Das erste Urteil zu FRAND-Regeln für SEPs seit 2015 wurde jetzt Anfang Mai 2020 vor dem BGH entschieden im Fall Fall Sisvel vs. Haier. Der BGH legt strenge Maßstäbe an die Lizenzbereitschaft und die Anforderungen an ‚willige‘ Lizenznehmer. Das Urteil stärkt die SEP Patentinhaber.
Anfang Mai 2020 hat der Bundesgerichtshof (BGH) das erste Urteil zu FRAND-Regeln für Standard-essentiellen Patenten (SEPs) getroffen seit dem wegweisenden Urteil Huawei vs. ZTE des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) von 2015. Dieses Urteil des EuGH ist bekannt für das darin skizzierte „Pingpong“ Verfahren, demnach ein SEP-Inhaber nur dann auf Unterlassung klagen kann, wenn er dem angeblichen Patentverletzer vorher eine Lizenz zu FRAND-Bedingungen angeboten hat. Dieser muss wiederum erkennen lassen, dass er willig ist, eine Lizenzvereinbarung einzugehen.
In der Praxis ist dies oftmals ein Spiel um den Schwarzen Peter. Denn wie hoch die konkrete Lizenzgebühr einem Angebot sein darf, hat der EuGH nicht als Rahmen vorgegeben. Ebenso ist noch nicht geklärt, wer die Beweislast für die FRAND-Konformität des Lizenzangebots (und damit womöglich auch die Offenlegung des Inhalts aller abgeschlossenen Drittlizenzen) zu erbringen hat.
Anforderungen an ‚willige‘ Lizenznehmer
Und wann ist eigentlich ein vermeintlicher Patentverletzer ‚willig‘ zu einer Lizenzvereinbarung? In dem Fall Sisvel vs. Haier, der am 05.05.2020 vor dem BGH entschieden wurde (KZR 36/17), befasste sich das Gericht vor allem mit dieser letzten Frage, welche Anforderungen an einen ‚willigen‘ potentiellen Lizenznehmer zu stellen sind. Der BGH legt in seinem Urteil strenge Maßstäbe an die Lizenzbereitschaft und stärkt die Patentinhaber von SEPs.
Hintergrund des Falls Sisvel vs. Haier
SISVEL INTERNATIONAL S.A (Luxemburg) als Patentinhaber des SEP (SEP EP 08 52 885) klagte von vor dem Düsseldorfer Landgericht gegen Haier Mobilfunkgeräte (China) mit dem Vorwurf der Patentverletzung. Das LG gab dem statt, die Berufungsinstanz hob dies jedoch wieder auf.
Auch das OLG Düsseldorf gab Haier Recht und urteilte, Haier sei kein FRAND-gemäßes Angebot gemacht worden, wie es aber Pflicht ist für Patentinhaber eines SEP. Das OLG bezog sich dabei ausdrücklich auf einen Drittlizenzvertrag, den Sisvel mit einem chinesischen Staatsunternehmen abgeschlossen hatte, und der wesentlich bessere Konditionen bot als das Lizenzangebot von Sisvel an Haier.
Sisvel ging in Revision gegen das Urteil des OLG Düsseldorf, allerdings war inzwischen das Klagepatent vom BPatG und auch in nächster Instanz vom BGH eingeschränkt worden. Daher legte Haier eine Anschlussrevision ein und argumentierte, dass gar keine Patentverletzung mehr vorliege gegen das Klagepatent in seiner eingeschränkten Form.
Vor dem Kartellsenat des BGH fand zu diesem Fall schließlich am 05.05.2020 eine mündliche Verhandlung statt, in deren Anschluss der BGH sein Urteil (KZR 36/17) traf.
Missbrauch im Sinne des Art. 102 AEUV
Grundsätzlich sah der BGH die Patentverletzung durch Haier gegen Sisvel als erwiesen an. Außerdem berief sich Haier vergeblich auch das Kartellrecht. Sisvel habe zwar eine marktbeherrschende Stellung, würde diese jedoch nicht missbrauchen, urteilte das Gericht.
Ein Missbrauch im Sinne des Art. 102 AEUV liegt dann vor, wenn der lizenzsuchende Benutzer ein FRAND-gemäßes Angebot macht, der Patentinhaber dieses aber nicht annimmt. Aber die FRAND-Bedingungen sind fast immer der Streitpunkt, so war es auch in dem wegweisenden Urteil Huawei vs. ZTE des EuGH.
Unwilliger Lizenznehmer
Der BGH betonte jedoch, dass potenzielle SEP-Verletzer wie Haier in der Pflicht stehen, rechtzeitig und möglichst konkret selbst ein Angebot zu machen, wie der EuGH 2015 in Huawai vs. ZTE vorgegeben hat. Das jedoch habe Haier nicht getan und sei somit als unwilliger Lizenznehmer zu sehen.
Dies entspricht auch dem EuGH Urteil, demnach beide Parteien den erkennbaren Willen zeigen sollen, eine FRAND-gemäße Lizenz abzuschließen. Allerdings hat der EuGH keine formelle Vorgabe zu den Anforderungen an FRAND-Bedingungen gemacht, eine Einigung ist daher im Grunde nur möglich, wenn beide Seiten willens seien, miteinander zu kooperieren.
Seitenblick auf Huawei vs. Unwired
Interessant ist daher auch das erst kürzlich erfolgte Urteil durch das OLG Düsseldorf (Akz. I-2 U 31/16) im Fall Huawei vs. Unwired Planet. Das Gericht forderte in seinem Urteil klare FRAND-Regeln, um sicherzustellen, dass die Übertragung von SEPs die potentiellen Lizenznehmer nicht diskriminiert.
Inzwischen haben Unwired und Huawei jedoch Ende April 2020 einen Vergleich geschlossen, der ihren Rechtsstreit sowohl in den USA und als auch in Deutschland beendet. Der Bundesgerichtshof bestätigte, dass die Parteien den anhängigen FRAND-Fall (Aktenzeichen: 10 ZR 33/19) zurückgezogen haben, von Seiten des BGH kann daher kein Urteil mehr zu Huawei vs. Unwired Planet erfolgen – sehr schade im Sinne der Rechtssicherheit.
BGH hob Urteil des OLG Düsseldorf auf
Im vorliegenden Fall Sisvel vs. Haier jedenfalls urteilte der BGH, nach dem Verletzungshinweis des Patentinhabers eines SEP habe der Nutzer eines SEP Patents seinen ausdrücklichen Willen zu bekunden, eine Lizenz zu FRAND-Bedingungen abzuschließen. Haier jedoch habe zu keinem Zeitpunkt diese Bereitschaft unter allen Bedingungen geäußert, sofern diese FRAND-konform sind.
Der BGH hob das Urteil des OLG Düsseldorf in der Sache Sisvel gegen Haier auf, da sich Haier nicht als williger Lizenznehmer verhalten habe, urteilte der BGH.
Sisvel vs. Haier: staatlicher Druck durch China
Leider liegen die Urteilsgründe noch nicht zu öffentlichen Einsicht vor. Denn spannend ist auch die Einordnung des BGH in Bezug auf den Drittlizenzvertrag von Sisvel mit einem chinesischen Staatsunternehmen, den das OLG Düsseldorf berücksichtigt hatte. Sisvel hatte argumentiert, dass der besagte Lizenzvertrag unter Einflussnahme des chinesischen Staates abgeschlossen worden sei. Doch kann staatlicher Druck – vor allem staatlicher Druck durch China – auf ein Unternehmen eine Ungleichbehandlung im Sinne der FRAND-Bedingungen rechtfertigen?
Das Klagepatent ist inzwischen im Übrigen abgelaufen. Dennoch findet ein weiterer Rechtsstreit zwischen den beiden Parteien Sisvel und Haier in Deutschland statt, in dem es um ein anderes SEP und eine etwaige Patentverletzung bzw. die FRAND-konforme Lizenzvereinbarung geht.
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