Bisher wurde gerade für Rechtsverstöße im Internet immer ganz Deutschland als „Tatort“ betrachtet, daher war fliegender Gerichtsstand möglich. Das soll seit der UWG Anpassung von 2020 und § 14 Absatz 2 UWG n.F. nicht mehr möglich sein. Die deutschen Gerichte sind sich dennoch nicht einig.
Fliegender Gerichtsstand für Rechtsverstöße im Internet war lange möglich
Lange Zeit galt für Rechtsverletzungen im Wettbewerbsrecht und vor allem auch für Rechtsverstöße im Internet der fliegende Gerichtsstand und somit eine Regelung, mit der Ansprüche vor jedem beliebigen Gericht in Deutschland geltend gemacht werden dürfen.
Gerade für Rechtsverstöße im Internet schien das unbestreitbar, denn schließlich macht das Internet im Inland einen Rechtsverstoß ganz Deutschland zum relevanten „Tatort“. Im rechtlichen Sprachgebrauch nennt man dies den „Ort der Zuwiderhandlung“, rechtlich relevant ist hierfür seit Dezember 2020 der § 14 Absatz 2 UWG n.F. (Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb in neuer Fassung).
Rechtsverstöße im Internet- passende Gerichtsorte als Strategie
Ein solcher fliegender Gerichtsstand für Rechtsverstöße im Internet wurde gerne strategisch genutzt, um Einstweilige Verfügungen wegen Rechtsverstößen im Internet vor speziellen Gerichten zu beantragen – und damit bessere Chancen für den Rechtserfolg zu haben. Es ist ein offenes Geheimnis, dass gerade die großen Telekommunikationsunternehmen mit ihren SEP und FRAND Rechtsverletzungsvorwürfen überwiegend die Gerichte in München, Mannheim und Düsseldorf auswählen.
Vor allem aber wurde ein fliegender Gerichtsstand auch genutzt, um digital automatisierte Aufspürung von Rechtsverstößen (Stichwort: Crawler) im großen Stil und missbräuchlich abzumahnen, durchaus an Gerichtsorten, die weit entfernt lagen vom Wohnsitz der Beklagten und diesem die Teilnahme an einem Rechtsverfahren zu erschweren. Hier sah die Bundesregierung Handlungsbedarf zum Schutz der Verbraucher und Kleinst- und Mittelstandsunternehmen.
Um diese Missstände einzuschränken, wurde daher mit dem „Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs“ im Dezember 2020 das bestehende UWG angepasst- wir berichteten.
Insbesondere wurde eine Änderung des § 14 Absatz 2 Satz 3 Nr. 1 UWG eingebracht. Demnach muss ein Kläger wettbewerbsrechtliche Rechtsverstöße im Internet nun grundsätzlich geltend machen an dem für den Sitz des Beklagten zuständigen Gericht (es sei denn, der Beklagte hat im Inland keinen allgemeinen Gerichtsstand). Der genaue Wortlaut des § 14 Absatz 2 Satz 3 Nr. 1 UWG n. F. sieht für den Ausschluss des fliegenden Gerichtsstands „Rechtsstreitigkeiten wegen Zuwiderhandlungen im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien“ vor.
Wortlaut des § 14 Absatz 2 UWG n.F. nicht eindeutig?
Dieser Wortlaut in der Gesetzesanpassung lasse die nötige Eindeutigkeit und Klarheit vermissen, meinen manche deutschen Gerichte – was schon bereits in den wenigen Monaten seit der UWG Anpassung im Dezember 2020 zu unterschiedlichen Urteilen an deutschen Gerichten geführt hat. Vor allem die erstinstanzlichen Landgerichte pochen auf die Zuständigkeit ihrer Gerichte.
Gerichte deutschlandweit unterschiedlicher Auffassung zu UWG-Änderung
Den Anfang machte LG Düsseldorf Mitte Januar 2021. Das LG hatte eine Einstweilige Verfügung erlassen und hatte seine Zuständigkeit auch für die Werbung in Telemedien damit begründet, die seit dem 02. Dezember 2020 geltende Vorschrift des § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG n.F. erfasse nur Verstöße gegen internetspezifische Kennzeichnungsvorschriften.
Auch das nachfolgend in diesem Fall angerufene OLG Düsseldorf betonte mit seiner Entscheidung 20 W 11/21 vom 16. Februar 2021, der von der Bundesregierung festgestellte Missstand wurde bei der Verfolgung im Internet begangener Verstöße gesehen, vor allem bei der automatisierten Verfolgung eher leichter Verstöße gegen Kennzeichnungspflichten. Einschränkungen auf bestimmte im Internet begangene Verstöße oder lediglich auf Kennzeichnungspflichten des Internets ergeben sich hieraus aber keineswegs, ist die Ansicht des OLG Düsseldorf, und formulierte gegen die vom Landgericht vorgenommene Auslegung des anwendbaren § 14 Abs. 2 UWG n.F. erhebliche Bedenken. Das OLG betonte die Möglichkeit, der Gesetzgeber könne bewusst auf eine eingeschränkte Aussetzung des fliegenden Gerichtsstands für Rechtsverstöße im Internet verzichtet haben. In der Sache wies das OLG die Klage allerdings zurück, denn die Antragsgegnerin hatte sich mit einer Beschwerde an das OLG gewandt. Bejaht aber das Landgericht bei einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung in einer Beschlussverfügung seine örtliche Zuständigkeit, dann kann der Antragsgegner dies nur im Wege des Widerspruchs (§ 924 ZPO) angreifen, erläuterte das OLG.
Die Auslegung der neuen UWG Regelung scheint nun zu einem Dauerzwist zwischen dem Landgericht und dem Oberlandesgericht in Düsseldorf zu führen. Denn inzwischen hat das LG Düsseldorf in einem weiteren Fall zu dieser Frage geurteilt damit und darin seine im Januar geäußerte Auslegung wiederholt. Eine über die identifizierten missbrauchsanfälligen Fälle hinausreichende Abschaffung des Gerichtsstands des Begehungsortes für alle Formen online begangener geschäftlicher Handlungen verbiete sich als Auslegung an dem weiten, nur vermeintlich eindeutigen Wortlaut, so kritisierte das LG Düsseldorf wörtlich den § 14 Abs. 2 UWG n.F. in seiner Entscheidung vom 21. Mai 2021 (38 O 3/21).
Eine gerichtliche Zuständigkeit nach § 14 Absatz 2 Satz 3 Nr. 1 UWG, welche sich nach dem Wohnsitz des Beklagten richtet, gelte ausschließlich für „Zuwiderhandlungen bei denen der geltend gemachte Rechtsverstoß tatbestandlich an ein Handeln im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien anknüpft“, schränkte das LG Düsseldorf den § 14 Abs. 2 UWG n.F. ein. Verstöße gegen das lauterkeitsrechtliche Irreführungsverbot aus §§ 5, 5a UWG seien daher nicht von dem Ausschlusstatbestand des § 14 Absatz 2 Satz 3 Nr. 1 UWG n.F. umfasst, urteilte das Landgericht, da Verstöße gegen §§ 5, 5a UWG tatbestandlich keinen Verbreitungsweg über das Internet vorsehen und sie in der Regel ernstzunehmende Rechtsverstöße mit oftmals großer Wirtschaftskraft der großen globalen Digitalunternehmen sind, keineswegs leichte Verstöße für missbräuchliche Massenabmahnungen.
Übrigens war auch das LG Frankfurt in seiner Entscheidung vom 11. Mai 2021 (3-06 O 14/21) der Ansicht, dass es dem Wortlaut des § 14 Abs. 2 UWG n.F. an einer notwendigen Eindeutigkeit fehle, was an der Doppelung der Begriffe „elektronischer Geschäftsverkehr“ und „Telemedien“ erkennbar sei. Es bezog jedoch keine eigene abschließende Position zu der Auslegung von § 14 Absatz 2 Satz 3 Nr. 1 UWG n.F. Stattdessen verwies das LG Frankfurt darauf, da der Kläger denselben Streitgegenstand zur rechtlichen Überprüfung stellte, war der Anspruch zurecht vor dem LG Frankfurt geltend gemacht worden – schließlich seien das örtlich zuständige Gericht bei einer Klage mit einem einheitlichen prozessualen Anspruch den Rechtsstreit nicht nur unter dem Gesichtspunkt der unerlaubten Handlung, sondern unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen und zu entscheiden (BGH NJW 2003, 828).
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