Der EuG urteilte über die Nichtigkeit gegen ein Lampen Design. Es ging um Eigenart und Gestaltungsfreiheit – und um den Antrag auf Nichtigkeit, obwohl das ältere Design gar keine Gültigkeit mehr hat.
Vergleich zweier Gemeinschaftsgeschmacksmuster: Lampen Design
In den Design Streitigkeiten vor dem Europäischen Gericht (EuG) ging es um den Vergleich zweier Lampen Designs, die Streitparteien sind beide italienische Lampenhersteller. Denn eine Gestaltung darf nur als Design geschützt werden (als europäisches geschütztes Design „Gemeinschaftsgeschmacksmuster“ genannt), wenn es neu ist und sich von anderen vergleichbaren Designs genügend unterscheidet. Immer wieder ist dies Thema vor Gericht.
Im Juli 2014 hatte die Klägerin, die Davide Groppi Srl (Italien) ein Lampen Design einer Tischlampe als Gemeinschaftsgeschmacksmuster unter europäischen Designschutz stellen lassen. Daraufhin stellte im März 2017 die Viabizzuno Srl (Italien) beim EUIPO einen Antrag auf Nichtigerklärung des angegriffenen Geschmacksmusters. Dieser Antrag auf Nichtigerklärung wurde auf Art. 25 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 6/2002 in Verbindung mit deren Art. 4 bis 6 in Bezug auf das eigene ältere Geschmacksmuster gestützt.
Einfach und kurz gesagt: die Viabizzuno Srl verwies auf das eigene ältere Lampendesign und argumentierte, dass sich das neuere Lampen Design nicht ausreichend davon abhob. Man spricht dann von dem Nichtigkeitsgrund „ Fehlende Eigenart “.
Nichtigkeitsabteilung und Beschwerdekammer des EUIPO hatten dem Antrag auf Nichtigkeitserklärung stattgegeben und stellten fest, dass es sich bei den zu vergleichenden Lampen Designs um Leuchten handele, die aus den gleichen drei differenzierten Teilen bestünden (einem Sockel, einem Stiel und einem Lampenschirm), die bildlich fast identisch seien; man habe daher ein Gefühl von „déjà-vu“ in Bezug auf das angefochtene neuere Gemeinschaftsgeschmacksmuster der Klägerin, die Davide Groppi Srl.
Gegen diese Entscheidung klagte das italienische Unternehmen und machte als einzigen Klagegrund einen Verstoß gegen Art. 25 Abs. 1 Buchst. b in Verbindung mit Art. 6 der Verordnung Nr. 6/2002 geltend.
Neuheit, Eigenart und unterschiedlicher Gesamteindruck
Die Art. 25 Abs. 1 Buchst. a und b der Verordnung Nr. 6/2002 sollen die Eintragung von Gemeinschaftsgeschmacksmusten verhindern, die insbesondere die Voraussetzungen in Bezug auf ihre „Neuheit“ und ihre „Eigenart“ im Sinne von Art. 5 bzw. Art. 6 dieser Verordnung, nicht erfüllen.
Im Mittelpunkt der Verhandlung vor dem Europäischen Gericht stand daher neben dem Aspekt der „Eigenart“ die Anwendung von Art. 6 der Verordnung Nr. 6/2002. Dies beinhaltet die Überprüfung der Ähnlichkeit der betroffenen Erzeugnisse und den Vergleich des hervorgerufenen Gesamteindrucks der zu vergleichenden Designs – und zwar zum Zeitpunkt „Tag der Anmeldung“ des älteren Gemeinschaftsgeschmacksmuster.
Beurteilung der Eigenart
Die Beurteilung der Eigenart eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters erfolgt im Wesentlichen in einer Prüfung in vier Schritten, erläuterte der EuG. Zu bestimmen sind
- der Wirtschaftszweig der Erzeugnisse, in die das Geschmacksmuster aufgenommen oder bei denen es verwendet werden soll
- Grad der Kenntnis vom Stand der Technik sowie der Grad der Aufmerksamkeit eines informierten Benutzers in Bezug auf Ähnlichkeiten und Unterschiede beim Vergleich der Geschmacksmuster
- der Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung des Geschmacksmusters, deren Einfluss auf die Eigenart umgekehrt proportional ist,
- und, unter Berücksichtigung der Eigenart, das Ergebnis des möglichst direkten Vergleichs der Gesamteindrücke, die das angegriffene Geschmacksmuster und das ältere, der Öffentlichkeit zugänglich gemachte Geschmacksmuster beim informierten Benutzer jeweils hervorrufen.
Gestaltungsfreiheit eines Designers
Über die Gestaltungsfreiheit eines Designers wird immer wieder vor den Gerichten gestritten, denn diese Gestaltungsfreiheit ist oftmals durch die technische Funktion des Erzeugnisses begrenzt. Zudem wird die Gestaltungsfreiheit vor Gericht nicht als ein eigenständiger Faktor behandelt, der bestimmt, wie stark zwei Geschmacksmuster voneinander abweichen müssen oder dürfen.
Die Gestaltungsfreiheit sei Faktor, so beschrieb es der EuG, der es ermögliche, die Beurteilung der Eigenart des angegriffenen Geschmacksmusters zu nuancieren.
Dass um die Gestaltungsfreiheit dennoch soviel gerungen wird, liegt an der umgekehrten Proportionalitätsregel: Je größer die Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung des Geschmacksmusters ist, desto weniger reichen kleine Unterschiede zwischen zwei einander gegenüberstehenden Geschmacksmustern aus, um beim informierten Benutzer einen unterschiedlichen Gesamteindruck hervorzurufen.
Im vorliegenden Fall allerdings war dies kein Streitaspekt. Die Beschwerdekammer hatte die Auffassung vertreten, dass die Gestaltungsfreiheit sehr weit, wenn nicht gar praktisch unbegrenzt sei. Diese Beurteilung, die im Übrigen von der Klägerin nicht beanstandet wurde, bestätigte der EuG ausdrücklich.
Eindruck von „déjà-vu“ – trotz kleiner Unterschiede
Letzten Endes begründet die große Gestaltungsfreiheit das Scheitern der Klage. Denn im Folgenden bestätigte der EuG die Auffassung der Beschwerdekammer, dass im Vergleich der beiden Lampen Designs ein „déjà-vu“ vorliege.
Zwar seien kleine Unterschiede auszumachen im direkten Vergleich der sichtbaren Elemente, und auch in Bezug auf die Wirtschaftszweige der Erzeugnisse lägen kleine Unterschiede vor – das jüngere, angefochtene Lampen Design gilt für Außenbeleuchtung, das ältere Lampen Design für Innenbeleuchtung.
Doch angesichts der sehr großen Gestaltungsfreiheit reichten diese Unterschiede nicht aus, um den Eindruck von „déjà-vu“ aufzuheben und die in Rede stehenden Geschmacksmuster in der Wahrnehmung des informierten Benutzers zu unterscheiden, urteilte der EuG und wies die Klage ab.
Nicht Gültigkeit entscheidend, sondern die Offenbarung
Übrigens hatte das EUIPO das ältere Geschmacksmuster am 30. Oktober 2018 für nichtig erklärt. Deshalb argumentierte die Klägerin, dass die damit die Gültigkeit des älteren Gemeinschaftsgeschmacksmusters nicht mehr gegeben sei, dies aber die logische und rechtliche Voraussetzung für den Antrag auf Nichtigkeit gegen das eigene Lampen Gemeinschaftsgeschmacksmusters sei. Doch vergeblich; nicht die Gültigkeit des älteren Designs ist entscheidend, sondern seine Offenbarung, erklärte der EuG.
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