Der BGH bestätigte die Nichtigkeit des ergänzenden Schutzzertifikats (SPC) auf Truvada. Vor allem enthält das Urteil die Festlegung der Kriterien, wann Wirkstoffkombinationen durch ein gültiges Grundpatent geschützt sind und darauf SPCs erteilt werden – als Leitsatzentscheidung Truvada.
Seit Jahren wurde über den Rechtsbestand des ergänzenden Schutzzertifikats (SPC) für den Aids-Blockbuster TRUVADA® vor Gericht verhandelt. Fokus des Rechtsstreits war die Frage, ob die Wirkstoffzusammensetzung Tenofovirdisoproxil und Emtricitabin durch das Grundpatent geschützt war. In der Vorinstanz hatte das Bundespatentgericht (BPatG) dazu das SPC für den Aids-Blockbuster Truvada von Gilead für nichtig erklärt (BPatG 4 Ni 12/17, 2018).
Gegen diese Entscheidung hatte Gilead Berufung vor dem Bundesgerichtshof eingelegt. Jetzt hat der BGH entschieden und mit seinem Urteil X ZR 172/18 die Entscheidung des Bundespatentgerichts von 2018 und die Nichtigkeit des Truvada SPC bestätigt. Das strittige SPC ist im Übrigen nicht mehr gültig, seine Laufzeit endete im Februar 2020.
Insofern eröffnete der Bundesgerichtshof (BGH) sein Urteil zu dem SPC auf Truvada mit dem Hinweis, dass auch nach Ablauf der Schutzdauer eines ergänzenden Schutzzertifikats ein Rechtsschutzinteresse für eine Nichtigkeitsklage vorliege, wenn nicht auszuschließen ist, dass der Kläger wegen Verletzung des Zertifikats in Anspruch genommen wird (PatG § 81).
Leitsatzentscheidung Truvada
Nicht nur in dieser Hinsicht ist das Urteil des BGH relevant. Es enthält auch die sogenannte Leitsatzentscheidung Truvada und damit eine wichtige Entscheidung für die Vergabe von SPCs auf Wirkstoffkombinationen.
Zu diesem Themenkomplex hat sich auch der EuGH in seinem Urteil vom Juli 2018 (Teva Gilead, EU:C:2018:585) deutlich geäußert, auch hier stand das Streitzertifikat von Truvada im Fokus. Der EuGH hat in diesem Teva-Gilead Urteil entschieden, dass ein Zertifikat für ein Erzeugnis, das aus mehreren Wirkstoffen besteht, die eine kombinierte Wirkung haben, nur dann erteilt werden darf,
- wenn die Kombination der Wirkstoffe notwendigerweise von der durch das Patent geschützten Erfindung erfasst ist
- und wenn jeder der Wirkstoffe in Wirkstoffkombinationen durch die offengelegten Angaben spezifisch identifizierbar ist
Die Wirkstoffkombinationen – weder geschützt noch identifizierbar
Beides ist jedoch im vorliegenden Fall Truvada nicht gegeben, stellte der BGH fest. Die genannte Wirkstoffkombination sei nicht notwendigerweise von der durch das Patent geschützten Erfindung erfasst. Zudem sei nicht jeder der beiden Wirkstoffe im dargelegten Sinn spezifisch identifizierbar.
Dies führte das BGH auch noch präzisier aus und gibt mehr Rechtssicherheit für Pharmahersteller. Der BGH legte die Kriterien fest, wann Wirkstoffkombinationen durch ein gültiges Grundpatent geschützt sind.
Wirkstoffkombinationen – vom Patent erfasst
Wenn nur einer der beiden zur Kombination gehörenden Wirkstoffe notwendigerweise von der geschützten Erfindung erfasst ist, gilt die Kombination von Wirkstoffen nicht als von dem Patent erfasst, entschied der BGH. Der Beschreibung des in Rede stehenden Grundpatents muss vielmehr zu entnehmen sein, dass die von ihm geschützte Erfindung speziell eine kombinierte Wirkung der beiden Stoffe betrifft.
Auch darf die Kombination der Wirkstoffe nicht nur optional vorgesehen sein, ergänzte der BGH. Ein Patentanspruch, der ein Merkmal nur optional vorsieht, sei nicht ohne weiteres gleichbedeutend mit einer Abfolge von zwei Patentansprüchen – einer mit einem Merkmal, der andere ohne.
Identifizierbarkeit der Wirkstoffe in Wirkstoffkombinationen
Auch die Frage, wann ein Wirkstoff als spezifisch identifizierbar gilt, entschied der BGH mit Deutlichkeit. Es genüge nicht, wenn der Wirkstoff weder nach seiner Struktur noch nach seiner Funktion näher bestimmt ist, setzte der BGH als Leitsatzentscheidung fest.
Blick zur Rechtsprechung des BPatG
Das BPatG hatte seiner Truvada Entscheidung ausgeführt, das zugrundeliegende Erzeugnis sei nicht durch das Grundpatent geschützt. Zwar könne es genügen, wenn er unter eine funktionelle Definition falle, hatte das BPatG eingeräumt. Erforderlich sei dann jedoch, dass sich der Patentanspruch stillschweigend, aber notwendigerweise auf den in Rede stehenden Wirkstoff beziehe, und zwar in spezifischer Art und Weise.
Auch urteilte das BPatG erst kürzlich im Fall Royalty Pharma – wir berichteten. Ein Erzeugnis, dass im Grundpatent nicht spezifisch identifizierbar ist, könne nicht als unter dessen Patentschutz stehend angesehen werden – obwohl es unter eine funktionelle Definition der Patentansprüche fällt, urteilte das BPatG.
Anforderung zur Identifizierbarkeit der Wirkstoffe
Die Deutlichkeit, mit der der BGH nun seiner Leitsatzentscheidung Truvada die Anforderung an die Identifizierbarkeit der Wirkstoffe in Wirkstoffkombinationen formuliert hat, gibt mehr Rechtssicherheit für Pharmahersteller. Gleichzeitig erhöht es in Deutschland aber auch die Hürden, aus bestehenden Patenten neue Wirkstoffkombinationen unter Schutz stellen zu können.
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Quellen:
BGH, X ZR 172/18 – Leitsatzentscheidung Truvada
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