Eine Nichtigkeitsklage gegen ein Patent führt häufig zu einer Gegenklage, bei der eine Patentverletzung geltend gemacht wird. Das BPatG hat eine Leitsatzentscheidung getroffen zum Rechtsschutzinteresse bei einer Nichtigkeitsklage mit parallelem Verletzungsverfahren.
In seiner Leitsatzentscheidung ‚Blasenkatheterset‘ (35 W (pat) 434/18) definierte das BPatG die Grundsätze für Nichtigkeitsverfahren mit parallelem Verletzungsverfahren und das Rechtsschutzinteresse an der Fortführung eines Nichtigkeitsverfahrens – auch wenn das Streitpatent infolge Zeitablauf bereits „ex nunc“ erloschen ist.
Besonderes, eigenes Rechtsschutzbedürfnis des Klägers
Für die Nichtigkeitsklage gegen ein so bereits erloschenes Patent ist ein besonderes, eigenes Rechtsschutzbedürfnis des Klägers erforderlich. Die Darlegungs- und Beweislast hierfür liegt beim Kläger (BGH GRUR 1995, 342 – Tafelförmige Elemente). Typischerweise liegt ein solches eigenes Rechtsschutzinteresse vor, wenn ein Verletzungsstreit zwischen den Parteien des Nichtigkeitsverfahrens im Entscheidungszeitpunkt schwebt.
Das war vorliegend der Fall, bei dem im Mittelpunkt die Patentfähigkeit eines gebrauchsfertigen Blasenkathetersets stand. Gegenwärtig anhängig war eine auf Patentanspruch 1 gestützte Verletzungsklage beim OLG Düsseldorf nach erstinstanzlicher Entscheidung des LG Düsseldorf, in dem eine Verletzung des Streitpatents bejaht wurde. Nach Ansicht des Gerichts war es nicht ausgeschlossen, dass die Verletzung im Rahmen noch anhängiger Verletzungsverfahren in der ersten oder auch zweiten Instanz nachträglich auch auf weitere Ansprüche des Klagepatents gestützt wird. Das BPatG verwies auf das (verfahrensrechtliche) Rechtsschutzbedürfnis (gemäß Terminologie Keukenschrijver/Busse PatG, 8. Aufl., vor § 34 Rn. 43) das als berechtigtes Interesse des Klägers auch für die Nichtigkeitsklage großzügig zu bejahen sei.
Dem Rechtsschutzinteresse der Klägerin an der Fortführung des Nichtigkeitsverfahrens steht nicht entgegen, dass die Patentinhaberin sich im parallelen Verletzungsverfahren und im Entscheidungszeitpunkt der Nichtigkeitsklage nur auf den Hauptanspruch stützt – ohne die im Nichtigkeitsverfahren angegriffenen Unteransprüche gesondert zu verteidigen, entschied das Bundespatentgericht in Bezug auf ein Nichtigkeitsverfahren, welches auch den Angriff auf sämtliche Unteransprüche des erloschenen Streitpatents umfasst.
Auch der Bundesgerichtshof hat bereits entschieden, dass bei selbstständigen Ansprüchen das Interesse an der Nichtigerklärung des einen Anspruchs nicht notwendigerweise auch das Interesse an der Nichtigerklärung des anderen Anspruchs begründen müsse (BGH GRUR 2005, 749 – Aufzeichnungsträger).
Ein Rechtsschutzbedürfnis für den Angriff auch der Unteransprüche wäre deshalb vorliegend nur dann im maßgeblichen Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung entfallen, erklärte das BPatG im vorliegenden Fall Blasenkatheterset, wenn die Beklagte zuvor verbindlich auf alle Unteransprüche aus dem Schutzrecht gegenüber der Klägerin verzichtet hätte, auch für die Vergangenheit.
Antragshäufung mehrerer Nichtigkeitsgründe: zulässig oder nicht?
Im zweiten Teil seiner Leitsatzentscheidung brachte das BPatG zudem mehr Klarheit zur Zulässigkeit oder Unzulässigkeit von Antragshäufung mehrerer Nichtigkeitsgründe. Die Geltendmachung mehrerer Nichtigkeitsgründe gegen identische Patentansprüche mit der Nichtigkeitsklage begründet eine zulässige alternative Antragshäufung, entschied das Gericht. Denn die Nichtigkeitsgründe bilden eigenständige Streitgegenstände, erläuterte das Gericht, welche auf ein einheitliches Klageziel gerichtet sind. Allerdings ist die widerrechtliche Entnahme der der zulässigen alternativen Antragshäufung ausgenommen, insbesondere im Hinblick auf ein mögliches Nachanmelderecht gemäß § 7 PatG im Einspruchsverfahren als bescheidungspflichtiger Streitgegenstand.
Dagegen ist es jedoch grundsätzlich als unzulässig anzusehen, entschied das BPatG, wenn eine anfängliche oder nachträgliche im Wege der Klageänderung nach § 263 ZPO nur hilfsweise zur Entscheidung gestellte Geltendmachung weiterer Nichtigkeitsgründe (eventuelle Antragshäufung) geschieht.
Das Bundespatentgericht verwies auch auf die jüngere Rechtsprechung des BGH, wonach eine „alternative Antragshäufung“ im Hinblick auf das sich aus § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ergebende Bestimmtheitsgebot als unzulässig anzusehen ist. Das aber beziehe sich auf Fallgestaltungen eines einheitlichen Klagebegehrens aus mehreren Schutzrechten oder aus mehreren wettbewerbsrechtlichen Ansprüchen auf Verbot einer bestimmten Werbung, erklärte das BPatG. Die Besonderheiten des patentrechtlichen und auch des markenrechtlichen Bestandsverfahrens seien aber mit den dortigen Sachverhalten des Zivilrechts nicht vergleichbar.
Im Übrigen verstoße eine alternative Antragshäufung auch nicht gegen das Gebot der Waffengleichheit im Hinblick auf das erforderliche Verteidigungsverhalten des Beklagten und die Prozesskostenlast, ergänzte das Gericht. Denn dem Patentinhaber entstehen daraus, dass er von Anfang gehalten ist, sich mit sämtlichen Streitgegenständen in gleicher Weise zu befassen, ebenso wenig unzumutbare Nachteile wie im Hinblick darauf, dass sich die alternative Anspruchshäufung nicht im Prozesskostenrisiko niederschlägt.
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Quelle:
BPatG ‚Blasenkatheterset‘, 4 Ni 50/17 (EP)
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