Darf eine Pressemitteilung darüber informieren, dass ein Wettbewerber sein Produkt unter widerrechtlicher Verwendung von Rezepturen und Betriebsgeheimnissen hergestellt hat und zur Unterlassung dessen obergerichtlich verurteilt wurde? Der BGH bejahte diese Frage.
Bundesgerichtshof zum Fall Knochenzement III
Der Bundesgerichtshof hat im Verfahren Knochenzement III (I ZR 254/16) ein richtungsweisendes Urteil gesprochen im Spannungsfeld zwischen unzulässiger vergleichender Werbung und der Durchsetzung einer Unterlassung wegen Patentverletzung und widerrechtlicher Verwendung von Betriebsgeheimnissen.
Ein Wettbewerber kann ein schutzwürdiges Interesse daran haben, seine Kunden – oder auch potentielle Kunden – über das gerichtlich festgestellte Fehlverhalten des Wettbewerbers zu informieren, urteilte der BGH. Dies ist nicht per se unzulässige vergleichende Werbung.
Die Zulässigkeit solcher Behauptungen bestimme sich nach den in § 6 Abs. 2 Nr. 5 UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, UWG) aufgestellten Maßstäben. Entscheidend sei dabei die Gesamtwürdigung, insbesondere unter Berücksichtigung des Inhalts und die Form der Äußerung sowie die Verständnismöglichkeiten des angesprochenen Verkehrs.
Der Sachverhalt
Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Gebiet des Vertriebs von Knochenzementen. Die Beklagte gehört zum H.-Konzern und stellte zunächst Knochenzemente für die Klägerin her, beendete diese Zusammenarbeit aber zum August 2005 und vertrieb seitdem eigene Knochenzemente.
Die Klägerin verkaufte im Anschluss an die Kündigung der Beklagten bis zum Jahr 2014 eigene Knochenzemente – die laut Vorwurf der Beklagten unter widerrechtlicher Verwendung von den eigenen Betriebsgeheimnissen entwickelt und hergestellt wurden. Durch das rechtskräftige Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 5. Juni 2014 (6 U 15/13) ist es der Klägerin durch Unterlassungsgebot verboten worden, ihre Knochenzemente unter Verwertung von Spezifikationen bestimmter Inhaltsstoffe, die das Oberlandesgericht Frankfurt am Main als Betriebsgeheimnisse der Beklagten angesehen hat, herzustellen und zu vertreiben.
Seit September 2014 vertreibt die Klägerin vom Unternehmen Z. hergestellte „H. „- Knochenzemente. Diese Zemente unterfallen nicht dem Unterlassungsgebot durch das Urteil des OLG Frankfurt. Fast zeitgleich, am 21. August 2014, veröffentlichte die Beklagte eine Pressemitteilung, mit über die vom OLG Frankfurt festgestellte widerrechtliche Verwendung von Betriebsgeheimnissen durch die Klägerin informiert wurde. Die Klägerin beanstandete die in der Pressemitteilung enthaltenen Behauptungen als unlautere Herabsetzung und stellte den Antrag, dies zu untersagen.
Vergleichende Werbung kann zulässig sein
Der Bundesgerichtshof hat diesen Antrag abgelehnt. Zwar sei eine Pressemitteilung als vergleichende Werbung im Sinne von § 6 Abs. 1 UWG anzusehen, auch handele es sich hier um von konkreten Wettbewerbern angebotene, hinreichend austauschbare Produkte, die Voraussetzung für die Anwendung des § 6 UWG.
Im Streitfall gehe es aber nicht um eine rein unternehmensbezogene Werbung, stellte der BGH klar. Informiert wurde ja über die widerrechtliche Verwendung von Betriebsgeheimnissen bezogen auf das konkrete Produkt Knochenzement, damit sei mittelbar die Leistungsfähigkeit und Fachkompetenz des Personals der Klägerin angesprochen. Dies sieht der BGH als ein Gesichtspunkt, der Einfluss auf die Qualität der Produkte hat. Der Tatbestand der Herabsetzung im Sinne von § 6 Abs. 2 Nr. 5 UWG sei daher nicht anwendbar. In Zweifelsfällen sei entscheidend, ob der angesprochene Verkehr aus den verglichenen Umständen eine für seine Kaufentscheidung nützliche Information entnehmen wird.
Sachliche Pressemitteilung ist keine unlautere Herabsetzung
Schon gar nicht ist die strittige Pressemitteilung als unlautere Herabsetzung zu sehen gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 2 UWG, wie die Klägerin geltend machte. Eine Herabsetzung im Sinne dieser Bestimmung setzt mehr voraus als die einem kritischen Werbevergleich immanente Gegenüberstellung der Vorteile und Nachteile der verglichenen Produkte.
Maßgeblich sei, ob die angegriffene Werbeaussage sich noch in den Grenzen einer sachlichen Erörterung hält oder bereits eine pauschale Abwertung der fremden Erzeugnisse darstellt, urteilte der BGH. Die Pressemitteilung beschränkte sich jedoch auf einen sachlichen Ton und informierte über unstreitig zutreffende Umstände. Pauschal abwertende oder abfällige Äußerungen waren nicht enthalten. Mit der öffentlichen Bekanntmachung der Beurteilung eines staatlichen Obergerichts habe die Beklagte dem angesprochenen Verkehr eine in besonderem Maße sachbezogene und nachprüfbare Grundlage für eine sachgerechte, informierte Nachfrageentscheidung mitgeteilt.
Das Gericht wies darauf hin, die hier in Rede stehenden Produkte komplex herzustellende und wegen ihres Einsatzes auf dem Gebiet der Medizin besonders sicherheitssensible Produkte sein, und daher maßgeblich für eine informierte Nachfrageentscheidung auch die eigene Leistungsfähigkeit des Anbieters sei.
Dieses Äußerungsrecht gemäß der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehe der Beklagten zu, und sie habe davon unbenommen die Möglichkeit der Zwangsvollstreckung aus den gerichtlichen Herstellungs- und Vertriebsverboten, urteilte der BGH. Das Urteil des Landgerichts ist abzuändern, die Klage auf Untersagung der in der Pressemitteilung enthaltenen Behauptungen wird abgewiesen.
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Quellen:
Urteil des BGH I ZR 254/16 „Knochenzement III“
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