Muss der Streitwert im Nichtigkeitsstreit um ein SEP mit einem höheren Zuschlag festgesetzt werden wegen dem hohen Wert der eigenen Nutzung eines SEP? Der BGH urteilte darüber mit der Leitsatzentscheidung Nichtigkeitsstreitwert III.
Nichtigkeitsstreit um ein SEP
Eine (vorläufige) Streitwertfestsetzung liegt den anhängigen Verletzungsverfahren zugrunde. Gilt das auch im Nichtigkeitsstreit um ein SEP? Oder ist ein höherer Zuschlag angemessen wegen dem hohen Wert der eigenen Nutzung eines SEP? Der BGH urteilte in diesem Fall mit der Leitsatzentscheidung Nichtigkeitsstreitwert III.
Die Beklagte (Panasonic Corporation, Japan) im Nichtigkeitsverfahren ist Inhaberin des am 26. Dezember 2008 angemeldeten europäischen Patents 2 228 933 (Streitpatents), das eine Vorrichtung und ein Verfahren zur Funkübertragung in Kommunikationssystemen mit adaptiver Modulation betrifft.
Bei Erhebung der Nichtigkeitsklage waren drei auf das Streitpatent gestützte Verletzungsverfahren anhängig. Doch nicht die eigentliche Nichtigkeitsklage war das Thema, das letztlich vor dem BGH verhandelt wurde, sondern der Streitwert – genauer gesagt die Höhe des Streitwerts. Das vorinstanzliche Bundespatentgericht hatte einen sehr erhöhten Betrag als Streitwert festgesetzt, und dies damit begründet, dass es sich um ein sogenanntes standardessentielles Patent (SEP) handelte. Panasonic wandte sich dagegen und forderte die Festsetzung auf einen deutlich geringeren Streitwert.
Wann kommt es überhaupt zur Festsetzung des Streitwerts? Relevant ist dafür der § 63 Abs. 1 Satz 1 GKG (Gerichtskostengesetz), demnach eine vorläufige Festsetzung des Streitwerts erfolgt, wenn weder eine Geldsumme verlangt wird noch ein fester Wert gesetzlich vorgesehen ist.
Das war vorliegend der Fall. Kommt es also zu einer Festsetzung des Streitwerts, ist dieser „nach billigem Ermessen“ (§ 51 Abs. 1 GKG) zu bestimmen. Dazu gibt es zudem auch ständige Rechtsprechung des BGH, demnach der gemeine Wert des Patents bei Erhebung der Klage bzw. bei Einlegung der Berufung zuzüglich des Betrags der bis dahin entstandenen Schadensersatzforderungen maßgeblich ist (siehe u.a. November 2006 – X ZR 138/04, Juli 2009 – X ZR 153/04).
Streitwert im Nichtigkeitsstreit: in der Regel um 25% zu erhöhen
Daher liegt die (vorläufige) Streitwertfestsetzung den anhängigen Verletzungsverfahren zugrunde. Dieser Betrag ist in der Regel um 25% zu erhöhen, um dem Wert der eigenen Nutzung Rechnung zu tragen, hat der BGH schon im April 2011 (X ZR 28/09) in der Entscheidung Nichtigkeitsstreitwert I festgestellt – und entschied so auch in diesem vorliegenden Fall.
Streitwert im Verfahren um SEP
Die Tatsache, dass es sich um ein SEP handelt, führe keineswegs zu einer weiteren Erhöhung des Streitwerts, entschied das BGH – entgegen der BPatG Entscheidung.
Denn die Tatsache, dass es sich um ein Patent handelt, dessen Nutzung für den Zugang zu einem bestimmten Markt essentiell ist, finde in der Regel bereits bei der Festsetzung des Streitwerts im Verletzungsprozess Berücksichtigung, erläuterte der BGH. Und schon bei Festsetzung des Streitwerts im Verletzungsverfahren würden die Besonderheiten eines SEP einfließen, so zum Beispiel eine der Streitwertermittlung dienende Lizenzprognose und natürlich auch Umsatzerwartungen.
Aber gerade für Umsätze und Lizenzeinnahmen sei ein Zugang zum Markt üblich, ergänzte das Gericht, bei dem die Einnahmemöglichkeiten nicht von einem einzelnen Patent abhängen, sondern in der Regel von einem umfassenden Patentportfolio. Entsprechend sind die Einnahmenmöglichkeiten nicht zwingend spürbar beeinträchtigt durch einzelne Verletzungsklagen.
Daher, entschied der BGH sogar als Leitsatz, vermag der Umstand, dass das Streitpatent als standardessentiell angesehen wird, für sich gesehen nicht zu rechtfertigen, den Streitwert des Patentnichtigkeitsverfahrens auf einen Betrag festzusetzen, der den Streitwert der auf dieses Patent gestützten Verletzungsprozesse um mehr als um 25% übersteigt.
Das Gericht bestätigte den Klageeinwand von Panasonic und setzte – wie von Panasonic gefordert – den Streitwert für das Berufungsverfahren vorläufig auf 1.875.000 Euro fest, wesentlich geringer als vom Bundespatentgericht entschieden worden war.
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Quellen:
BGH ‚Nichtigkeitsstreitwert III‘, X ZR 23/21
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