Ein seit langem bekanntes, altes Funktionsprinzip kann im Sinne der Patenfähigkeit „nicht naheliegend“ und daher erfinderisch sein, urteilte der BGH in seiner Leitsatzentscheidung Laufradschnellspanner – auch wenn das Funktionsprinzip in Vorrichtungen eingesetzt wird, die ebenfalls schon lange bekannt sind.
Das interessante Leitsatzurteil Laufradschnellspanner des BGH gibt eine Rechtsprechung vor für ein Problem bei Patentanmeldungen, die ein bereits seit langem bekanntes Funktionsprinzip oder Bauteil beinhalten. In der Praxis kommt dies quasi zu 100 % vor, das Rad wird bekanntermaßen nicht neu erfunden, um es einmal salopp auszudrücken.
Um Räder ging es auch tatsächlich in diesem Verfahren, das Streitpatent (das europäische Patents 1 801 005) betrifft in seiner noch verteidigten Fassung die Verwendung eines Schnellspanners zum schnellen Ein- und Ausbau von Laufrädern an Fahrrädern. Die Klägerin hatte dieses Patent wegen mangelnder Patentfähigkeit angegriffen (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜbkG i. V. m. Art. 54 und 56 EPÜ), mit ihrer Klage jedoch nur eine Einschränkung des Patents auf seine noch verteidigte Fassung erreicht.
Mit ihrer Berufung vor dem BGH strebte die Klägerin die vollständige Nichtigerklärung des Streitpatents an, das vom Bundespatentgericht in seiner noch verteidigten Fassung für patentfähig erklärt worden war.
Ein zentraler Diskussionspunkt in diesem Fall war der Klemmhebel – ein Werkzeug bzw. Bauteil, das seit sehr langem und vor allem für Werkzeugmaschinen bekannt ist. Hatte es daher nahegelegen, diese vor allem für Werkzeugmaschinen eingesetzte Hebel auch für Schnellspanner in Betracht zu ziehen?
Seit langem bekanntes, altes Funktionsprinzip – nahegelegen?
Die schon lange bekannten und für Werkzeuge verwendeten Klemmhebel hätten über Jahrzehnte keinen Einfluss auf die Befestigung von Laufrädern gehabt, argumentierte der beklagte Patentinhaber, daher hätten sie nicht nahegelegen – quasi offensichtlich.
Der BGH folgte diesem Argument. Ein seit langem bekanntes, altes Funktionsprinzip kann im Sinne der Patenfähigkeit „nicht naheliegend“ und daher erfinderisch sein, urteilte der BGH in seiner Leitsatzentscheidung Laufradschnellspanner – auch wenn das Funktionsprinzip in Vorrichtungen eingesetzt wird, die ebenfalls schon lange bekannt sind. Denn wenn ein Funktionsprinzip für sich gesehen seit vielen Jahrzehnten bekannt ist, bedarf es in der Regel einer zusätzlichen Anregung, um dieses Prinzip erstmals bei ebenfalls seit vielen Jahrzehnten bekannten Vorrichtungen einzusetzen, urteilte der BGH.
Entgegenhaltung: Klemmhebel sind vielfach einsetzbar
Aus K4 ergab sich zwar, dass Vorrichtungen nach Art eines Klemmhebels auch bei anderen Gegenständen als Werkzeugmaschinen einsetzbar sind, räumte das Gericht ein. Doch daraus ergebe sich – wie auch schon das BPatG festgestellt hatte – keine Veranlassung, Klemmhebel auch für Schnellspanner nach K6 in Betracht zu ziehen.
Das Kürzel K6 steht für das deutsche Gebrauchsmuster 297 14 945, das dem Streitpatent recht nah kommt. Doch weder offenbart noch nahegelegt sei die Weiterentwicklung des Streitpatents im Sinne seiner Merkmale 6.1 und 6.2. Und die Merkmale 6.1 und 6.2 seien deshalb als „nicht offenbart“ zu sehen, schloss der BGH seine Betrachtung, weil der Hebel zwar axial beweglich und abnehmbar, nicht aber in eine Position bewegbar ist, in dem seine Winkelstellung unabhängig vom Spannungszustand einstellbar ist.
Schlussendlich wies der BGH die Klage zurück.
Fazit
Ein Freibrief für Patentanmeldungen, die ohne Kontextbeachtung bekannte Funktionsprinzipien oder Werkzeuge beinhalten, ist das BGH Urteil Laufradschnellspanner nicht. Aber es eröffnet die Möglichkeit, bekannte Funktionen sogar in bekannten Abläufen oder Vorrichtungen für neue und schutzfähige Entwicklungen zu nutzen, wenn man das Altbekannte in neuem Kontext denkt und auch entsprechend darstellt in seiner Patentbeschreibung.
Gerne helfen wir bei einer entsprechenden Ausarbeitung von einer Patentanmeldung weiter. Unsere Anwälte verfügen über langjährige Expertise im Patentrecht sowie im gesamten Gewerblichen Rechtsschutz.
Quellen:
BGH Urteil Laufradschnellspanner, X ZR 61/19
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