Das Landgericht München hat über einen Inländischen Verfügungsantrag gegen eine chinesische Anti-Suit-Injunction (ASI) entschieden. Bemerkenswert sind daran nicht nur die „Steigerungen“ der ASI zu AASI, AAASI und AAAASI, sondern klare Worte über China.
Streitparteien sind globale Konzerne der Telekommunikation
Klägerin (Verfügungsklägerin) ist eine Unternehmensgruppe für Telekommunikationsdienstleistungen mit Sitz in W., Delaware, USA. Sie ist Inhaberin zahlreicher Schutzrechte in Deutschland sowie weltweit, unter anderem auf dem Gebiet der Mobilfunktelekommunikation der zweiten (GSM), dritten (UMTS), vierten (LTE) und fünften (5G) Generation.
Der Beklagte ist der chinesische Konzern und Elektronikhersteller Xiaomi (sowie dessen 100%tige Töchter aus Wuhan, China) und seit Anfang 2020 der weltweit drittgrößte Hersteller von Smartphones. Die Beklagte verfügt auch über eine Zweigniederlassung in D. bzw. B. Darüber hinaus verfügt die Verfügungsbeklagte zu auch über zwei Zustelladressen in China (Peking und Hongkong).
Auf vergebliche Bemühungen um FRAND-Lizenz folgte ASI
Nach Behauptung der Verfügungsklägerin versuchte die Klägerin seit sieben Jahren vergeblich, sich mit den Beklagten auf den Abschluss einer FRAND-Lizenz über ihr SEP-Portfolio betreffend die 3G und 4G-Technologie zu einigen. Zuletzt hatte man im Februar 2020 erfolglos ein Lizenzangebot unterbreitet. Dem folgte dann im Zeitraum von Juni 2020 bis zum November 2020 ein Hin- und Her an Feststellungsklage und Anti-Suit-Injunction (ASI) zwischen den Parteien, unter anderem mit ASI und ASI Erwiderungen (AASI, AAASI) vor dem Intermediate People’s Court in Wuhan, Volksrepublik China, dem High Court in Neu-Delhi, Indien und schließlich auch dem Landgericht I München.
Antrag gegen chinesische ASI in Deutschland
Schlussendlich beantragte die Verfügungsklägerin aus den USA vor dem Landgericht München I den Erlass einer einstweiliger Verfügung, die das LG München am 09. November 2020 bestätigte und auch eine Zwangsvollstreckung aus der einstweiligen Verfügung anordnete gegen die Beklagte aus China.
Gegen diese Entscheidung des LG München klagten die Verfügungsbeklagten aus China. Sie beriefen sich auf darauf, dass die öffentliche Zustellung ihnen gegenüber unwirksam sei und zudem die in Indien und China anhängigen Verfahren der Verneinung einer anderweitigen Rechtshängigkeit bzw. der Bejahung eines Rechtsschutzbedürfnisses entgegenständen.
Doch vergeblich; das LG München bestätigte mit seiner Entscheidung vom 25. Februar 2021 (7 O 14276/20) die angefochtene einstweilige Verfügung vom 09. November 2020. Zudem formulierte das Landgericht München dazu einige Leitsätze für einen Inländisches Verfügungantrag gegen chinesische Anti-Suit-Injunction.
Chinesische ASI – Öffentliche Zustellung
Eine öffentliche Zustellung kann grundsätzlich erfolgen, wenn eine Zustellung im Ausland nicht möglich ist oder keinen Erfolg verspricht. Dies sei auch der Fall, erläuterte das LG München, wenn die ersuchte Behörde die Rechtshilfe verweigert. In Bezug auf China entschied das Landgericht explizit, derzeit müsse davon ausgegangen werden, dass die zuständigen chinesischen Behörden die Zustellung von gerichtlichen Ladungen und Verfügungen aus Deutschland, insbesondere in Patentstreitsachen, verweigern oder erheblich verzögern.
Antrag auf ASI und AASI
Ein Antrag vor einem chinesischen Gericht auf Erlass einer anti-suit-injunction (ASI), also eine chinesische ASI, oder einer Entscheidung, die die Beantragung einer Entscheidung der vorliegenden Art (anti-anti-suit-injunction(AASI)) untersagt, mit dem Ziel, die Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen wegen Patentverletzung in Deutschland zu verhindern, stellt nach Ansicht des Landgerichts München eine Beeinträchtigung der eigentumsähnlichen Rechtsposition des Patentinhabers dar.
AASI, AAASI und AAAASI
Einem Patentinhaber stehe es offen, ergänzte das LG München, einen auf Erstbegehungsgefahr gestützten Antrag auf Erlass geeigneter einstweiliger Gegenmaßnahmen zu stellen, die statt oder neben Anordnungen in Bezug auf eine drohende oder bereits erlassene ASI (AASI) auch Anordnungen dahingehend umfassen können (AAAASI), im Ausland keinen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung (AAASI) zu stellen, mit dem einem Patentinhaber verboten werden soll, einen Verfügungsantrag der vorliegenden Art (AASI) zu stellen.
Einmal mehr zeigt sich auch hier: Anti-Suit-Injunction ist eine beliebte Waffe im Rechtsstreit um FRAND und SEP
Erstbegehungsgefahr
Eine Erstbegehungsgefahr sei insbesondere dann anzunehmen, erläuterte das Landgericht München, wenn der Patentbenutzer einen Antrag auf Erlass einer ASI gegenüber dem Patentinhaber angedroht bzw. gestellt hat oder in einer Jurisdiktion, die ASIs grundsätzlich bereitstellt, eine Hauptsacheklage auf Einräumung einer Lizenz oder auf Feststellung einer angemessenen globalen Lizenzgebühr für eine solche Lizenz eingereicht oder dies angedroht hat.
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Quellen:
LG München I, Endurteil v. 25.02.2021 – 7 O 14276/20
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