Geschmack kann urheberrechtlich nicht in der EU geschützt werden, entschied heute der EuGH. Es ist ein wichtiges Urteil im Bereich der europäischen Schutzfähigkeit von Duft und Geschmack, der bisher in der EU national sehr unterschiedlich gehandhabt wurde.
Das europäische Interesse an dieser Frage ist groß: die französische, die italienische Regierung und auch die britische Regierung haben in diesem Verfahren Erklärungen eingereicht und ebenso auch die Europäische Kommission.
Der Hintergrund: niederländischer Streichdip Heksenkaas
Hintergrund für das heutige Urteil des EuGH ist der Vorwurf der Verletzung des Urheberrechts am Geschmack eines Streichdips mit Rahmkäse und frischen Kräutern mit der niederländischen Bezeichnung „Heksenkaas“(dt.: Hexenkäse). Klägerin Levola Hengelo B. V. wie auch die Beklagte Smilde Foods B. V. sind niederländische Lebensmittelhersteller. Es verwundert nicht, dass es entsprechend ein niederländisches Gericht ist, das die Schutzfähigkeit von Geschmack vom höchsten europäischen Gericht klären lassen möchte. Denn die Niederlande hat sich bisher stets als aufgeschlossen gezeigt, Duft und Geschmack als schutzfähig zu betrachten, Frankreich dagegen und auch Deutschland schlossen eine Schutzfähigkeit bisher aus – wir berichteten (Schutz von Geruchsmarken (2): Wie stellt man einen Duft dar?).
Ist Geschmack ein Werk im Sinne des Urheberrechts?
Das vorlegende Gericht wollte im Wesentlichen wissen, ob der Geschmack eines Lebensmittels ein „Werk“ darstellt und durch die Richtlinie 2001/29 urheberrechtlich geschützt sein kann. In diesem Zusammenhang musste der EuGH auch klären, ob der Begriff „Werke der Literatur, Kunst und Wissenschaft“ – und „ohne Rücksicht auf die Art und Form des Ausdrucks“ in Art. 2 Abs. 1 der Berner Übereinkunft sich nur auf optische oder akustisch wahrnehmbare Schöpfungen bezieht.
Nicht jedes originelle Objekt ist ein „Werk“
Der Begriff „Werk“ sei ein autonomer Begriff des Unionsrechts und es sei den Mitgliedstaaten nicht gestattet, in diesem Zusammenhang weitere oder unterschiedliche Standards vorzusehen, stellte der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) klar. Ein Werk müsse zwar das Kriterium der Originalität erfüllen, dies bedeute aber nicht den Umkehrschluss, dass jeder Gegenstand, der dieses Kriterium erfüllt, automatisch als urheberrechtlich geschützt gesehen wird. Die Richtlinie sei aber über „Werke der Literatur, Kunst und Wissenschaft“ durch internationale Vereinbarungen für neue Themen erweitert worden, so beispielsweise auch für den Bereich der digitalen Werke wie Computerprogramme durch den WIPO-Urheberrechtsvertrag. Der Geschmack eines Lebensmittels aber könne mit keinem der geschützten „Werke“ in Verbindung gebracht werden.
Generalanwalt sieht Rezeptur als Idee und nicht schutzfähig
In seinem Schlussantrag empfahl der Generalanwalt Wathelet, Geschmack nicht unter den Schutz des Urheberrechts zu stellen. Der Urheberrechtsschutz erstrecke sich auf eigenständige Ausdrucksformen und nicht auf Gedanken, Verfahren, Methoden oder mathematische Konzepte als solche, stellte der Generalanwalt klar. Daher könne zwar die Ausdrucksform einer Rezeptur urheberrechtlich geschützt werden – wenn sie eigenständig wäre -, doch schütze das Urheberrecht nicht die Rezeptur als solche (die Idee). Diese Unterscheidung werde im Englischen „idea/expression dichotomy“ genannt. Der Generalanwalt wies auch darauf hin, dass eigenständige Ausdrucksformen mit ausreichender Genauigkeit und Objektivität erkennbar und darstellbar sein müssen. Eine genaue und objektive Identifizierung von Geschmack oder Geruch sei aber bisher nicht möglich.
Außerdem sei nicht der Träger, auf oder in dem das Werk festgelegt ist, Gegenstand des Urheberrechts, sondern das Werk selbst. Daher sei die mögliche Verderblichkeit eines Lebensmittels als solche nicht ausschlaggebend – dennoch stehe dies auch der genauen und objektiven Identifizierung entgegen. Vor allem aber sei Geschmack in erster Linie ein subjektives Geschmackserlebnis, eine objektive Einordnung dessen sei nicht möglich, und daher könne es nicht unter Urheberrecht geschützt werden.
EuGH schließt Geschmack vom urheberrechtlichen Schutz aus
Der EuGH schloss sich mit seinem heutigen Urteil dieser Einschätzung an. Die Richtlinie 2001/29 stehe dem urheberrechtlichen Schutz des Geschmacks eines Lebensmittels entgegen. Der EuGH stellte wie schon der Generalanwalt klar, dass geschützten Objekte klar und präzise zu erkennen sein müssen – für Behörden wie für Wettbewerber. Eine solche Darstellung sei aber nicht für Geschmack möglich. Im Gegensatz zu beispielsweise einem literarischen, bildlichen, filmischen oder musikalischen Werk, das ein präziser und objektiver Ausdruck sei, basiere die Identifizierung des Geschmacks eines Lebensmittels im Wesentlichen auf subjektiven und variablen Geschmackserlebnissen und -erfahrungen, da sie insbesondere von Faktoren abhängen, die mit der Person zusammenhängen, die das betreffende Produkt probiert, wie Alter, Ernährungspräferenzen und Konsumgewohnheiten, sowie von der Umgebung oder dem Kontext, in dem das Produkt probiert wird. Daher sieht der EuGH den Geschmack eines Lebensmittels nicht als „Werk“ im Sinne der Richtlinie 2001/29 als qualifizierbar an. Eine geistige Schöpfung wiederum könne – wie schon der Generalanwalt dargelegt hatte – nicht unter urheberrechtliche Schutz fallen, ebensowenig Verfahren, Operationsmethoden oder mathematische Konzepte als solche.
Der vorausgehende Rechtsstreit zwischen Levola und Smilde wird auf Basis dieses Urteils weitergehen. Mit Urteil vom 10. Juni 2015 hatte das niederländische Gericht Gelderland die Klage von Levola als unbegründet abgewiesen. Begründet wurde dies nicht mit der (fehlenden) Schutzfähigkeit eines Geschmacks, sondern mit dem Hinweis, dass Levola nicht benannt hatte, welche Bestandteile Levolas Streichdip einen eigenen, durch Originalität geprägten Charakter und einen persönlichen Stempel verliehen.
Fazit
Das Urheberrecht für Geschmack und Duft ist nach dem heutigen Urteil in der EU kaum mehr durchzusetzen. Dadurch rückt der mögliche Markenschutz für diesen Bereich in den Fokus, erst recht seitdem die neue EU Markenverordnung Nr. 207/2009 vom Oktober 2017 eine solche Markenanmeldung theoretisch erlaubt. In den USA ist es ohnehin generell möglich, einen Duft als Marke zu schützen. Erst im Juni 2018 hat der Spielwarenhersteller Hasbro vom US-Patentamt (USPTO) die Duftmarkenrechte für den einzigartigen Duft seines “Play-Doh” erhalten (Info Blog: Markenschutz Geruch: In der USA machbar – In der EU schwierig).
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Quellen:
C:2018:899 Levola Hengelo vs. Smilde Foods
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