Folgeprodukt fehlgeschlagen, in dem das vorherige Produkt von einer Diensterfindung Gebrauch gemacht wurde: rechtfertigt das einen Anpassungsanspruch nach § 12 Abs. 6 ArbEG? Die Schiedsstelle bejahte das und äußerte sich auch zur Abgrenzung zwischen Vergütungsfestsetzung und Vergütungsangebot.
Die Arbeitgeberin ist ein weltweit tätiges, inhabergeführtes Familienunternehmen mit weniger als 1.000 Mitarbeitern in Deutschland; das streitgegenständliche Produkt ist überdies ein Kernprodukt des Unternehmens.
Folgeprodukt fehlgeschlagen – Anpassungsanspruch?
Im Jahr 2010 wurde Folgeprodukt geplant, das ab 2013 das vergütungspflichtige Produkt abgelöst hätte; doch das Folgeprodukt schlug fehl. Alternativ wurde daher in die Weiterentwicklung des bisherigen Produkts investiert und 2017 ein Nachfolgeprodukt auf den Markt gebracht, das nach wie vor von der streitgegenständlichen Diensterfindung Gebrauch machte. Außerdem waren damit zwei weitere neue Schutzrechte hinzugekommen, machte der Diensterfinder geltend und begründete so im Schiedsstellenverfahren einen Anspruch auf Anpassung nach § 12 Abs. 6 ArbEG.
Er strebte für das Umsatzjahr 2017 und die Zukunft eine Neuberechnung des Erfindungswerts hinsichtlich der Abstaffelung und des Lizenzsatzes an. Die Arbeitgeberin wehrte sich dagegen und wandte ein, dass der Diensterfinder die Vergütung im Jahr 2010 selbst festgesetzt habe und auch nicht belegt sei, dass er dies aufgrund einer nur noch kurzen Nutzungszeit tat.
Beide Beteiligten gingen im Übrigen davon aus, dass der Diensterfinder mit Schreiben vom 11. Februar 2010 und 5. März 2010 die Vergütung der der dem Patent zu Grunde liegenden Diensterfindung einseitig abschließend festgesetzt hatte. Doch das stimmte nicht, entschied die Schiedsstelle.
Abgrenzung: Vergütungsfestsetzung oder Vergütungsangebot
Vergütungsfestsetzung oder Vergütungsangebot – die Schiedsstelle machte die Abgrenzung deutlich. In einer Vergütungsfestsetzung muss das Schreiben des Arbeitgebers inhaltlich eindeutig und zweifelsfrei erkennen lassen, dass die Vergütung für sich verbindlich und abschließend festlegt wird. Diese Eindeutigkeit ist schon deshalb zwingend, damit der Arbeitnehmer fristgerecht und ordnungsgemäß nach § 13 Abs. 4 ArbEG Widerspruch einlegen kann, um zu verhindern, dass die Vergütungsfestsetzung verbindlich wird.
Doch aber war keinesfalls der Fall in dem vortragenden Sachverhalt, urteilte die Schiedsstelle. Weder der Wortlaut noch die inhaltlichen Ausführungen der Arbeitgeberin zu den einzelnen Vergütungsfaktoren geben nach Auffassung der Schiedsstelle auch nur andeutungsweise einen Hinweis darauf, dass das sozusagen das letzte Wort der Arbeitgeberin war.
Wörtlich hatte die Arbeitgeberin folgendes verfasst:
„(…) beigefügt erhalten Sie die Tabelle zur Berechnung der Arbeitnehmererfindervergütung für das Patent (…) betreffend die Vergütungsjahre 2004 bis 2008. (…)“ und endet mit dem Satz „Für Rückfragen steht die Patentabteilung Ihnen gerne zur Verfügung“.
Dadurch aber stellte das Schreiben ein Vergütungsangebot nach § 145 BGB dar, nicht aber eine verbindliche Vergütungsfestsetzung nach Arbeitnehmererfindergesetz (ArbEG).
Vergütungsvereinbarung durch konkludentes Handeln
Das aber war den Betroffenen nicht bewusst. Im Folgenden jedenfalls hatte der Diensterfinder zu dem Punkt Anteilsfaktor eine Verständnisfrage gestellt und zu dem Punkt Abstaffelung eine abweichende Vorstellung geäußert. Gegebenenfalls werde dieses Schreiben als ein Gegenangebot i.S.v. § 145 BGB anzusehen sein, kommentierte die Schiedsstelle. In einem Antwortschreiben erläuterte daraufhin die Arbeitgeberin schriftlich den Anteilsfaktor, teilte zudem mit, für die Zukunft betrage der Abstaffelungsfaktor für die Jahresumsätze gleichbleibend 0,2. Abstaffelung bedeutet, dass der Lizenzsatz ab bestimmten Umsatzschwellen reduziert wird.
Das wiederum war laut Schiedsstelle als erneutes Angebot und nicht als Vergütungsfestsetzung zu qualifizieren. Doch in der Folge wurde durch konkludentes Handeln in Form einer widerspruchsfreien Entgegennahme der Vergütungszahlungen dieses Angebot angenommen. Somit haben die Beteiligten im Jahr 2010 eine Vergütungsvereinbarung getroffen.
War der Diensterfinder überzeugt, dass die Vergütungspflicht enden würde?
Entscheidend in diesem Fall sei allein, ob die von dem Diensterfinder der Arbeitgeberin angebotenen Vergütungsfaktoren von der Überzeugung getragen waren, dass die Vergütungspflicht absehbar enden würde, fasste die Schiedsstelle zusammen. Und das sei offensichtlich der Fall.
Denn der Diensterfinder war der intervenierenden Arbeitgeberin entgegengekommen (indem er abweichend von vorgesehenen kumulierten Abstaffelung eine jährliche Abstaffelung angeboten hatte) und hatte damit die Zustimmung zur Vergütungsvereinbarung erreicht. Daraus kann nach Auffassung der Schiedsstelle aber keinesfalls gefolgert werden, dass jährliche Abstaffelungen marktüblich seien.
Bei hohen Stückzahlen ist die Abstaffelung der Ausgangslizenzsätze regelmäßig auch Gegenstand eines Lizenzvertrages, daher muss er auch bei der Ermittlung des Erfindungswerts Berücksichtigung finden.
Anpassungsanspruch nach § 12 Abs. 6 ArbEG
Die Schiedsstelle urteilte, dass Anpassungsanspruch nach § 12 Abs. 6 ArbEG im Juni 2018 von dem Diensterfinder zurecht geltend gemacht war vor der Schiedsstelle. Gemäß § 12 Abs. 6 ArbEG können ohnehin Arbeitgeber und Arbeitnehmer voneinander die Einwilligung in eine andere Regelung der Vergütung verlangen, wenn sich Umstände wesentlich ändern, die für die ursprünglich gefundene Vergütungsregelung maßgebend waren. Gilt ein fehlgeschlagenes Folgeprodukt als solch ein wesentlicher Umstand?
Und das war vorliegend der Fall, resümierte die Schiedsstelle, denn allein in den Jahren 2013 bis 2016 waren Umsätze angefallen und dies auch als Bezugsgröße für die erfolgte Vergütung berücksichtigt worden, obgleich in diesem Zeitraum wegen des anstrebten Folgeprodukts eigentlich überhaupt keine derartigen Umsätze mehr erwartet worden waren. Dies zeige auf, dass die eingetretenen veränderten Umstände auch wesentlich waren, urteilte die Schiedsstelle.
Entscheidung der Schiedsstelle
Die Schiedsstelle schlug eine ab dem Umsatzjahr 2017 geltende Vergütungsregelung vor, bei der ein Lizenzsatz von 1,5 % zu Grunde gelegt wird – darin waren sich beide Parteien bereits einig. Denn für alle davor erfolgten Vergütungen ist eine Rückzahlung nicht zulässig gemäß § 12 Abs. 6 S. 2 ArbEG.
In Bezug auf die Streitfrage der Abstaffelung verwies die Schiedsstelle auf die BGH Entscheidung von 1988( Az.: X ZR 71/86– Vinylchlorid), demnach eine Abstaffelung von hohen Umsätzen eine Frage der Angemessenheit der Vergütung i.S.v. § 9 Abs. 1 ArbEG ist; die zugehörige RL Nr. 11 ist demnach keine verbindliche Vorschrift, sondern lediglich ein Hilfsmittel.
Konkret auf den vorliegenden Fall bezogen empfahl die Schiedsstelle eine kumulierte Abstaffelung und sah auch eine Kausalitätsverschiebung. Das relevante Produkt sei weit über die Erfindung hinaus durch das Standing des Unternehmens groß und bekannt geworden und werde sogar als Synonym der Endverbraucher genutzt. Eine jährliche Abstaffelung würde diesen Überlegungen nicht hinreichend Rechnung tragen, denn gerade eine Kausalitätsverschiebung verstärke sich im Laufe der Jahre immer mehr.
Schlussendlich empfahl daher die Schiedsstelle, eine kumulierte Abstaffelung zu vereinbaren, diese aber erst mit dem Umsatzjahr 2017 beginnen zu lassen.
Weitere Fragen in Bezug auf eine Diensterfindung?
Unsere Anwälte verfügten über langjährige Expertise im Patentrecht und Arbeitnehmererfinderrecht und sind berechtigt, Sie vor jedem Amt und Gericht in Deutschland wie auch international zu vertreten.
Gerne weisen wir an dieser Stelle auch auf die Verjährungsfristen im Arbeitnehmererfinderrecht hin.
Nehmen Sie bei Interesse gerne Kontakt auf.
Quellen:
Entscheidung der Schiedsstelle, Arb.Erf. 04/19
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