Das BPatG hat ein DE Patent zur optischen Verkehrsraumüberwachung für nichtig erklärt – relevant für die gesamte Automobilbranche. Im Detail beurteilte das Gericht die beanspruchte Zweiteilung des Netzteils und Optikeinheit – Komponenten, die in allen Auto Rückfahrkameras angewandt werden.
Die Klage auf Nichtigerklärung richtete sich des gegen das am 23. Januar 2003 beim Deutschen Patent- und Markenamt angemeldete deutschen Patents 103 02 541 (im Folgenden: Streitpatent), dessen Erteilung am 4. Juli 2013 veröffentlicht worden ist. Das Streitpatent mit der Bezeichnung „Vorrichtung zur optischen Verkehrsraumüberwachung in einem Fahrzeug“ ist relevant für die gesamte Branche der Autohersteller.
Relevante Dokumente der Entgegenhaltung, die in dem Nichtigkeitsverfahren geltend gemacht wurden, sind Patente u. a. von Daimler, Nissan und Bosch, die Verfahren und Vorrichtungen beschreiben für Auto Rückfahrkameras, ebenso auch für die Überwachung des Umgebungs- und des Innenraums von Autos sowie des Rück- bzw. Frontraumes eines einparkenden Kraftfahrzeugs.
Ursprünglich angemeldet von der Conti Temic microelectronic GmbH (Deutschland) ging das Streitpatent – nach einem Verfahren um Lizenzen und Lizenzbereitschaft – 2014 an die London Optical Car Systems LTD (UK) über, die im jetzt entschiedenen Nichtigkeitsverfahren die Patentinhaberin ist.
Die Klage, erhoben im April 2018, machte unzulässige Erweiterung des Patents sowie fehlende Patentfähigkeit geltend. Das Bundespatentgericht entschied jetzt in diesem Fall, gab der Klägerin Recht und erklärte das Patent zur optischen Verkehrsraumüberwachung für vollständig für nichtig (1Ni6/18).
Unzulässige Erweiterung des Patents
Eine unzulässige Erweiterung liege nicht vor, wehrte sich die Patentinhaberin, weil die Beschränkung auf Teilerfindungen, die sich aus den Anmeldeunterlagen ergäbe, patentrechtlich zulässig sei. Der ursprüngliche Anspruch 1 schreibt zwingend eine Optikeinheit mit einem Nahbereichs-Optiksystem und einem Fernbereichs-Optiksystem vor, deren Strahlengang in einer gemeinsamen optischen Zentraleinheit zusammengeführt ist, während der erteilte Anspruch auf eine Vorrichtung mit einer nicht näher definierten „Optikeinheit“ gerichtet ist. Darin sah die Klägerin eine unzulässige Erweiterung begründet.
Das Gericht stellte klar, dass ein Patentanmelder im Laufe des Prüfungsverfahren stets auch eine andere Aufgabe formulieren kann, die über die ursprüngliche hinaus geht. Die im vorliegenden Fall neu formulierte Aufgabe zielte auf die zusätzliche Teilaufgabe der geringen Eigenerwärmung im Bereich einer nicht weiter beschränkten Optikeinheit ab. Dieses Ziel ist aber bereits in der Offenlegungsschrift OS (103 02 541 A1) formuliert. Eine Einschränkung auf lediglich eine bestimmte Optikeinheit mit zwei unterschiedlichen optischen Bereichen – wie im ursprünglichen Anspruch 1 formuliert – sei im Hinblick auf die thermische Problematik nicht geboten, erläuterte das BPatG und stellte die unzulässige Erweiterung des Patents fest.
DE Patent zur optischen Verkehrsraumüberwachung nicht patentfähig
Auch in der Frage der Patentfähigkeit des Streitpatents für Auto Rückfahrkameras gab das Gericht der Klägerin Recht und beurteilte dazu im Detail verschiedene Merkmale des Patentanspruchs in Bezug auf Netzteil, Versorgungseinheit, Rechenleistung der Prozessoren und die Positionierung der Komponenten.
Die Patentinhaberin hatte sich auf die angebliche Zweiteilung des Netzteils berufen. Bei der Verwendung einer Kamera als Sensor in Auto Rückfahrkameras sei die Taktfrequenz dieser Einheit durch den Pixeltakt an der Ausgabeschnittstelle definiert. Ausgehend hiervon treffe keine der von der Klägerin angeführten Druckschriften neuheitsschädlich für die streitpatentgemäße Erfindung zu und lege diese auch nicht nahe.
Netzteil und Taktfrequenzen
Das BPatG widersprach diesem Einwand. Auch wenn die gemäß Merkmal 1.2a angegebene Versorgungseinheit nicht als Netzteil, insbesondere nicht als Primärnetzteil bezeichnet ist, so werde diese aber als ein solcher Primärnetzteil für den Fachmann in naheliegender Weise mitgelesen, erläuterte das BPatG. Denn der in der entgegengehaltenen Druckschrift D4 (US 5 880 777 A) beschriebene Prozessor benötige eine von der Bordspannung verschiedene Spannung, die zwangsläufig von der Versorgungseinheit des Streitpatents implizit zumindest funktional zuzuordnenden Netzteil bereitgestellt werden muss.
Zudem fordert Merkmal 1.2b.1 Recheneinheiten mit unterschiedlichen Taktgeneratoren in der Optik- und Versorgungseinheit, wobei derjenige in der Versorgungseinheit die höhere Arbeitsfrequenz vorgibt. Leistungsstarke Recheneinheiten weisen jedoch u.a. hohe Taktfrequenzen auf, da diese eine von mehreren einstellbaren Parametern sind, die der Fachmann bedarfsgerecht auslegt, erläuterte das Gericht. Daher lese ein Fachmann die mit Merkmal 1.2b.1 aufgestellte Forderung in naheliegender Weise mit.
Strukturelle Baueinheit für Versorgungseinheit
Auch Merkmal 1.2.b sei durch das Bildgebungssystem in D4 offenbart, ergänzte das BPatG. Dieses Merkmal sieht vor allem vor, dass die Optikeinheit, die Energieversorgung und die Datenverarbeitungseinheit an unterschiedlichen Positionen im Fahrzeug angeordnet sein können. Zwar sei eine strukturelle bzw. bauliche Zusammenfassung in einer einzigen Baueinheit tatsächlich nicht offenbart, räumte das Gericht ein, allerdings sei das auch nicht erforderlich, denn es könne nicht nur eine einzige strukturelle Baueinheit für die eine Versorgungseinheit unterstellt werden.
Ansprüche aus den Hilfsanträgen ebenfalls abgelehnt
Ebenfalls wies das BPatG weitere Patentansprüche aus den Hilfsanträgen zurück. Der beanspruchte Erfolg der unterschiedlichen thermischen Leistungen der Optikeinheit und der Versorgungseinheit stelle sich von selbst ein und beruhe auf der Anordnung der Komponenten der Optikeinheit räumlich getrennt und funktional verbunden mit der Versorgungseinheit – bekannt aus der Druckschrift D4. Mithin beruhen auch die Gegenstände des Patentanspruchs 1 gemäß den Hilfsanträgen 2 und 3 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, urteilte das BPatG.
Das DE Patent zur optischen Verkehrsraumüberwachung wurde vollständig für nichtig erklärt und gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
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Quellen:
Urteil des BPatG ‚optische Verkehrsraumüberwachung‘, 1 Ni 6/18
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