Eine Diensterfindung im Äquivalenzbereich – also eine Erfindung, die in technischer Hinsicht in den Schutzbereich eines anderen Patents des Arbeitgebers fällt – hat nur einen teilweisen Anteil an dem Erfindungskomplex. Die Schiedsstelle entschied im konkreten Beispiel Medizinprodukt:
Im vorliegenden Fall ging es um eine Diensterfindung in einem Medizinprodukt, genannt Streitpatent A. Es handelt sich dabei um ein Medizinprodukt, das seit 2007 produziert und vertrieben wurde. Verkauft wird das Produkt mit einem Listenpreis von 28,80 € pro Pk., das eine Nettoeinnahme von im Schnitt 19,30 € für das Unternehmen einbringt.
Diensterfindung im Äquivalenzbereich
Das Streitpatent A beruhte allerdings gewissermaßen auf dem Patent B. Denn in Patent B wurde bereits die technische Lehre zu der maßgeblichen technischen Variante grundlegend beschrieben und auch der Zusammenhang dieser Technik mit den patiententechnischen Vorteilen einer damit ausgestatteten offenbart. Nach Auffassung der Schiedsstelle kann die Patentschrift B daher als eine Art „Basispatent“ zum Streitpatent A angesehen werden; die Erfindung A falle in den Äquivalenzbereich.
Im Vergleich zu Patent B ermöglicht das Streitpatent A jedoch, ein für den Patienten einfacher zu bedienendes Gerät mit weniger Bauteilen zur Verfügung stellen.
Der Erfinder von Streitpatent A meldete seine Diensterfindung ordnungsgemäß an und der Arbeitgeber bestätigte auch die Inanspruchnahme der Erfindung. So weit, so gut.
Streitfall: bedingt Nutzung von Patent A noch die Nutzung von Patent B?
Zum Streit zwischen Erfinder und Arbeitgeber kam es über die Festsetzung der Vergütung für die Erfindung A. Streitig war, ob die Benutzung der streitgegenständlichen Diensterfindung weiterhin auch die Benutzung des Patents B bedingt. Denn die Erfindung A führte letztlich dazu, dass die Neukonstruktion den Wegfall eines Merkmals von Patent B bedeutet und es rechtlich sehr schwierig wäre, allein auf Grundlage des Patents B einen Nachbau durch einen Wettbewerber zu unterbinden. Muss das Patent B also überhaupt noch berücksichtigt werden, bedingt die Nutzung von Patent A auch die Nutzung von Patent B?
Schiedsstelle zum Produkt im Äquivalenzbereich
Die Schiedsstelle legte dazu eine klare Entscheidung vor (Arb.Erf. 19/18 ). Fällt ein erfindungsgemäßes Produkt in technischer Hinsicht zumindest im Äquivalenzbereich in den Schutzbereich eines weiteren Patents des Arbeitgebers, dann kommt jenem anderen Patent ein nicht unerheblicher Wert für die Durchsetzbarkeit der Monopolsituation am Markt zu, machte die Schiedsstelle deutlich. Daher sei das Patent B mit einem Anteil von 1:1 gegenüber dem zu vergütenden Erfindungsschutzrecht Streitpatent A in den Schutzrechtskomplex einzubeziehen, der dem Produkt zugrunde liegt.
Anders ausgedrückt: Streitpatent A und „Basis“ Patent B werden zusammen im Gesamtkomplex des Medizinprodukts gesehen (sozusagen „Patentgruppe A+B“), mit einem Anteil von je 50 % an der Patentgruppe A+B.
Wird nun die Relevanz der Lehren der A und die B für das gesamte Medizinprodukt betrachtet, so ergibt ein Bild, das auch weitere technische Lehren erfasst, die ebenfalls im Gesamtkomplex maßgeblich sind (die Lehren D,C X/Y und Z). Zusammen schätzte die Schiedsstelle den Einzelanteil der Lehren D,C X/Y und Z auf 75 %; der Anteil der Patentgruppe A+B wurde auf 25 % des Erfindungskomplexes geschätzt.
Als Einzelanteil der Lehre des Streitpatents A ergibt sich aus diesem Anteil der Patentgruppe A+B am Erfindungskomplex und seinem Anteil von 50 % an der Patentgruppe ein Anteil von 12,5 % am gesamten Erfindungskomplex des Medizinprodukts.
Und wie sind die Lizenzsätze für einen Erfindungskomplex anzusetzen? Laut Schiedsstelle gilt die in der Literatur genannte Lizenzsatzobergrenze in der Medizintechnik von 5 % regelmäßig auch für Erfindungskomplexe.
Verjährung des Vergütungsanspruchs
Dieser Fall lädt dazu ein, nochmal kurz auf die Fristen zur Verjährung des Vergütungsanspruchs für eine Diensterfindung einzugehen. Im vorliegenden Fall sind die Vergütungsansprüche für die Benutzung der Diensterfindung im Jahr 2011 entstanden, darüber entschied die Schiedsstelle im Jahr 2020 – die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt jedoch drei Jahre (§ 195 BGB). Wie erklärt sich das?
Vor allem aus zwei Gründen: Vergütungsansprüche für die Benutzung der Diensterfindung im Jahr 2011 gelten als erst im Jahr 2012 entstanden. Denn der Anspruch auf Zahlung einer Arbeitnehmererfindervergütung entsteht nachschüssig im der Nutzung nachfolgenden Geschäftsjahr.
Die Vergütungsansprüche aus Nutzung in 2011 wären daher mit Ablauf des Jahres 2015 verjährt – da aber haben die Beteiligten Verhandlungen um die Vergütung aufgenommen, und dies gilt als Hemmung der Verjährung.
Nebenaspekt: Diensterfinder im Bereich Entwicklung oder im Support
Für die vollständige Berechnung eines Vergütungsanspruchs ist auch die Stellung des Erfinders im Betrieb eine relevante Wertzahl; grundsätzlich gilt, je weiter entfernt vom Bereich Entwicklung ein Diensterfinder arbeitet, desto höher wird diese Wertzahl angesetzt.
Im vorliegenden Fall war der Erfinder zum Zeitpunkt der Erfindung nicht im Entwicklungsbereich, sondern im Produkt Support zur Betreuung laufender Produkte beschäftigt; dafür gibt es jedoch noch nicht einmal eine Einordnung nach Vergütungsrichtlinie.
Doch das sei für die Zuordnung zu einer bestimmten Wertzahl nicht erforderlich, stellt die Schiedsstelle klar. Denn es komme nicht auf die nominelle Stellung, sondern auf den tatsächlich mit der jeweiligen Aufgabe verbundenen Informationszufluss an. Und der sei vorliegend gegeben, der Erfinder war als Bindeglied zwischen Vertrieb, Fertigung und Konstruktion eingesetzt.
Zudem war ihm als Sonderaufgabe die Leitung des Projekts zur Weiterentwicklung des Produkts übertragen; zwei weitere Projektmitarbeitern hatten Aufgaben zur Einschätzung der Marktakzeptanz und der fertigungstechnischen Realisierbarkeit. Der Einblick, den der Erfinder in die Entwicklungstätigkeit des Unternehmens hatte, sei daher am ehesten mit dem Informationszufluss vergleichbar, über den ein Entwicklungsingenieur ohne Führungsfunktion verfügt, legte die Schiedsstelle fest. Und dies entspricht der Wertzahl „c = 4“ .
Vergütung als konkrete Zahl
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