Generalanwalt sieht Amazon mit seinem Programm „Versand durch Amazon“ als mitverantwortlich für Waren in diesem Programm und auch für etwaige Markenverletzungen über die Amazon Plattform. Wenn der EuGH im Fall Coty vs. Amazon dem heutigen Schlussantrag des GA folgt, wäre dies ein Paradigmenwechsel im Onlinehandel.
Nach geltenden Vorschriften hat der Inhaber der Unionsmarke das Recht, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr unter dem Zeichen Waren anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen. Doch gilt das auch für eine Online Handelsplattform wie Amazon, die nur als Vermittler für die Ware auftritt?
Heute hielt der Generalanwalt des EuGH seinen Schlussantrag im Fall Coty versus Amazon und dem Parfum Davidoff Hot Water. Der Generalanwalt musste daher im Kern beantworten, ob der sogenannte Dritte Kenntnis haben muss vom eigenen Rechtsverstoß, wenn man das Recht auf Verkaufsverbot durchsetzen möchte.
Der Sachverhalt
Im vorliegenden Fall, der bisher in Deutschland verhandelt wurde und vom Bundesgerichtshof (BGH) zur Vorabentscheidung dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorgelegt wurde, bittet der BGH um die Auslegung von Art. 9 Abs. 2 Buchst. b GMV und Art. 9 Abs. 3 Buchst. b UMV.
Klägerin Coty vertreibt Parfums und ist Markeninhaberin der Unionsmarke Nr. 876874 DAVIDOFF. 2014 bestellte ein Testkäufer der Klägerin über die Webseite Amazon.de ein von einer dritten Verkäuferin angebotenes Parfum „Davidoff Hot Water EdT 60 ml“. Der Verkauf war gekennzeichnet mit dem Vermerk „Versand durch Amazon“.
Auf der Webseite amazon.de eröffnet die Beklagte Amazon im Bereich „Amazon-Marketplace“ Drittanbietern die Möglichkeit, Verkaufsangebote einzustellen. Die Kaufverträge über die so vertriebenen Waren kommen zwischen den Drittanbietern und den Käufern zustande. Die Drittanbieter haben die Möglichkeit, sich an dem Programm „Versand durch Amazon“ zu beteiligen, bei dem die Waren durch Gesellschaften des Amazon-Konzerns gelagert werden und der Versand über externe Dienstleister durchgeführt wird.
Im Rahmen des Programms „Versand durch Amazon“ hatte die Amazon Marketplace die Beklagte zu 3 (ist in Graben in Deutschland ansässig und betreibt dort ein Warenlager) mit der Lagerung der Ware dieser Verkäuferin beauftragt. Coty mahnte die Verkäuferin ab mit der Begründung, es habe sich dabei um nicht erschöpfte Ware gehandelt. Darauf gab die Verkäuferin eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab.
Nun forderte Coty die Amazon MarketPlace zur Herausgabe aller .Davidoff Hot Water EdT 60 ml“-Parfums der Verkäuferin auf. Amazon reagierte und übersandte ein Paket mit der „Shipment Reference“ TT0034894719, das 30 Stück dieser Parfums enthielt – allerdings stammten elf der übersandten 30 Stück aus dem Lagerbestand eines anderen Verkäufers. Klägerin Coty forderte also die Herausgabe von Name und Anschrift dieses anderen Verkäufers. Vergebens, denn Amazon teilte mit, dass nicht mehr nachvollzogen werden könne, aus welchem Warenbestand die genannten elf Stück stammten. Coty klagte auf Markenverletzung gemäß Art. 9 GMV und Art. 9 UMV.
Das Landgericht (19.01.2016 – 33 O 23145/14) wies die Klage ab und auch die Berufung der Klägerin blieb erfolglos (OLG München, 29.09.2016 – 29 U 745/16). Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass die über das Angebot „Amazon Marketplace“ geschlossenen Kaufverträge zwischen Käufern und Drittanbietern zustande kommen, so dass – entgegen der Auffassung der Revision – kein faktischer Eigenvertrieb der Beklagten vorliegt.
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Generalanwalt sieht Amazon Marketplace mitverantwortlich
In seinem heutigen Schlussantrag hat der Generalanwalt einen Paradigmenwechsel für den Onlinehandel eingeläutet. Nach bisheriger Rechtsprechung des EuGH benutzt der Betreiber die Marke nicht bereits dann, wenn er sie auf seinem Online-Marktplatz zugunsten eines Verkäufers anzeigt (Urteil vom Juli 2011, L’Oréal (C‑324/09, EU:C:2011:474). Dies aber gelte nur solange, soweit der Online-Marktplatz lediglich die technischen Grundlagen bereitstellt, führte der Generalanwalt im heute verhandelten Fall Coty vs. Amazon aus.
Für Waren aus dem Programm des Amazon Marketplace und unter dem Angebot „Versand durch Amazon“ trete Amazon aber nicht als neutraler Vermittler auf, sondern weise die Merkmale einer aktiven Beteiligung am Inverkehrbringen der Waren auf, erläuterte der Generalanwalt. Auch eine Nichtkenntnis einer Markenverletzung im Rahmen dieses Programms entbinde Amazon nicht unbedingt von der Haftung. Denn die wesentliche Beteiligung von Amazon am Inverkehrbringen der Ware im Amazon Marketplace führe dazu, dass von Amazon im Hinblick auf die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der gehandelten Waren besondere Sorgfalt verlangt werden kann, entschied der Generalanwalt.
Dies gelte umso mehr, als von ihr vernünftigerweise verlangt werden konnte, dass Amazon die für die Aufdeckung der geltend gemachten Markenverletzung notwendigen Mittel bereitstellt.
Amazon habe zusammen mit dem Verkäufer den Zweck verfolgt, die streitige Ware anzubieten oder in den Verkehr zu bringen. Daher empfiehlt der Generalwalt in seinem Schlussantrag dem EuGH, Art. 9 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 so auszulegen, dass
- eine Person nicht für einen Dritten (Verkäufer) markenrechtsverletzende Waren zum Zweck des Anbietens oder Inverkehrbringens lagert, wenn sie vom Rechtsverstoß keine Kenntnis hat und allein der Dritte beabsichtigt, die Ware anzubieten oder in Verkehr zu bringen.
- Ist diese Person im Rahmen eines Programms, das die Eigenschaften des sogenannten „Versand durch Amazon“-Programms aufweist und dem der Verkäufer vorliegend beigetreten ist, aktiv am Vertrieb dieser Ware beteiligt, kann hingegen davon ausgegangen werden, dass sie die Ware zum Zweck des Anbietens oder des Inverkehrbringens lagert.
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Quelle:
Schlussantrag Generalanwalt Coty vs. Amazon EU:C:2019:1031
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