Der EuG erläuterte in einem Nichtigkeitsverfahren um ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster aus Industrie und Technik den Nachweis für die Offenbarung eines älteren Geschmacksmusters sowie seine Eigenart: technische Merkmale sind nicht relevant für die Eigenart.
Im Oktober 2012 meldete die Glimarpol sp. z o.o. (Polen),ein Gemeinschaftsgeschmackmuster (engl.: community design) beim Europäischen Patent- und Markenamt an (European Union Intellectual Property Office, EUIPO). Das Gemeinschaftsgeschmacksmuster wurde für ein pneumatisch angetriebenes Werkzeug angemeldet und in die Klassen 08-01 and 08-05 der Locarno Klassifikation für Industrielles Design eingetragen.
Im Mai 2016 reichte dann die Streithelferin, die Metar sp. z o.o. (Polen), einen Antrag auf Nichtigerklärung des angefochtenen Geschmacksmusters ein und berief sich auf ein eigenes älteres Design für einen pneumatischen Gesteinsbohrer.
Die Nichtigkeitsabteilung erklärte daraufhin das angefochtene Gemeinschaftsgeschmacksmuster 2017 für nichtig wegen mangelnder Eigenart. Und auch die Beschwerde der Glimarpol gegen diese Entscheidung wurde von der Beschwerdekammer des EUIPO zurückgewiesen (die angefochtene Entscheidung vom Okt. 2018). Glimarpol trug daher diesen Fall an das Europäische Gericht (EuG). Vor allem machte die Klägerin geltend, die Beschwerdekammer habe zu Unrecht festgestellt, dass das ältere Geschmacksmuster im Jahr 2009 offenbart worden sei. Auch sei zu Unrecht festgestellt worden, dass es dem angefochtenen Geschmacksmuster an Eigenart fehle. Insbesondere macht sie geltend, dass die Gebrauchsanleitung für dieses Geschmacksmuster nicht gewerblich und nicht für die breite Öffentlichkeit bestimmt gewesen sei.
Die Klägerin trägt in diesem Zusammenhang vor, dass das ältere Gemeinschaftsgeschmacksmuster nicht als der Öffentlichkeit zugänglich gemacht angesehen werden könne, da es unter expliziten oder impliziten Umständen der Vertraulichkeit offenbart worden sei. Insbesondere habe die Streithelferin das ältere Geschmacksmuster offenbart, um eine Konformitätsbescheinigung zu erlangen oder für Verwaltungszwecke. Diese Behauptung wird jedoch nicht durch Beweise belegt. Er muss daher zurückgewiesen werden.
Das Europäische Gericht setzte sich daher vor allem mit der Offenbarung eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters sowie mit der Eigenart eins Geschmacksmusters im Sinne der Auslegung von Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 6/2002 auseinander.
Offenbarung eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters
Grundsätzlich sei eine zweistufige Analyse durchzuführen zur Prüfung, ob ein älteres Gemeinschaftsgeschmacksmuster offenbart wurde, erläuterte das Gericht. Zum einen sei zu prüfen, ob Beweise vorliegen für die Offenbarung und dass diese Offenbarung vor dem Anmelde- oder Prioritätstag des angefochtenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters stattgefunden hat. Zum zweiten sei dann noch zu beurteilen, ob dies den Fachkreisen des beanspruchten Sektors im normalen Geschäftsbetrieb und „vernünftigerweise“ bekannt hätte werden können. Wie solche Beweise und Nachweise konkret auszusehen haben, dazu gibt die entsprechende EU Verordnung jedoch keine Angaben (Verordnung (EG) Nr. 2245/2002). Dem Antragsteller im Nichtigkeitsverfahren stehe es daher frei, die Beweismittel auszuwählen, die er zur Stützung seines Antrags auf Nichtigerklärung bei der EUIPO als nützlich erachtet, stellte der EuG fest.
Im vorliegenden Fall hatte die Klägerin Glimarpol jedoch gar keine Beweise vorgelegt für die Behauptung, das ältere Gemeinschaftsgeschmacksmuster sei nur vertraulich, nicht aber öffentlich offenbart worden. Dieser Einwand wurde daher vom EuG zurückgewiesen.
Eigenart eines Geschmacksmuster
Außerdem prüfte der EuG die Entscheidung der Beschwerdekammer, dem angefochtenen Geschmacksmuster fehle die Eigenart. Wie schon in bisheriger Rechtsprechung deutlich gemacht, ergebe sich die Eigenart eines Geschmacksmusters aus dem Gesamteindruck eines Unterschieds oder des Fehlens eines „Déjà-vu“ aus der Sicht eines informierten Benutzers, erläuterte der EuG. Die Betonung liegt dabei auf dem Gesamteindruck, nach dem beurteilt werden muss. Daher müsse die Beschwerdekammer sich auch keineswegs auf einen analytischen Vergleich einer Liste von Ähnlichkeiten und Unterschieden beschränken, sondern habe sich zurecht auf den Gesamteindruck bezogen.
Der Vergleich der von den Geschmacksmustern hervorgerufenen Gesamteindrücke müsse synthetisch sein und dürfe sich nicht auf einen analytischen Vergleich einer Liste von Ähnlichkeiten und Unterschieden beschränken, führte das Gericht aus. Der Vergleich müsse auf den Merkmalen beruhen, die in dem angefochtenen Geschmacksmuster offenbart sind, und dürfe sich nur auf die tatsächlich geschützten Elemente beziehen, ohne insbesondere technische Merkmale zu berücksichtigen, die ja vom Designschutz ausgeschlossen sind. Dieser Vergleich muss sich im Übrigen grundsätzlich auf das Geschmacksmuster in der eingetragenen Form beziehen, entsprechend sorgfältig sollte man stets seine Anmeldeunterlagen überprüfen.
Technische Merkmale nicht relevant für die Eigenart
Im vorliegenden Fall jedenfalls ist das angegriffene Geschmacksmuster dazu bestimmt, in pneumatische Gesteinsbohrer eingebaut zu werden, die aus denselben Bauteilen mit denselben Merkmalen bestehen wie die Gesteinsbohrer, die von dem älteren Geschmacksmuster erfasst werden. Zwar treffe es zu – wie von der Klägerin gerügt -, dass die angefochtene Entscheidung keinen ausdrücklichen Hinweis auf den Träger für die fraglichen Gesteinsbohrer enthält, räumte der EuG ein. Dies sei aber zu vernachlässigen und trage nicht zu einem veränderten Gesamteindruck bei. Denn es ist offensichtlich, dass die Rolle des Trägers im Verhältnis zum Werkzeug an sich, nämlich dem Gesteinsbohrer, zweitrangig und untergeordnet ist, urteilte der EuG.
Weitere Unterschiede, die die Klägerin geltend machte, seien wiederum technische Unterschiede, stellte das Gericht fest. Auch werde selbst ein durchschnittlicher Freiheitsgrad des Entwerfers durch die technischen Anforderungen und Funktionalitäten eines Gesteinsbohrers bestimmt. Diese geltend gemachte Unterschiede seien daher nicht geeignet, dem angefochtenen Geschmacksmuster Eigenart zu verleihen, wie die Beschwerdekammer zu Recht festgestellt habe.
Daher wies der EuG die Klage vollständig ab und bestätigte die Entscheidung der Beschwerdekammer.
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