Dass eine Erfindung, die patentfähig ist, immer eine technische Lösung und/oder einen technischen Charakter enthalten muss, ist bekannt. Außerdem muss dadurch Neues entstehen. Wie also steht es mit Fenster, Tür und Tisch – sind Gebrauchsgegenstände patentfähig?
Grundsätzlich sind Gebrauchsgegenstände patentfähig, denn beispielsweise die Antriebssysteme von Fenster und Tür oder auch die Getriebe zur Entriegelung belegen die erforderliche Technizität der Erfindung. Auch Tische können beispielsweise durch Hebe- und Justierungsmechanismen einen technischen Charakter haben.
Patentfähig nur wenn „neu“ und „erfinderisch“
Schwieriger ist daher tatsächlich, die für Patentfähigkeit erforderliche Neuheit zu erfüllen. Das Fallbeispiel „Fenster und Tür“, über das im Bundespatentgericht vor wenigen Tagen verhandelt und entschieden wurde, zeigt quasi als Modellcharakter, wie schwer es ist, bekannte Gebrauchsgegenstände unter Patentschutz zu stellen – und vor allem, diesen Patentschutz zu verteidigen.
In der Sache ging es um ein Nichtigkeitsverfahren gegen das Europäische Patent 2 573 306 mit der Bezeichnung „Fenster oder Tür”, das eine Priorität vom September 2011 in Anspruch nimmt, aus dem deutschen Patent 10 2011 053 767. Das Patent erhebt Anspruch für Fenster oder Tür mit einem Flügelrahmen und einem Blendrahmen, die motorisch angetrieben werden. Im Detail ist dies ausgeführt in der Patentschrift mit Berücksichtigung der verschiedenen Schließpositionen, der Entriegelung und Antriebstechnik.
2018 wurde das Europäische Patent veröffentlicht, und 2020 wurde eine Klage auf Nichtigkeit gegen das Patent erhoben. Die Klägerin machte geltend, das Streitpatent sei wegen fehlender Neuheit sowie zumindest mangelnder erfinderischer Tätigkeit nicht patentfähig und für nichtig zu erklären. Dabei verwies sie u.a. vor allem auf drei Druckschriften, die bereits vor dem Prioritätstag des Streitpatents öffentlich waren: NK 5, NK 7 und NK 9. Alle drei sind deutsche Patente.
Nichtigkeitsverfahren: Überprüfung der erfinderischen Tätigkeit
Tatsächlich werden in der Druckschrift NK 5 (das Patent DE 10 2006 013 332 A1) zwar mehrere Entriegelungseinrichtungen im Sinne des Streitpatents genannt. Jedoch sei daraus weder zu entnehmen, dass zum Entkoppeln bzw. Entriegeln ein Getriebeelement des Getriebes außer Eingriff bringbar ist (Merkmal 7 des Streitpatents), noch, dass das Gehäuse dafür ausgebildet ist (Merkmal 14 des Streitpatents), stellte das BPatG fest.
Neu und erfinderisch ist dies dennoch nicht. Denn diese Entkopplungsart sei dem Fachmann für Fenster- und Türantriebe bereits aus der Druckschrift NK 7 bekannt, entschied das BPatG. Es lag im Rahmen des üblichen Handelns eines Fachmanns, erläuterte das Gericht, die Anwendbarkeit der aus den Druckschriften NK 7 oder NK 9 bekannten alternativen Entriegelungsvorrichtung auch bei dem Fenster oder der Tür gemäß Druckschrift NK 5 zu untersuchen.
Allgemein gilt es als mangelnde erfinderische Tätigkeit, wenn es einem Fachmann nahe gelegen hätte, auf die gleiche Erfindung zu kommen, wenn man sein Fachwissen berücksichtigt. Dieses Fachwissen ist kein abgehobenes Spezialwissen, liegt aber doch deutlich über dem Wissen eines normalen Verbrauchers. Im vorliegenden Fall sah das Gericht einen Maschinenbauingenieur (FH oder Bachelor) mit mehrjähriger Berufserfahrung in der Konstruktion und Entwicklung von Antriebssystemen für Fenster und Türen als Fachmann.
Entsprechend sah das Bundespatentgericht auch weder die unterschiedlichen Größen der dargestellten Antriebe als Argument für Neuheit und Erfindertum (die Antriebe in den Druckschriften waren wesentlich größer als beim Streitpatent), noch die Tatsache, dass die Getriebeanordnungen in den Druckschriften als Montagehilfe beschrieben wurden, im Streitpatent jedoch als Notentriegelung. Für einen Fachmann wäre es jedoch selbstverständlich, eine Vorrichtung nach Möglichkeit reversierend zur Montage zu demontieren, erklärte das Gericht. Bei der Notentriegelung handele es sich um den ersten Arbeitsschritt, der auch bei einer Demontage durchzuführen wäre.
Streitpatent bleibt in Kraft- aber stark eingeschränkt
In großen Teilen gab das BPatG daher der Nichtigkeitsklage statt, aber dennoch nicht gänzlich. Das Streitpatent „Fenster oder Tür“ bleibt in Kraft, allerdings ist der schutzfähig verbleibende Patentgegenstand gegenüber demjenigen der erteilten Fassung wesentlich eingeschränkt.
Bestand hat das Streitpatent in der Fassung nach Hilfsantrag 3, zudem stark eingeschränkt durch die Aufnahme eines weiteren Merkmals (dass das drehbare Getriebeelement über Rastmittel in der verriegelten Position gehalten ist), das in den Streitpatent aufgenommen werden musste, um grundsätzlich den Schutzanspruch aufrechtzuerhalten.
Das BPatG schätzt, dass diese Einschränkung 80 % der wirtschaftlichen Verwertbarkeit des Streitpatents ausmacht; denn es gibt inzwischen alternative Lösungen im Markt mit gleicher Wirkung.
Fazit
Gerade bei Gebrauchsgegenständen ist eine sorgfältige Vorabrecherche der bereits öffentlichen Technik unbedingt erforderlich, um sich nicht angreifbar zu machen mit seinem Patentschutz. Auch bekannte Systeme wie Antrieb, Motoren, Entriegelungen und Mechanismen zur Positionierung können genutzt werden in der eigenen Erfindung. Solange eigene Merkmale neu hinzukommen und der bekannte Stand der Technik offen genannt wird, spricht dem Patentschutz nichts entgegen.
Ja, sogar ein seit langem bekanntes, altes Funktionsprinzip kann im Sinne der Patenfähigkeit „nicht naheliegend“ und daher erfinderisch sein, urteilte der BGH erst kürzlich in seiner Leitsatzentscheidung ‚Laufradschnellspanner‘.
Gerne helfen wir bei der nötigen umfangreichen Patentrecherche und einer genauen Ausarbeitung von einer Patentanmeldung weiter. Unsere Anwälte verfügen über langjährige Expertise im Patentrecht sowie im gesamten Gewerblichen Rechtsschutz.
Quellen:
Bundespatentgericht, Az. 6 Ni 42/20 (EP)
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