Ein ergänzendes Schutzzertifikat kann nicht auf ein Arzneimittel erteilt werden, das im Grundpatent geschützt und in Verkehr gebracht ist – auch wenn das Erzeugnis eine neue Formulierung eines „alten“ Wirkstoffs darstellt. So empfiehlt es der Generalanwalt des EuGH heute in einer wichtigen SPC Vorabentscheidung im Fall Abraxis und Abraxan.
Abraxan ist neue Formulierung auf „alten“ Wirkstoff
Im Mittelpunkt des Rechtsstreits steht das ergänzende Schutzzertifikat (ESZ, engl. SPC ) für das Krebsmedikament Abraxan. Die Abraxis Bioscience LLC („Abraxis“) beantragte die Erteilung eines ergänzenden Schutzzertifikats („SPC“) für eine Kombination von Stoffen, die den Wirkstoff Paclitaxel in Form von an Albumin gebundenen Nanopartikeln enthalten. Dabei ist ein Teil des internationalen Krebsmedikament Paclitaxel mit dem Protein Albumin beschichtet. Abraxis nennt diese Kombination von Substanzen „nab-paclitaxel“ und vermarktet sie unter dem Namen Abraxan. Nab-Paclitaxel ist durch das europäische Patent (UK) Nr. EP 0 961 612 geschützt.
Abraxis beantragte ein SPC auf der Grundlage des Basispatents. Die gewünschte SPC Anmeldung für Abraxan wurde im August 2016 jedoch mit der Begründung zurückwiesen, dass der Wirkstoff einfach „Paclitaxel“ sei, und nab-paclitaxel sei daher eine neue Formulierung von Paclitaxel. Die Bedingung des Artikels 3 Buchstabe d der Verordnung Nr. 469/2009 sei nicht erfüllt sei, da diese Genehmigung nicht die erste Zulassung für Paclitaxel sei.
Abraxis legte Widerspruch ein und berief sich auf das anderslautende Urteil im Fall Neurim. Das in Neurim gewährte SPC ist im April 2017 ausgelaufen, aber die Fragen nach seinem Umfang sind nun auch in der heutigen Vorabentscheidung erneut ein Thema. Darüber hinaus wies Abraxis darauf hin, dass SPCs für Nab-Paclitaxel in neun Mitgliedstaaten (Dänemark, Griechenland, Spanien, Frankreich, Italien, Luxemburg, Österreich, Portugal und Finnland) gewährt und in zwei Mitgliedstaaten (Schweden und dem Vereinigten Königreich) abgelehnt wurden, also eine sehr uneinheitliches Ergebnis der SPC-Anmeldungen von Abraxis in ganz Europa.
Der High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division (Patents Court), Vereinigtes Königreich, bat den Gerichtshof daher um eine Auslegung von Artikel 3 Buchstabe d) der Verordnung (EG) Nr. 469/2009 über das ergänzende Schutzzertifikat für Arzneimittel. Die Auslegung dieser Frage stellt die rechtlichen Weichen für den Umfang der für den SPC Schutz in Frage kommenden neuen Innovationen.
Schlussantrag legt SPC Schutz für Formulierungen restriktiv aus
In seiner heutigen Entscheidung bestätigt der Generalanwalt im Schlussantrag die Ablehnung des von Abraxis beantragten SPC. Wenn die Genehmigung für das Inverkehrbringen, auf die sich der Antrag ein SPC stützt, nicht die erste Genehmigung für das Inverkehrbringen des Wirkstoffs oder der Kombination von Wirkstoffen ist, um die es als Arzneimittel geht, könne kein SPC erteilt werden. Dies gelte auch in einer Situation, wie sie im Ausgangsverfahren streitig ist, in der die angewandte Genehmigung für das Inverkehrbringen als erste die Formulierung umfasst, die durch das Basispatent geschützt ist, auf das man sich bei der Beantragung eines ergänzenden Schutzzertifikats nach Artikel 3 Buchstabe a) der genannten Verordnung stützt.
Der Generalanwalt ist der Auffassung, dass die restriktive Auslegung des Begriffs „Produkt“ im Sinne von Artikel 1 Buchstabe b) dieser Verordnung durch den Gerichtshof in seiner ständigen Rechtsprechung nicht durch eine weite Auslegung des Begriffs „Erstgenehmigung für das Inverkehrbringen des Produkts als Arzneimittel“ im Sinne von Artikel 3 Buchstabe d) dieser Verordnung umgangen werden könne. Sollte der Gerichtshof nicht dieser Auffassung sein, kündigt der Generalanwalt an, prüfen zu wollen, die Anwendung des Schutzumfangs der grundlegenden Patentprüfung auf bestimmte Situationen zu beschränken.
Aktuelle Rechtsprechung zum Schutzumfang durch SPC
Es handelt sich um das zweite wichtige SPC Urteil des EuGH um das Krebsmedikament Paclitaxel innerhalb weniger Wochen. Erst Ende Oktober hatte der EuGH im Fall Boston Scientific geurteilt, dass ein ergänzendes Schutzzertifikat nur ein Erzeugnis schützen könne, das als Arzneimittel verwendet wird. SPC für Medizinprodukte sind jedoch nicht zulässig, auch nicht, wenn ein Bestandteil des Medizinprodukts arzneimittelrechtlichem Standard entspricht.
Die heutige Vorabentscheidung ergänzt die SPC Rechtsprechung, die der EuGH im Juli 2018 im Fall Teva vs. Gilead in seinem Urteil vorgegeben hat. Auch dort ging es um die Auslegung der SPC-Verordnung (Verordnung EG 469/2009). Ein Produkt, das aus mehreren Wirkstoffen mit kombinierter Wirkung bestehe, sei “durch ein gültiges Basispatent” im Sinne dieser Bestimmung geschützt, auch wenn die Kombination von Wirkstoffen, aus denen dieses Produkt besteht, in den Ansprüchen des Basispatents nicht ausdrücklich erwähnt wird, sich diese Ansprüche aber notwendigerweise und spezifisch auf diese Kombination beziehen. Jeder Wirkstoff muss am Prioritätstag des Patents im Wortlaut der Patentansprüche spezifisch und genau identifizierbar sein. So lautete das Urteil im Fall Teva Gilead ( EuGH Urteil im ESZ Streit um Gileads AIDS-Blockbuster ).
Fazit
Wenn der EuGH der heutigen Empfehlung des Generalanwalts folgt, bleiben die Möglichkeiten für neue pharmazeutische Formulierungen unter SPC Schutz weiterhin sehr schwierig. Besonders interessant ist daher ein SPC Urteil des Bundespatentgerichts aus diesem Jahr, in dem es positiv urteilte über die Erteilung eines ergänzenden Schutzzertifikats für eine durch ein Formulierungspatent geschützte Wirkstoffzusammensetzung. In dem Fall war allerdings das Adjuvans als Trägerstoff für die erfinderische Tätigkeit und somit die Erteilung des Grundpatentes ausschlaggebend gewesen; ein synergistischer Effekt der Wirkstoffkombination wurde nicht behauptet ( ESZ Erteilung für hexavalenten Impfstoff – auf ein Formulierungspatent ).
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Quelle:
C:2018:1020 Abraxis Bioscience LLC
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