Ist es einem Hersteller nach einem Wettbewerbsverstoß untersagt, seine Ware zu vertreiben, muss er sie gemäß der Rechtssprechung auch zurückrufen. Aktuelle Urteile zu Unterlassungsschuld wegen Falschaussagen im Internet legen dies streng aus: ein Unterlassungsschuldner muss auch mögliche Verstöße durch Dritte überprüfen und unterbinden.
Unterlassungsschuld beinhaltet Rückruf der Waren
Der BGH bestätigte bereits mehrfach seine Linie, nach der Unterlassungsschuldner zum Rückruf ihrer Waren auffordern müssen. Auch ist ein Haftpflichtiger generell verpflichtet, bereits gelieferte Produkte zurückzurufen, um sicherzustellen, dass die Zwischenhändler das Produkt nicht weiter vertreiben (vergleiche BGH RESCUE TROPFEN). Diese Auslegung gilt auch dann, wenn die Unterlassungsklage gegen falsche Behauptungen gerichtet ist und nicht gegen konkrete Produkte. Bei nachweislich falschen Behauptungen müssen die rechtswidrigen Inhalte gelöscht werden.
Eine solche Sachlage lag vor bei mehreren Urteilen zum Thema Rückrufpflicht bei einer Unterlassungsschuld. Die Gerichte urteilte: ein Unterlassungsschuldner muss auch Drittverstöße recherchieren, um Strafe zu vermeiden. Und dies gilt sogar für vom Unterlassungsschuldner nicht in Auftrag gegebene „Google My Business Anzeigen“.
LG Dessau-Roßlau: Unberechtigte Zertifizierung als Viersternehotel
Vor dem Landgericht Dessau-Roßlaus wurde ein solcher Fall im November 2017 verhandelt. Ein Hotelier hatte im Rahmen seiner Website mit vier Sonnensymbolen geworben. Diese Symbole waren leicht verwechselbar mit dem gängigen Qualitätssystem der Sternebewertung und waren auch dort in der Webseite des Hotels platziert, wo nach gängiger Ansicht die Sternebewertung eines Hotels lokalisiert ist.
Eine Berechtigung und offizielle Zertifizierung als Viersternehotel vom Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) lag für dieses Hotel nicht vor. Der Branchenverband bemängelte daher die Verwendung der sternenähnlichen Sonnensymbole und forderte eine strafbewehrte Unterlassungserklärung des Hotelwirtes. Weil der Betreiber des Hotels diese nicht abgeben wollte, wurde der Fall vor dem Landgericht Dessau-Roßlau verhandelt (LG Dessau-Roßlau, Urteil v. 24.11.2017, Az.: 3 O 32/17).
Im Kern stand die Frage, ob das Symbol der Sonnen eine Verwechslungsgefahr mit dem anerkannten Sternesystem als Qualitätszertifizierung bestehe. Dies wurde bejaht. Darüber hinaus aber ging es auch um die Frage, ob ein Unterlassungsschuldner zur Einhaltung seiner Unterlassungspflicht auch Dritte kontaktieren muss, die den wettbewerbswidrigen Inhalt ohne seinen Auftrag oder sein Zutun verbreiten.
Drittverstöße im Internet müssen nachdrücklich unterbunden werden
Das Gericht bejahte dies und legte die Sorgfaltsanforderungen damit sehr streng aus. Zwar habe ein Unterlassungsschuldner für das selbständige Handeln Dritter grundsätzlich nicht einzustehen. Er sei jedoch unbedingt gefordert, auf Dritte einzuwirken, deren Handeln ihm wirtschaftlich zugute kommt (vergleiche BGH RESCUE TROPFEN). Im vorliegenden Fall hätte der Beklagte deshalb sicherstellen müssen, dass der Hinweis auf die unberechtigte 4-Sterne-Klassifizierung nicht mehr im Internet aufgerufen werden konnte – auch nicht über die Trefferliste der erfolgreichsten Suchmaschine Google, im Cache oder im Anzeigenformat von Google. Der Beklagte hätte eigene Recherchen in den gängigen Suchmaschinen durchführen müssen, um mögliche Drittverstöße ausfindig zu machen.
Bei einem solchen Drittverstoß reicht es nicht aus, den Dritten lediglich anzurufen oder eine E-Mail zu schreiben. Vielmehr müsse mit Nachdruck nachgefasst werden und es seien rechtliche Schritte anzudrohen. Denn findet ein Unterlassungsschuldner einen Verstoß Dritter, muss er auf Dritte vielmehr nachhaltig einwirken zur Einhaltung seiner Unterlassungspflicht – dies gelte sogar für „Google My Business“ Anzeigen, die nicht von ihm in Auftrag gegeben wurden. Ein Unterlassungsschuldner kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass Einträge in Branchenverzeichnissen nicht von ihm selbst verfasst sind. Denn erst seine Falschaussage konnte überhaupt ermöglichen, dass Dritte diese Falschaussagen widergeben, urteilte bereits das Landgericht Karlsruhe in dem Fall „Grenzen der Verpflichtung des Schuldners zu einer Internetrecherche zur Vermeidung weiterer Wettbewerbsverstöße“ (LG Karlsruhe 08.07.2014 – Az.: HK O 33/13).
OLG Stuttgart: Unterlassungsschuldner und die Beseitigung von Veröffentlichungen im Internet
Bereits 2015 hatte das Oberlandesgericht Stuttgart ganz ähnlich geurteilt. Ein Unterlassungsschuldner könne sich grundsätzlich nicht darauf berufen, dies sei mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden. Er genüge seiner Pflicht nur, wenn aus der Sicht eines objektiven Dritten an der Stelle des Vollstreckungsschuldners damit zu rechnen sei, dass die ergriffenen Maßnahmen sicher dazu führen, dass sich die in der Vergangenheit gesetzte Gefahr einer erneuten Verbreitung der unlauteren Aussage im Internet nicht verwirklichen wird. Dies gilt nicht nur in Bezug auf künftige Veröffentlichungen, sondern auch das Aufrechterhalten einer zuvor zustande gekommenen Veröffentlichung. Denn jeder Abruf im Internet zieht eine aktuelle, neue Datenübermittlung nach sich, und ist damit auch normativ ein Verstoß gegen das Unterlassungsgebot.
(OLG Stuttgart vom 10.9.2015, 2 W 40/15)
Fazit
Die Urteile machen deutlich, dass falsche Angaben auf eigenen Webseiten durch die schnelle Verbreitung im Internet sehr aufwändig und auch kostspielig werden können, wenn es zu einem strafbewehrten Unterlassungsanspruch kommt. Zwar muss ein Unterlassungsschuldner nicht unbegrenzt das gesamte Internet aufräumen, aber doch wesentliche Bereiche davon. In jedem Fall muss er die bekanntesten Suchmaschinen und Online-Portale überprüfen und auch zeitnah überwachen, dass die Unterlassung dort tatsächlich erfolgt ist. Wie grundsätzlich bei strafbewehrten Unterlassungsansprüchen sollte dies sehr sorgsam dokumentiert werden. Nicht nur die einzelnen Maßnahmen, sondern auch die Reaktionen der Adressaten des Rücknahmeverlangens gehören zu seiner solchen Dokumentation.
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Quelle:
BGH : RESCUE TROPFEN: Unterlassungsanspruch umfasst den Rückruf von Waren
OLG Stuttgart 2 W 40/15: Beseitigung von Veröffentlichungen im Internet
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