Ein 17 Jahre altes DE Patent auf Digitaldruck wurde vom BPatG vollständig widerrufen. Das Patent erfülle nicht den Anspruch der Neuheit, urteilte das Gericht im Gegensatz zum Beschluss des DPMA, und fand die Hauptmerkmale offenbart in einem erloschenen Patent der Heidelberger Druckmaschinen.
International geschütztes Patent auf Digitaldruck
Das Streitpatent ist als DE Patent „Verfahren und Vorrichtung zum Erzeugen von Druckdaten“ (Patent Nr. 11 2004 002 429.3) bereits seit 2004 und auch als internationales Patent geschützt (PCT/JP2004/018213). Patentinhaberin ist die Ryobi MHI Graphic Technology Ltd. (Japan).
2015 wies das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) eine Beschwerde gegen die Patenteintragung zurück und erhielt das Patent auf Digitaldruck in vollem Umfang aufrecht. Das DPMA hielt keine der entgegengehaltenen Druckschriften für ausreichend, die Patentansprüche 1 und 3 als „nicht neu und nicht erfinderisch“ zu bewerten, wie in der Beschwerde gefordert wurde. Im Fokus standen dabei vor allem die Aspekte, wie die Bildobjekt-enthaltende Vektorgrafik-basierte Dateien korrigiert werden könnten. Es werde insbesondere nicht nahegelegt, urteilte das DPMA, zusätzlich zur Position auch die Form mindestens eines in dem Druckbild eingebetteten Bildobjekts positionsabhängig zu verändern.
Beschwerde gegen den DPMA Beschluss
Gegen diesen Beschluss richtete sich die Einspruchsbeschwerde vor dem Bundespatentgericht (BPatG), das jetzt in diesem Fall urteilte (14 W (pat) 25/15). Sie machte geltend, dass der Korrekturschritt gemäß Patentanspruch 1 lediglich erfordere, dass sowohl die Position als auch die Form eines einzigen Bildobjekts auf Basis entsprechender Positionsdaten und Deformationsinformationen verändert werde. Genau dies sei in der Druckschrift E2 der Fall.
Daher beschreibe E2 auch das strittige Merkmal, lautete die Beschwerde, gemäß dem ein Korrekturschritt zum Korrigieren von mindestens einem der Bildobjektdaten im Hinblick auf eine Elongation oder Kontraktion in die Richtung erfolge, in welches das Druckmedium ausgedehnt oder kontrahiert werde, indem sowohl die Position als auch die Form des Bildobjekts auf der Basis der entsprechenden Positionsdaten und der Deformationsinformation verändert werde. Zudem wisse ein Fachmann aus E2, wie er einzelne Bildobjekte verändern könne. Dieses Wissen könne er ohne erfinderische Überlegungen auf mehrere Bildobjekte übertragen, argumentierte die Beschwerdeführerin. Sie beantragte daher, das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.
Druckschrift E2 = bereits erloschenes Patent der Heidelberger Druckmaschinen
Das Gericht prüfte daher vor allem die 4 Hauptmerkmale des Patentanspruchs 1 in Bezug auf die entgegengehaltene Druckschrift E2 – die wiederum ist das inzwischen erloschene DE Patent 196 32 674 A1 „Digitale Druckmaschine mit Registerregelung“ der Heidelberger Druckmaschinen AG (Deutschland). Grundsätzlich sei vor der Beurteilung der Patentfähigkeit ein Patentanspruch auszulegen, erläuterte das BPatG, insbesondere dann, wenn – wie auch vorliegend – die Bedeutung von Begriffen strittig ist. Hinsichtlich des erteilten Patentanspruchs 1 stelle sich vorliegend daher die Frage, welche Bedeutung den Merkmalen M2, M4 und M5 zukommt.
Zuständiger Fachmann sei im Übrigen ein Hochschulingenieur (M.Sc.) der Fachrichtung Druck und Medientechnik, der über eine einschlägige Berufserfahrung auf dem Gebiet des Digitaldrucks verfügt, erläuterte das Gericht. Lesen Sie in diesem Kontext auch gerne unseren Beitrag „3D Druck – Verstoß gegen Patentrecht?“ .
Hauptmerkmale des Patentanspruchs in E2 offenbart?
Das Merkmal M2 betrifft die Erzeugung von Druckdaten, wobei sich die Bildobjektdaten aus Positionsdaten und Formdaten zusammensetzen. Eine weitere Spezifikation des Druckdatenformats wird im Patentanspruch 1 aber nicht angegeben, stellte das BPatG fest. Die Beschreibung der Patentschrift informiert allerdings, dass die Druckdaten als PDL-Daten (also als PostScript-Daten) und PDF-Daten für die elektronischen Dokumentformdaten vorliegen können.
Merkmal M4 wiederum fordert, dass sowohl die Position als auch die Form von mindestens einem Bildobjekt auf Basis entsprechender Positions- und Deformationsdaten im Hinblick auf eine Elongation oder Kontraktion in die Richtung, in welche das Druckmedium ausgedehnt oder kontrahiert wird, korrigiert werden. Demzufolge ist Merkmal M4 bereits dann erfüllt, wenn nur ein Bildobjekt korrigiert wird, schlussfolgerte das BPatG.
Schließlich sei im Streitpatent unter „Binarisieren der korrigierten Druckdaten“ gemäß Merkmal M5 die Umwandlung/Konvertierung der korrigierten maschinenunabhängigen Daten in binäre, d. h. punktverarbeitbare Druckplattenerzeugungsdaten beschrieben, führte das BPatG aus. Hierbei handelt es sich um Rasterdaten, die im Bitmap-Format vorliegen. Die Konvertierung erfolgt laut Patent mit Hilfe einer DruckplattenErzeugungsdaten-Vorrichtung, einem sog. Raster-Image-Prozessor, auch RIP genannt.
Daher wird das Streitpatent durch E2 tatsächlich neuheitsschädlich offenbart, urteilte das BPatG. Denn die Druckschrift E2 beschreibt ein Verfahren zur Korrektur von Registerfehlern bei einer Druckmaschine mit mehreren digitalen Bebilderungseinheiten und einem Raster-Image-Prozessor (RIP), der Bilddaten in einem maschinenunabhängigen Datenformat empfängt und diese in maschinenspezifische Bilddaten umwandelt, bevor er sie den einzelnen Bebilderungseinheiten zugeführt, wobei Registerfehler durch Manipulation der maschinenunabhängigen Bilddaten korrigiert werden. In der Bildmodifizierungseinrichtung wird der Originaldatensatz, der als PostScript Datei vorliegt, je nach ermittelten Registerfehler modifiziert, bevor er dem RIP zugeführt wird. Auf Basis der vorseparierten Daten, die immer noch im PostScriptFormat vorliegen, erfolgt dann die Korrektur der Registerfehler durch spezifische Verschiebung, Dehnung bzw. Stauchung des gesamten Bildinhaltes, so dass sowohl die Position als auch die Form der Bildobjekte korrigiert werden.
Demzufolge offenbare die Druckschrift E2 ein Verfahren mit den Merkmalen M1 bis M5 gemäß Patentanspruch 1, urteilte das BPatG, das Streitpatent erfülle daher nicht die Grundvoraussetzung der Neuheit. Das Argument des Patentínhabers, der Ryobi MHI Graphic Technology Ltd., dass in E2 keine von der Position des jeweiligen Objekts abhängige Änderung der Bilddaten erfolge, könne nicht überzeugen, entschied das Gericht. Denn bei dem Verfahren gemäß E2 bedinge eine Verschiebung des Koordinatenursprungs der PostScriptDaten eine Positionsänderung sämtlicher Bildobjekte, die in der PostScript-Datei enthalten sind.
BPatG hob Beschluss des DPMA auf
Das BPatG hob daher den Beschluss des DPMA auf und hat das DE Patent auf Digitalen Druck vollständig widerrufen. Denn der nebengeordnete Patentanspruch 3 und die jeweils nachgeordneten Patentansprüche 2 und 4 teilen das Schicksal des Patentanspruchs 1, wie das Gericht in seinem Urteil ergänzte.
Allerdings steht den Verfahrensbeteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Ob die Patentinhaber davon Gebrauch machen werden, ist offen: das Streitpatent ist bereits im 17. Laufjahr und die Nichtigkeit eines Patents tritt erst in Kraft mit einem rechtskräftigen Beschluss. Wird ein Patent mit Beschluss rechtskräftig für nichtig erklärt, gilt dies zwar als vom Zeitpunkt der Anmeldung (ex tunc = von Anfang an). Dennoch gelten nicht die zwischenzeitlichen Verträge über das Patent als rückwirkend ungültig; insbesondere Lizenzverträge behalten ihre Gültigkeit auch für ein als nichtig erklärtes Patent.
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Quellen:
Urteil des BPatG, 14 W (pat) 25/15
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