Wenn ein im Ausland ansässiger Lieferant Kunden im patentfreien Ausland mit einem Produkt beliefert, das in Deutschland als Patent geschützt ist – muss er die weitere Verwendung der gelieferten Ware prüfen? Der BGH urteilte mit der Entscheidung Ultraschallwandler über Schadensersatz bei Lieferung eines patentverletzenden Produkts von einem im Ausland ansässigen Lieferanten – eine Fortführung der BGH Entscheidung Abdichtsystem.
Grundsätzlich gilt, dass die Benutzung eines patentgeschützten Gegenstand zur Patentverletzung führt, ebenso auch das widerrechtliche Inverkehrbringen eines im Inland patentgeschützten Erzeugnisses. Wie aber verhält es sich bei einer Lieferung?
Besonders kompliziert ist die Lage, wenn ein im Ausland ansässiger Hersteller ebenfalls im Ausland ansässige Abnehmer mit einem Produkt beliefert, dass nur inländisch (also nur in Deutschland) unter Patentschutz steht. Hat ein solcher im Ausland ansässiger Lieferant konkrete Anhaltspunkte, die es als naheliegend erscheinen ließen, dass gelieferte Ware ins Inland weitergeliefert oder dort angeboten wurde, auch hinsichtlich weiterer im Ausland ansässiger Abnehmer? Dies war die Frage im vorliegenden Fall Ultraschallwandler (BGH, X ZR 47/19).
BGH Rechtsprechung: Lieferung und Rückruf aus Vertriebswegen
Der BGH hat bereits früher entschieden, dass auch eine Lieferung grundsätzlich zur Patentverletzung beitragen kann. 2009 entschied der BGH, dass nicht nur derjenige, der sich vorsätzlich an der Benutzung des geschützten Gegenstands durch einen Dritten beteiligt, für eine Patentverletzung mit einzustehen hat, sondern auch derjenige, der eine Benutzung des geschützten Gegenstands durch einen Dritten durch eigenes pflichtwidriges Verhalten ermöglicht (BGH, Xa ZR 2/08). Allerdings begründet laut BGH auch eine solche Pflichtverletzung nicht ohne weiteres uneingeschränkten Anspruch auf Unterlassung, wenn die Handlungen für sich gesehen keine Patentverletzung darstellen.
Auch in Bezug auf Lieferungen durch einen im Ausland ansässigen Lieferanten hat der BGH bereits wichtige Feststellungen gemacht. Ein Anspruch auf Rückruf aus Vertriebswegen ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Verpflichtete im Ausland ansässig ist, legte der BGH 2017 in seiner Entscheidung Abdichtsystem fest (X ZR 120/15). Zudem sei ein im Ausland ansässiger Lieferant eines im Inland patentgeschützten Erzeugnisses, der einen ebenfalls im Ausland ansässigen Abnehmer beliefert, nicht ohne weiteres verpflichtet, die weitere Verwendung der gelieferten Ware durch den Abnehmer zu überprüfen oder zu überwachen. Handelt er aber pflichtwidrig, sei er grundsätzlich verpflichtet, über alle Lieferungen an diesen Abnehmer Rechnung zu legen.
Fall Ultraschallwandler: Fall Konstellation
Das also ist die Rechtsprechung, die im jetzt entschiedenen Fall Ultraschallwandler die Ausgangslage bildete. Im Mittelpunkt stand das deutsche Patent 199 37 195 (Klagepatent), das 1999 angemeldet und im März 2006 veröffentlicht wurde; es ist inzwischen erloschen. Das Klagepatent betrifft einen Ultraschallwandler, der als Teil von Einparkhilfesystemen für Kraftfahrzeuge eingesetzt werden kann.
Die Beklagte ist ein in Taiwan ansässiges Unternehmen und stellt in Produktionsstätten in China und Taiwan Autoteile und Autozubehör her, darunter auch Ultraschallwandler. Sie ist Lieferantin zahlreicher Automobilhersteller. So kam es, dass von der Beklagten hergestellte Ultraschallwandler durch deren Abnehmer R. /D. in Deutschland in Verkehr gebracht wurde, relevanter Zeitraum dafür war ab Dezember 2012. Die Klägerin sah darin die Verletzung des Klagepatents und machte Unterlassung und Schadensersatz gegen die Beklagte geltend.
Patentverletzung durch Ultraschallwandler
Vor dem BGH (X ZR 47/19) wurde nur noch der Anspruch auf Schadensersatz gestellt, in der Frage der Unterlassung hatten sich die Parteien zwischenzeitlich geeinigt.
Zunächst einmal beurteilte der BGH, ob wirklich eine Patentverletzung vorliegt: der BGH beantwortete dies mit einem klaren „Ja“. Das Berufungsgericht sei zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass die bei dem als verletzend beanstandeten Ultraschallwandler eingesetzte Drahtverbindung ein Leiterbahnenelement im Sinne von Patentanspruch 1 darstellt, entschied der BGH.
Überprüfungspflicht für den Lieferanten nach Anhaltspunkten
Ausführlich widmete sich der BGH der Überprüfungspflicht für den Lieferanten in Bezug auf eine Patentverletzung. Zwar sei ein im Ausland ansässiger Lieferant nicht ohne weiteres verpflichtet, die weitere Verwendung der gelieferten Ware durch den Abnehmer zu überprüfen oder zu überwachen, erklärte das Gericht und verwies auf die Entscheidung Abdichtsystem. Eine solche Überprüfungs- oder Überwachungspflicht kann jedoch entstehen, erläuterte der BGH, wenn es für ihn konkrete Anhaltspunkte gibt auf eine Patentverletzung.
Und solche konkreten Anhaltspunkte lagen vor, entschied der BGH. Angesichts der geographischen Lage und der wirtschaftlichen Gegebenheiten lag es demnach nahe, dass von Produktionsstätten in Marokko aus in großem Umfang Lieferungen in die Europäische Union erfolgen. Zudem hatte die Klägerin die Beklagte mit einem Schreiben vom 22. November 2012 darüber informiert, die von der Beklagten an R. gelieferten Wandler würden in Fahrzeugen des Typs D. L. eingesetzt.
Das Gericht betonte, dass die Annahme konkreter Anhaltspunkte für eine Überprüfung der Lieferungen der angegriffenen Wandler nach Deutschland nicht davon abhängt, ob das Schreiben als Berechtigungsanfrage oder als Abmahnung verfasst worden ist, und ebenso wenig, ob der Patentinhaber zugleich rechtliche Schritte androht oder lediglich um Stellungnahme bittet. Konkrete Anhaltspunkte, die eine Überprüfungspflicht der Beklagten begründeten, ergeben sich aus den in dem Schreiben enthaltenen Informationen über die Lieferung bestimmter Fahrzeugtypen nach Deutschland, entschied der BGH.
Keine Verallgemeinerungen der Anhaltspunkte
Verallgemeinerungen in Bezug auf die Umstände, unter denen eine Lieferung im patentfreien Ausland erfolgt (die Rechtswidrigkeit des Anbietens oder Lieferns an einen bestimmten Abnehmer) sind aber nicht zulässig, erläuterte das höchste deutsche Gericht. Vielmehr muss aus den Entscheidungen der Gerichte hervorgehen, welche charakteristischen Elemente des Lebenssachverhalts eine Überprüfungs- oder Überwachungspflicht begründen und deshalb den Kern des verbotenen bzw. zum Schadensersatz verpflichtenden Handelns darstellen. Diesen Anforderungen werde aber die vom Landgericht ausgesprochene und vom Berufungsgericht bestätigte Feststellung nicht gerecht, entschied der BGH und hob deren Entscheidungen auf (OLG Hamburg und LG Hamburg).
Sogar als Leitsatzentscheidung formulierte der BGH diese Forderung. Es bestehen demnach Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Schadensersatz auch in Bezug auf andere Abnehmer (auch für einen im Ausland ansässigen Lieferanten) – aber nur insoweit, als dieselben charakteristischen Umstände vorliegen, die die Rechtswidrigkeit der Lieferung an den einen Abnehmer begründen, der die gelieferte Ware trotz dort bestehenden Patentschutzes im Inland anbieten oder in Verkehr bringen wird.
Mangels tatbestandlicher Feststellungen des Berufungsgerichts sei der Fall aber nicht zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO), entschied der BGH. Gerade um die Höhe des Schadensersatzes festsetzen zu können, müsse geklärt werden, ob die Beklagte auch in Bezug auf andere Abnehmer konkrete Anhaltspunkte für Lieferungen oder Angebote in Deutschland hatte. Die Formulierung „an Dritte zu liefern oder liefern zu lassen“ weise zwar auf zielgerichtetes Handeln hin, lasse aber nicht erkennen, durch welche charakteristischen Umstände sich danach unzulässige Handlungen von zulässigen unterscheiden.
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Quellen:
Urteil BGH Ultraschallwandler, X ZR 47/19
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