Die Löschung des Designschutz für den berühmten Porsche 911 wurde vor dem Europäischen Gericht bestätigt. Der Gesamteindruck sei von der sehr ähnlichen allgemeinen Struktur der einander gegenüberstehenden Geschmacksmuster beherrscht, die in ihrer Form und Silhouette weitgehend übereinstimmen. Zwei Gemeinschaftsgeschmacksmuster von Porsche weisen daher fehlende Eigenart auf.
Die zwei gestrigen Urteilen des Europäischen Gerichts (EuG, EU:T:2019:380 und EU:T:2019:377) zur Löschung des Designschutzes für das berühmte Porsche Modell 911 ist interessant für die gesamte nationale und internationale Autoindustrie. Denn nachdem der Widerspruch von Porsche gegen die Löschung von zwei Gemeinschaftsgeschmacksmustern (Nr. 1230593-0001 und Nr. 198387-0001) vor der Beschwerdekammer des Amts der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) am 19. Januar 2018 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) abgelehnt wurde, reichte Porsche einen Antrag ein auf Einleitung eines Verfahrens vor dem Europäischen Gerichtshof (Case T-209/18). Verfahrensgegner ist ein deutscher Spielzeughersteller aus Nürnberg, die Autec AG mit ihrem Chef Kurt Hesse. Der deutsche Spielzeughersteller hatte die Löschung der Designschutzes für den Porsche 911 beantragt und vor dem EUIPO Recht bekommen.
Update vom 8. November 2019:
Die Presseagentur dpa meldete am 5. November, dass der EuGH mit Beschluss vom 24. Oktober 2019 die von Porsche beantragten Rechtsmittel gegen diese beiden Urteile aus dem Juni nicht zulässt. Damit sind die beiden Urteile nun bestätigt.
Die Autotec AG – im jetzigen Urteil als Streithelferin am Verfahren beteiligt – hatte geltend gemacht, dass es dem Geschmacksmuster der Baureihe 991 des Personenkraftwagens Porsche 911 sowohl an Neuheit als auch an Eigenart fehle – denn die beiden angegriffenen Geschmacksmuster von Porsche würden sich nicht spürbar von den anderen Modellen des Personenkraftwagens Porsche 911 unterscheiden, die seit dessen Urversion aus dem Jahr 1963 auf den Markt gebracht worden seien.
Lesen Sie dazu auch gerne unseren Beitrag: Designschutz des Porsche 911 in Gefahr- weil sich Marke treu bleibt (5. April 2018)
Porsche berief sich auf nur einen Klagegrund, einen Verstoß gegen Art. 25 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 6/2002. Im Wesentlichen rufe das angegriffene Geschmacksmuster beim informierten Benutzer einen anderen Gesamteindruck hervor diejenigen älteren Porsche Geschmacksmuster, auf die sich die Autec AG zur Stützung ihres Antrags auf Nichtigerklärung bezog.
Das Europäische Gericht (EuG) überprüfte daher die Aspekte „informierter Benutzer“, „Gestaltungsfreiheit des Entwicklers“ und „Gesamteindruck als Ganzes“.
Der „informierte Benutzer“
Der Begriff des informierten Benutzers nehme auf eine „fiktive Person“ Bezug, da dieser geschaffene Rechtsbegriff nur allgemein als Hinweis auf eine Person mit Standardeigenschaften, nicht aber von Fall zu Fall in Bezug auf dieses oder jenes Geschmacksmuster definiert werden könne, urteilte der EuG. Zudem habe die Beschwerdekammer zurecht ausgeführt, dass auf die Kategorie von Erzeugnissen und nicht auf das konkret erfasste Erzeugnis abzustellen sei, so dass nicht der informierte Benutzer eines Personenkraftwagens Porsche 911, sondern der von Personenkraftwagen im Allgemeinen zu berücksichtigen sei. Porsche machte daher vergeblich geltend, dass der informierte Benutzer eine besondere Aufmerksamkeit hinsichtlich der verschiedenen Modellvarianten des Personenkraftwagens Porsche 911 zeige.
Gestaltungsfreiheit des Entwerfers
Nach der Rechtsprechung zu Geschmacksmustern besteht ein Zusammenhang zwischen der Gestaltungsfreiheit des Entwicklers und der Frage, wie stark die Unterschiede zwischen zwei Geschmacksmuster sein müssen. Je beschränkter die Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung des Geschmacksmusters ist – beispielsweise durch die technische Funktion -, desto eher genügen kleine Unterschiede zwischen den einander gegenüberstehenden Geschmacksmustern, um bei dieser Gruppe von Benutzern einen unterschiedlichen Gesamteindruck hervorzurufen.
Die Beschwerdekammer sah zwar eine Einschränkung der Gestaltung durch die notwendige Ausstattung des Geschmacksmusters mit Scheinwerfern, Rückleuchten und Seitenspiegeln. Aber in der Ausgestaltung sei der Entwickler nicht eingeschränkt gewesen sein, so die Beschwerdekammer. Porsche dagegen machte geltend, das der Entwickler zusätzlich durch die Erwartungen des Marktes beschränkt worden sei, die Verbraucher den Porsche 911 als ikonisch empfundene Gestaltungsidee empfänden. Daher hätte die Beschwerdekammer die geringfügigen Unterschiede zwischen den aufeinanderfolgenden Baureihen des Personenkraftwagens Porsche 911 erkennen und gewichten müssen.
Der EuG wies die Argumente von Porsche zurück. Das Gericht wies darauf hin, dass nach der Rechtsprechung eine allgemeine Designtendenz, die geeignet ist, die Erwartungen der betroffenen Verbraucher zu erfüllen, nicht als ein Faktor angesehen werden kann, der die Freiheit des Entwerfers beschränkt. Denn diese Freiheit erlaube dem Entwerfer, neue Formen und neue Linien zu entdecken oder innerhalb einer bestehenden Tendenz Neues zu schaffen.
Gesamteindruck des angefochtenen Geschmacksmusters
Porsche wandte sich gegen die Einschätzung des Gesamteindrucks. Die Beschwerdekammer habe insbesondere dem Umstand nicht Rechnung getragen, dass potenzielle Käufer zwangsläufig auf die – selbst geringen – Unterschiede zwischen den Baureihen ein und desselben Modells achten. Ein solcher Käufer sei durch Werbung und die Medien über Marktentwicklungen und aktuelle Trends informiert, genauso auch darüber, inwieweit sich ein neues Modell eines Personenkraftwagens von den Vorgängermodellen unterscheide.
Das Gericht wies zunächst darauf hin, dass nach der Rechtsprechung der Vergleich der durch die Geschmacksmuster erweckten Gesamteindrücke synthetischer Art sein muss und sich nicht auf den analytischen Vergleich einer Aufzählung von Ähnlichkeiten und Unterschieden beschränken kann. Die Beschwerdekammer habe aber keinen Fehler in ihrer Einschätzung begangen. Vielmehr habe sie zurecht ausgeführt, dass die Hersteller angesichts der hohen Kosten nicht beständig neue Modelle entwickelten, sondern bevorzugt Modelle modernisierten – und dass dies der informierte Benutzer wisse. Eine solche Modellpflege ermögliche es, gleichzeitig allgemeinen modischen Trends zu folgen, ohne jedoch die charakteristischen Merkmale des jeweils betroffenen Fahrzeugmodells aufzugeben.
Selbst wenn man davon ausgeht, dass diese Unterschiede vom informierten Benutzer bemerkt werden könnten, dürften sie jedenfalls nicht hinreichend ausgeprägt sein, um allein die Beurteilung der Beschwerdekammer in Frage zu stellen, urteilte der EuG. Alle Ansichten der betreffenden Geschmacksmuster, und nicht nur die Seitenansichten zeigten nach richtiger Auffassung der Beschwerdekammer, dass diese in der Form und der Linienführung ihrer Karosserie übereinstimmten, und zwar sowohl bei den Abmessungen und Proportionen als auch bei der Form und der Anordnung der Fenster und Türen sowie der Außenspiegel.
Sämtliche in den zahlreichen Ansichten der einander gegenüberstehenden Geschmacksmuster vorhandenen Unterschiede seien für sich genommen und in ihrer Kombination zu gering, um den beim informierten Benutzer hervorgerufenen Gesamteindruck nennenswert zu beeinflussen, der von den wesentlichen Merkmalen der genannten Geschmacksmuster, nämlich der Form der Karosserie, der Türen oder der Fenster, beherrscht werde. Der Gesamteindruck sei von der sehr ähnlichen allgemeinen Struktur der einander gegenüberstehenden Geschmacksmuster beherrscht, die in ihrer Form und Silhouette weitgehend übereinstimmten.
Die Klage von Porsche wurde daher in beiden Verfahren durch den EuG abgewiesen und die Löschung des Designschutzes für den Porsche 911 bestätigt.
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Quelle für Text + Bild:
Urteile EU:T:2019:380 und EU:T:2019:377 des EuG
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