Das Design eines Tischtuchs stand seit 2007 als eingetragenes EU Design unter Schutz. Doch nun wurde es für nichtig erklärt: die ältere Veröffentlichung eines ziemlich ähnlichen Serviette Designs widerlegte die Eigenart. Serviette gegen Tischtuch- und die Abbildung der Serviette in einem antikem US Zauberbuch (!) setzte sich durch.
Das jetzt für nicht erklärte und erfolgreich angefochtene Tischtuch Design wurde am 12. Januar 2007 als Gemeinschaftsgeschmacksmuster unter der Nr. 650627-0003 eingetragen. Erst knapp 10 Jahre später, im Februar 2016, stellte die Streithelferin, die Nap-Kings, SL (Spanien) gemäß Art. 52 der Verordnung Nr. 6/2002 einen Antrag auf Nichtigerklärung des Tischtuch Geschmacksmusters.
Sie machte geltend, das beanstandete Geschmacksmuster sei nicht neu und habe auch keine Eigenart, insbesondere im Vergleich zu dem Design einer Serviette, das in der zuvor offenbarten Veröffentlichung The Classics of Magic von Tom Osborne, Napkin Folding, erschienen war – ein in den Vereinigten Staaten veröffentlichtes Zauberbuch.
Antikes Zauberbuch widerlegt Neuheit und Eigenart
Nichtigkeitsabteilung und auch Beschwerdekammer des EUIPO stimmten dem Antrag auf Nichtigkeit zu mit Verweis auf die Veröffentlichung der sehr ähnlichen Serviette in dem genannten Buch „The Classics of Magic“. Die Beschwerdekammer ging in ihrer Begründung auch detailliert auf die fehlende Eigenart des Tischtuch Designs ein. Die Beschwerdekammer führte dabei aus:
- beide Geschmacksmuster seien Quadrate mit einer Umrahmung
- das genähte (und nicht gedruckte oder gezeichnete) Element des eingerahmten und gepunkteten Umfangs würde die Ähnlichkeit zwischen ihnen nicht beeinträchtigen
- die Tatsache, dass dieses genähte Element eine technische Funktion erfüllen kann, nämlich das Ausfransen zu verhindern, würde die Wahrnehmung der beiden Geschmacksmuster nicht beeinträchtigen, da die Umrandung kontextuell eine ästhetische oder ornamentale Funktion erfüllen würde, da es möglich gewesen wäre, eine andere geometrische Form zu wählen
Der Inhaber des angefochtenen Tischtuch Designs klagte gegen diese Entscheidung vor dem Europäischen Gericht (EuG). Insbesondere machte er geltend, das fragliche Zauberbuch mit der Abbildung der Serviette sei könne den Fachkreisen des Servietten- und Tischwäschesektors in der Union nicht bekannt gewesen sein, es sei denn durch Zufall. Denn bei Amazon beispielsweise wurde dieses Zauberbuch 2016 in die Rubrik „Humor- und Unterhaltungsbücher in der Unterkategorie Puzzles und Spielzeug“ eingeordnet – absolut fern von Tischwäsche.
Außerdem vertrat er die Ansicht, dass das Bestehen eines 1945 erteilten Urheberrechts in Bezug auf dieses Zauberbuch nicht ausreiche, um die konkrete Verbreitung dieses Buches vor der Anmeldung des streitigen Geschmacksmusters nachzuweisen. Ein Online Verkauf des Zauberbuchs über Amazon ließ sich erst nachweisen für den Zeitpunkt nach der Eintragung des Tischtuch Designs.
EuG: Falten von Servietten ist gemeinfrei
Das EuG wies seine Klage jedoch zurück. Das Gericht betonte, dass keineswegs der Umkehrschluss aus der Verfügbarkeit eines Buches auf Amazon gezogen werden kann, ob und wann eine Verbreitung dieses Buches stattgefunden hat, umso mehr, wenn man die Zeit der Veröffentlichung des Buches bedenkt (und der Gewährung des Urheberrechts nach dem US Copyright Act von 1909), und das war 1945.
Zudem habe der Autor dieses Zauberbuches das ältere Servietten Design als die gebräuchlichste und bekannteste Art der Darstellung einer Serviette dargestellt und außerdem seien die verschiedenen Arten des Faltens von Servietten bereits gemeinfrei. Daher ist die Behauptung zurückzuweisen, entschied das EuG, dass die Fachleute des betreffenden Tischwäschesektors nur durch Zufall von diesem Design Kenntnis erlangt haben könnten.
Umrandung unterschiedlich – optischer Effekt? Technische Funktion?
Schließlich machte der Inhaber des angefochtenen Tischtuch Designs noch wesentliche Unterschiede in den Darstellungen aus zwischen Serviette und Tischtuch. Vor allem die feinen, aufeinander folgenden, fast durchgehenden Punkte in dem angefochtenen Tischtuch Design würden im Gegensatz zum älteren Geschmacksmuster einen optischen Effekt der Bewegung und nicht den visuellen Effekt einer Steppnaht hervorrufen. Die Umrandung habe eine von ihrer technischen Funktion (Schutz gegen Ausfransen) getrennte Zierfunktion.
Auch diese Einwände wies das EuG ab. Tatsächlich erfülle diese Umrandung höchstens eine doppelte Funktion, stellte das Gericht fest, sowohl eine technische als auch eine ornamentale. Doch diese vom Kläger durchaus zurecht geltend gemachten Unterschiede seien für sich genommen und in ihrer Gesamtheit betrachtet nicht so stark ausgeprägt, dass das beanstandete Tischtuch Design beim informierten Benutzer einen neuen Gesamteindruck hervorruft, fasste das EuG zusammen. Das aber ist entscheidend für die Feststellung von Eigenart eines Designs: Hat ein Verbraucher ein „Deja-Vu“ oder nicht?
Das Europäische Gericht jedenfalls entschied, dass die Darstellungen von Serviette und Tischtuch bei dem Benutzer denselben Gesamteindruck hervorriefen. Das angefochtene Gemeinschaftsgeschmacksmuster ‚Tischtuch Design‘ habe daher keine Eigenart und sei zurecht für nichtig erklärt worden.
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