin vor dem EUIPO keine weiteren Beweismittel vorlegt hatte und als selbstverständlich die Annahme voraussetzte, ‚Cloud‘ werde als Cloud Computing verstanden, wurde die Klage vom EuG abgewiesen wegen fehlender Beweismittel für den Einwand, die Marke sei beschreibend für digitale Datenerfassung. In Konsequenz dessen wurden die Entscheidungen der Nichtigkeitsabteilung und der Beschwerdekammer bestätigt, in denen der Antrag auf Nichtigkeit der Marke abgelehnt worden war.
Cloud = Cloud Computing – in der Presse ganz klar
Wir ergänzen an dieser Stelle: bereits 2012 galt Cloud Computing in der Fachpresse als Trend und listete Google als auch Amazon als Cloud Anbieter (Quelle: Cloudlist). Und 2016 brachten sowohl das U.S. Magazin Bloomberg als auch in Deutschland die Computerwoche „Die Top 5 Cloud-Trends für 2017“ heraus. Neben Google und Amazon wurden in der Presse nun natürlich auch Microsoft (Azure) und IBM genannt.
Eine Umfrage des Verbands Bitkom und der Beratungsgesellschaft KPMG von 2017 zeigte: Im Jahr 2017 nutzten zwei Drittel der deutschen Unternehmen die ‚Cloud‘ für ihre Arbeit, weitere 21 Prozent planten oder diskutierten diesen Schritt. Auch das renommierte Forbes Magazin informierte 2017, dass 73 % der Unternehmen den Umstieg auf ein vollständig softwaredefiniertes Rechenzentrum innerhalb von 2 Jahren plane – in 2018 würden 80 % aller IT-Budgets in ‚Cloud‘ Lösungen fließen.
‚Die Cloud‘ im Urheberrecht
Auch das höchste Europäische Gericht (EuGH) hat sich bereits mit der ‚Cloud‘ auseinandergesetzt (EU:C:2017:913), und dies ebenfalls in der Bedeutung als Cloud Computing.
In seiner Entscheidung im November 2017 (EU:C:2017:913) urteilte der EuGH mit Blick auf das Urheberrecht über die – wörtlich – „Erbringung einer Dienstleistung der Bildaufzeichnung in der ‚Cloud‘ (Cloud-Computing) betreffend Kopien von urheberrechtlich geschützten Werken ohne Zustimmung des betreffenden Urhebers“. Im Mittelpunkt stand die Praxis von VCAST (eine Gesellschaft englischen Rechts), ihren Kunden im Internet ein System zur Bildaufzeichnung in einem Speicherbereich ‚in der Cloud‘ für terrestrisch ausgestrahlte Sendungen zur Verfügung stellt – auch von italienischen Fernsehstationen. Und dieser Speicherplatz der ‚Cloud‘ wird vom Nutzer bei einem anderen Anbieter erworben.
Zur Sicherheit wollte sich VCAST aus Italien die Feststellung der Rechtmäßigkeit seiner Cloud Praxis bestätigen lassen; doch Italien stellte dies als Vorlagefrage an den EuGH.
Der Generalanwalt erläuterte in seinem Schlussantrag: „Sobald eine Privatkopie eines geschützten Werks in einer Cloud aufgezeichnet ist, ist es dem Benutzer technisch möglich, diese Kopie mit einer unbestimmten und potenziell bedeutsamen Zahl dritter Personen zu teilen“.
In Bezug auf VCAST urteilte der EuGH abschließend, dass die von VCAST vorgenommene (Weiter-) Übertragung eine Mitteilung an ein anderes Publikum als das der ursprünglichen Übertragung darstellt und daher die Zustimmung des Urheberrechtsinhabers oder des Inhabers verwandter Schutzrechte erhalten muss. Der von VCAST erbrachte Dienst habe eine doppelte Funktion, nämlich sowohl die Vervielfältigung als auch die Zurverfügungstellung geschützter Werke zu gewährleisten. Ein solcher Fernaufzeichnungsdienst könne nicht unter die Ausnahme für Privatkopien fallen.
Fazit
Die hier genannten Urteile sind umso erstaunlicher, als der Begriff „smart“ und auch der Vokal „I“ vom Europäischen Gericht längst im Sinne der digitalen Welt eingeordnet und ausgelegt wird. Wer sich jetzt fragt, wieso überhaupt Apple erlaubt wurde, den Begriff „ICloud“ als Marke zu schützen, dem sei gesagt: dieser Markenname steht bereits seit 2002 unter Schutz, auch in dieser Hinsicht war Apple ein bisschen der Zeit voraus.
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Quellen:
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