Ein Vorabbild bei Instagram, ein Product Placement im Video – eine Offenbarung von Geschmacksmustern / Designs im Internet ist schneller erfolgt, als allgemein bekannt ist. Nun liegt eine Gemeinsame EU Entscheidungspraxis vor, insbesondere für die Beweismittel einer Offenbarung von Geschmacksmustern / Designs im Internet.
Im Zuge der Rechtsangleichung in Europa von Markenrecht – wir berichteten – und den Schutzrechten für Geschmacksmuster / Designs wurde auch eine gemeinsame EU Entscheidungspraxis beschlossen in Bezug auf die Offenbarung von Geschmacksmustern / Designs im Internet. Diese neue Entscheidungspraxis ist seit dem 1. April 2020 veröffentlicht und tritt 3 Monate später in Kraft; sie betrifft vor allem die Anerkennung von Beweismitteln einer Offenbarung von Geschmacksmustern / Designs aus dem Internet.
Viele Quellen einer Offenbarung im Internet
Denn die Quellen einer möglichen Offenbarung im Internet sind vielfältig: Webseiten, Apps, Social-Media, E-Mail, Product Placement, Filesharing (insbesondere Peer-to-Peer (P2P) und File hosting) und natürlich E-Commerce sorgen für die weltweite Veröffentlichung von Geschmacksmustern / Designs. Der entsprechende Passus in der EU Richtline zum Schutz von Mustern und Modellen (Artikel 6 Absatz 1 der Richtlinie 98/71/EG) enthält keine Einschränkung hinsichtlich des Ortes einer Offenbarung, daher führt jede Veröffentlichung im Internet und damit weltweit zu der Offenbarung von Geschmacksmustern / Designs. Online angebotene Produkte gehören entsprechend zum Formenschatz – so urteilte auch der BGH.
Das ist im Übrigen auch unabhängig von der Sprache der Veröffentlichung und gilt daher tatsächlich weltweit. Allerdings können im Einzelfall Sprachen einen Einfluss darauf haben, ob es den in der EU tätigen Fachkreisen möglich war, Kenntnis von der Offenbarung eines Geschmacksmusters im Internet zu erlangen.
Beweismittel einer Offenbarung im Internet
Beweismittel aus dem Internet sind dennoch umstritten in Verfahren um geschützte Designs. Denn Beweismaterial durch Erstellen eines Ausdrucks oder eines Screenshots der erfolgten Offenbarung im Internet ist zwar schnell erstellt und wird und wurde auch von Ämtern und Gerichten berücksichtigt. Doch ein absoluter Zeitpunkt der Veröffentlichung im Internet ist schwierig zu beweisen. Die neue Entscheidungspraxis befasst sich daher vor allem mit dem Maßgeblichen Zeitpunkt in den Beweismitteln aus dem Internet.
Ausdrucke und Screenshots – mit URL Quelle
Die Gemeinsame Entscheidungspraxis empfiehlt entsprechend, Ausdrucke und Screenshots Ausdrucke und Screenshots sollten idealerweise eine Information zur Quelle, aus der ihr Inhalt stammt (z. B. die URL-Adresse) sowie den maßgeblichen Zeitpunkt und das offenbarte Geschmacksmuster enthalten und sollten nicht manuell geändert werden. Die vorgelegten Beweise müssen selbstverständlich genau und von ausreichender Qualität sein. Werden in einem Ausdruck mehrere Designs gezeigt, muss eindeutig dasjenige Geschmacksmuster / Design markiert werden, das relevant ist.
In Bezug auf Beweismitteln aus Videos gibt es die Besonderheit, dass das Video selbst oder Aufnahmen derjenigen Teile, in denen das Geschmacksmuster erkennbar ist, vorgelegt werden müssen. Die bloße Nennung der URL des Videos ist nach neuer Entscheidungspraxis nicht ausreichend.
Maßgeblicher Zeitpunkt in den Beweismitteln aus dem Internet
Schwierig ist jedoch der nachweisliche Zeitpunkt der Offenbarung.
Wie kann der maßgebliche Zeitpunkt bestimmt werden, wenn in der Internetquelle kein Datum angegeben ist? Was ist der maßgebliche Zeitpunkt, wenn das Beweismaterial mehrere Zeitangaben enthält? Wie ist zu berücksichtigen, dass Dateien oftmals längere Zeit im Cache der Online Tools liegen, sie dann also gar nicht in aktueller Ansicht gezeigt werden?
Als Näherung empfiehlt die neue Gemeinsame Entscheidungspraxis anhand der von Suchmaschinen bereitgestellten relevanten Daten den Zeitpunkt der Offenbarung zu ermitteln, allerdings mit Vorsicht. Denn Suchmaschinen zeigen den Zeitpunkt, an dem das Tool die jeweilige Website im Cache gespeichert oder erfasst hat, nicht jedoch den Zeitpunkt der Veröffentlichung. Dennoch können diese Ergebnisse einen Hinweis geben, ab wann die öffentliche Darstellung online verfügbar war.
Daher wird empfohlen, WebsiteArchivierungsdienste wie die Website- WayBack Machine anstelle von Suchmaschinendiensten für den Nachweis des Zeitpunkts zu verwenden; allerdings ist dabei zu berücksichtigen, dass sich einzelne Teile dieser archivierten Website möglicherweise auf unterschiedliche Zeitpunkte beziehen.
Am besten gelingt der Nachweis des Zeitpunkts durch einen elektronischen Zeitstempel; dieser weist einer Datei, einer Nachricht, einer Transaktion, einem Bild usw. eine genaue Zeit zu und weist damit nach, dass der Inhalt zu einem bestimmten Zeitpunkt vorhanden war.
Beweismittel aus Filesharing
Für einen Nachweis der Offenbarung eines Geschmacksmusters über Filesharing reicht es nicht aus, lediglich einen von der Plattform stammenden Ausdruck mit einer Darstellung der indexierten Datei einzureichen. Es muss eine Verknüpfung zwischen dem Index der Datei und ihrem Inhalt hergestellt werden. Im Beweismaterial sollte gemäß neuer Entscheidungspraxis außerdem der Zeitpunkt der Offenbarung angegeben sein; im Allgemeinen gilt als dies der Zeitpunkt, zu dem die Datei zur gemeinsamen Nutzung bereitgestellt wurde.
Beweismittel aus E-Commerce Plattformen
E-Commerce-Plattformen geben häufig das Datum an, an dem das jeweilige Produkt zum ersten Mal zum Verkauf angeboten wurde; ist diese Information in einem Screenshot enthalten, gilt es als maßgeblich zur Feststellung des Zeitpunkts der Offenbarung. Darüber hinaus kann die spezifische Produktreferenz zu dem Geschmacksmuster nützlich sein, z. B. ein Name oder ein Code, denn in einem solchen Fall kann von E-Commerce-Plattformen stammendes Beweismaterial für die Offenbarung auch sogar ohne die Darstellung des Geschmacksmusters einen Beweiswert haben.
Zeitpunkt des Druckens = Offenbarung?
Bei Ausdrucken ist es wichtig, zwischen dem Zeitpunkt des Druckens des Dokuments und dem Zeitpunkt der Offenbarung eines Geschmacksmusters zu unterscheiden. Denn der Zeitpunkt des Ausdrucks wird nur dann als Zeitpunkt der Offenbarung angenommen, sofern nicht anhand der URL-Adresse oder durch Beweismaterial ein früherer maßgeblicher Zeitpunkt nachgewiesen werden kann. In der Gemeinsamen Entscheidungspraxis wird zudem darauf hingewiesen, dass ein urheberrechtlich relevantes Jahr, das normalerweise am unteren Ende einer Website angezeigt wird, nicht ausreicht, um den Zeitpunkt der Offenbarung nachzuweisen.
Zugangsbeschränkung ist keine Einschränkung der Offenbarung
Nur unter bestimmten Umständen kann angenommen werden, dass die Offenbarung den in der Europäischen Union tätigen Fachkreisen des betreffenden Wirtschaftszweigs vernünftigerweise nicht bekannt sein konnte. Als eine solche Einschränkung gilt nach neuer Entscheidungspraxis, wenn die Offenbarung unter der Bedingung der Vertraulichkeit erfolgte oder die Offenbarungsquelle technisch nicht zugänglich war. Doch Achtung: Dass die Offenbarungsquelle den Zugang mit einem Passwort einschränkt oder sich den Zugang zu zahlen ist, schließt jedoch nicht grundsätzlich aus, dass ein Geschmacksmuster als offenbart betrachtet wird.
Zu berücksichtigen sind in der neuen EU Entscheidungspraxis auch Gewohnheiten und Verhaltensweisen der Fachkreise des betreffenden Wirtschaftszweigs und in diesem Kontext auch die Sprache sowie mögliches Geoblocking.
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Quellen:
Gemeinsame EU Entscheidungspraxis ‚Offenbarung von Geschmacksmustern / Designs im Internet‘
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