Die Patentierbarkeit von GUI (graphische Benutzeroberflächen) ist relevant für die gesamte Digitalisierung und das Internet der Dinge. Zu diesem Bereich gibt es eine klare Rechtsprechung des BGH, die sich kurz fassen lässt: wird nur der Benutzer angesprochen durch das GUI, zählt das nicht für Patentfähigkeit.
Zur Prüfung einer Erfindung auf erfinderische Tätigkeit sind grundsätzlich nur diejenigen Merkmale bzw. Anweisungen zu berücksichtigen, die zur Löschung eines technischen Problems mit technischen Mitteln beitragen. Das gilt auch für Erfindungen und Patente auf graphische Benutzeroberflächen (GUI).
Patentfähigkeit von GUI
Da aber GUI in der Regel der Benutzerfreundlichkeit dienen und daher vor allem das Problem einer anschaulichen Präsentation von Menüpunkten lösen, ist die Rechtsprechung zur Patentierbarkeit von GUI besonders interessant. Gerade in den letzten Jahren wurden mehrere wichtige Patentverfahren vor dem Bundesgerichtshof (BGH) entschieden.
Dabei zeichnet sich eine klare Rechtsprechung ab: Die Wiedergabe von Informationen ist als solche dem Patentschutz nicht zugänglich und nach Ansicht des BGH ebenso wenig auch Inhalte, die auf menschliche Vorstellung oder Verstandesfähigkeit einwirken.
Wird aber durch die Präsentation von GUI die Information für den Nutzer erst ermöglicht oder verbessert, ist dies bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit zu berücksichtigen. Grundsätzlich sind laut BGH Rechtsprechung solche Anweisungen „insoweit zu beachten, als sie die Lösung eines technischen Problems jedenfalls beeinflussen“.
Wie sieht das in der gerichtlichen Praxis aus? Wir fassen die jüngeren BGH Entscheidungen zur Patentfähigkeit von GUI zusammen.
Fallstudie: BGH ‚Rotierendes Menü‘
In einem Patentnichtigkeitsverfahren um das – inzwischen durch Zeitablauf erloschene – europäische Patent 888 687 (Streitpatent) von Philips N.V. (Niederlande) ging es um eine Erfindung, gemäß der über ein rotierendes Menü eine Auswahl auf dem Bildschirm eine Darstellungsart gewählt werden sollte.
Das Bundespatentgericht hatte das Patent für nichtig erklärt, und dies wurde vom BGH 2020 bestätigt (X ZR 144/17). Zum einen hatte eine frühere Offenbarung (europäische Patentanmeldung 626 635) dem Philips Patent nahegelegen, zudem wurde bemängelt, dass im Patentanspruch Festlegungen in Bezug auf weder den Verlauf noch auf die Form der vorgesehenen Rotationsbahn enthalten waren. Vor allem aber machte der BGH einmal mehr die Patentfähigkeit graphischer Benutzeroberflächen deutlich.
Menüpunkte der Darstellungswahl besonders anschaulich darzustellen betrifft kein technisches Lösungsmittel, entschied der BGH als Leitsatz. Das Merkmal, das sich auf die vorgesehene Darstellung des Menüs als rotierend bezieht, erschöpfe sich in der bloßen Wiedergabe einer Information als solcher, erklärte der BGH, wenn auch in besonders anschaulicher Präsentation. Damit werde das menschliche Vorstellungsvermögen angesprochen, dies aber ist nicht patentfähig.
Anders sei es bei den Merkmalen, wo es um die zweckmäßige Ausnutzung der zur Verfügung stehenden Bildschirmfläche geht, ergänzte der BGH, dies sei eine technische Verbesserung und als erfinderische Tätigkeit zu sehen.
Fallstudie: BGH ‚Bildstrom‘
Bereits 2015 hatte der BGH in dem Leitsatzurteil ‚Bildstrom‘ festgelegt, dass bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit diejenigen Anweisungen zu berücksichtigen sind, wenn die Präsentation von GUI die Information für den Nutzer erst ermöglicht oder verbessert – und wenn sie auf die physischen Gegebenheiten der menschlichen Wahrnehmung und Aufnahme von Informationen Rücksicht nehmen (XZR37/13).
Ausdrücklich wollte der BGH diese Entscheidung als Weiterentwicklung der Rechtsprechung zu GUI sehen, die aus dem Bereich Automobil Navigation kamen. Relevant sind diesbezüglich vor allem zwei Entscheidungen, ‚Wiedergabe topografischer Informationen‘ (X ZR 47/07) von 2010 und ‚Fahrzeugnavigationssystem‘ (X ZR 27/12) von 2013. Demnach gilt die Auswahl einer für die Navigation eines Fahrzeugs zweckmäßigen Darstellung positionsbezogener topografischer Informationen als nicht-technische Vorgabe – und damit als auf erfinderische Tätigkeit außer Betracht. Als nicht-technisch gilt auch die Anweisung zur Sprachausgabe eines Navigationshinweises unter bestimmten Bedingungen.
Fallstudie: BGH ‚Entsperrbild‘
Ebenfalls relevant für die Rechtsprechung zur Patentierbarkeit von GUI ist die BGH Entscheidung von 2015 ‚Entsperrbild‘ um den Touchscreen von Apple beim Entsperren durch Ausführen von (Finger-)Bewegungen. Die informationsbezogenen Merkmale eines Patentanspruchs seien darauf hin zu untersuchen, ob die wiederzugebende Information sich zugleich als Ausführungsform eines – im Patentanspruch nicht schon anderweitig als solches angegebenen – technischen Lösungsmittels darstellt, erläuterte der BGH.
Konkret ging es bei dem Nichtigkeitsverfahren darum, dass in der Entgegenhaltung der früheren Offenbarungen kein „Entsperrbild“ vorgesehen war, das im Sinne eines grafischen interaktiven Benutzerschnittstellenobjektes mitbewegt wird – doch genau das machte die Erfindung von Apple aus. Aber dieses Merkmal wurde nicht für die erfinderische Tätigkeit berücksichtigt. Denn das Gerät selbst und seine technische Funktion würden nicht beeinflusst, entschied der BGH, vielmehr werde lediglich eine Information grafisch dargestellt, die sich direkt an den Benutzer richtet.
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Quellen:
BGH „Rotierendes Menü“, X ZR 144/17
Bild:
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