Im Nichtigkeitsverfahren um das Gemeinschaftsgeschmacksmuster Glasverpackung erläuterte der EuG den Nachweis für die Offenbarung eines älteres Geschmacksmusters vor allem in Hinblick auf die Beweisführung: es ist kein verbindliches Format für die Beweise festgelegt.
Der Sachverhalt
Konkret ging es in diesem Verfahren um die Anmeldung eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters der Klägerin Gamma-A (Lettland) für ein Design einer Glasverpackung, ein durchsichtiges Glasgefäß mit einem farbigen, kreisförmigen, abnehmbaren Deckel. Gegen dieses Design stellte die Streithelferin Zivju (Lettland) einen Antrag auf Nichtigkeit und berief sich auf ein älteres sehr ähnliches Geschmacksmuster auf eine Glasverpackung der litauischen Gesellschaft UAB Provit Industrija. Strittig war im Folgenden und auch im heutigen Verfahren vor dem Europäischen Gericht (EuG), ob das geltend gemachte ältere Geschmacksmuster der Öffentlichkeit gemäß Art. 7 der Verordnung Nr. 6/2002 zugänglich gemacht und offenbart worden sei.
Die Beschwerdekammer hatte das ältere Geschmacksmuster als offenbart angesehen und in seiner Entscheidung gegen das Gemeinschaftsgeschmacksmuster der Klägerin Gamma-A zudem geurteilt, dass sich der Gesamteindruck des älteren Designs im Vergleich zum angefochtenen Design nicht unterscheide. Gegen diese Entscheidung klagte Gamma-A.
Nachweis der Offenbarung eines Designs
Die Klägerin machte vor dem EuG geltend, dass die von der Streithelferin zum Nachweis der Offenbarung des ersten älteren Geschmacksmusters im Sinne von Art. 7 der Verordnung Nr. 6/2002 vorgelegten Beweise weder solide noch objektiv seien. Und selbst wenn die vorgelegten Beweise vom Gericht anerkannt würden, hätten sie den relevanten EU Fachkreisen des betreffenden Sektors nicht bekannt sein können, da die strittige ältere Verpackung im Handel außerhalb der geografischen Grenzen der Europäischen Union verwendet worden sei.
Beweise für den Nachweis für die Offenbarung eines älteren Geschmacksmusters müssen objektiv belegen, dass und auch wann das ältere Geschmacksmuster öffentlich gemacht wurde, urteilte der EuG erst vor wenigen Tagen für ein Design eines Möbelstücks – wir berichteten.
Offenbarung im Hinblick auf ausreichender Beweisführung
Strittig im vorliegenden Fall war der Nachweis der Offenbarung vor allem im Hinblick auf ausreichender Beweisführung.
Das Gericht betonte, dass nur solide und objektive Beweise für die tatsächliche Offenbarung des älteren Geschmacksmusters als erforderlicher Nachweis angesehen werden, nicht aber Wahrscheinlichkeiten oder Annahmen. Die Verordnung (EG) Nr. 2245/2002 gebe jedoch keine konkreten Vorgaben zu den vorzulegenden Nachweisen für die Offenbarung eines älteren Geschmacksmusters, führte der EuG aus, es sei kein verbindliches Format für die Beweise festgelegt. Die vorgelegten Unterlagen beschrieben zwar im Allgemeinen nicht die wesentlichen Einzelheiten der Verpackung der betreffenden Waren, aber angesichts der in diesen Unterlagen enthaltenen Informationen war es möglich, sie mit dem ersten älteren Geschmacksmuster in Verbindung zu bringen, erläuterte der EuG.
Es sei daher festzustellen, dass die von der Streithelferin bei der EUIPO vorgelegten Beweismittel in ihrer Gesamtheit geeignet sind, rechtlich hinreichend nachzuweisen, dass das erste ältere Geschmacksmuster offenbart wurde, urteilte das Gericht und betonte, dass sich die vorgelegten Dokumente gegenseitig bestätigten.
Konnte Offenbarung den Fachkreisen realistisch bekannt sein?
Den besonders interessanten Klagegrund, dass die Offenbarung den relevanten Fachkreisen nicht realistisch bekannt sein könne, behandelte das Gericht überhaupt nicht. Denn dieser Klagegrund sei vor der Beschwerdekammer weder vorgetragen noch nachgewiesen worden. Das Gericht könne aber keine Tatsachen oder Punkte als grundsätzliche Aussagen berücksichtigen, die zum ersten Mal vor dem Gericht geltend gemacht werden, machte der EuG deutlich.
Zweiter Klagegrund: unterschiedlicher Gesamteindruck
Mit einem zweiten Klagegrund argumentierte die Klägerin zudem, die Beschwerdekammer habe den Gesamteindruck des älteren Geschmacksmusters im Vergleich zum eigenen angefochtenen Geschmacksmuster zu Unrecht als ähnlich erachtet. Sie berief sich zum einen auf den Farbunterschied der Deckel beider Geschmacksmuster, vor allem aber darauf, dass der Umfang des Geschmacksmusterschutzes auf den Inhalt dieser Verpackung ausgedehnt werde, da dieser Inhalt sichtbar sei.
Der EuG wies auch diesen Klagegrund zurück. Der Inhalt einer Lebensmittelverpackung ist nicht Teil des Designs, urteilte das Gericht. Ebenfalls heute hatte der EuG mit den gleichen Streitparteien in gleicher Weise zum Design einer Lebensmittelverpackung geurteilt, lesen Sie diesen Beitrag gerne hier: Design einer Lebensmittelverpackung- Inhalt nicht Teil des Designs.
Zum Vorhandensein von sichtbaren Lebensmitteln wie in dem angefochtenen Geschmacksmuster lasse sich höchstens sagen, ergänzte der EuG im vorliegenden Fall, dass es deren Zweck, nämlich die Verpackung von Lebensmitteln, besser veranschaulicht.
Große Freiheit des Designers
Außerdem habe die Beschwerdekammer zu Recht festgestellt, dass angesichts der großen Freiheit des Entwerfers bei der Entwicklung des angefochtenen Geschmacksmusters der Farbunterschied der Deckel nicht ausreichend ausgeprägt ist, um beim informierten Benutzer einen anderen Gesamteindruck des angefochtenen Geschmacksmusters zu erwecken.
Eigenart eines Geschmacksmusters
Die Beurteilung der Eigenart eines Geschmacksmusters beruhe darauf, erläuterte das Gericht, ob sich der Gesamteindruck deutlich von einem ähnlichen Design unterscheidet, wobei u. a. die Art des Erzeugnisses zu berücksichtigen sei, in das das Geschmacksmuster aufgenommen werden soll. Entscheidend ist stets der Gesamteindruck des Unterschieds oder das Fehlen eines „Déjà-vu“.
Der EuG wies daher die Klage gegen die Entscheidung der Beschwerdekammer vollständig zurück.
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Quellen:
Urteil des EuG zum Design einer Glasverpackung, EU:T:2020:95
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